• 08.05.2023 | Vor 30 Jahren baute Axpo die grösste Solaranlage der Schweizer Berge

    Caischavedra – Gestern Gigant, heute Zwerg

    Jeanette Schranz

    Autorin

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    Die Solaranlage Caischavedra oberhalb von Disentis hat Jahrzehnte auf dem Buckel oder besser gesagt auf den Solarpanels – aber sie liefert noch immer Strom. Primärer Treiber hinter dem Bau des PV-Kraftwerks war Axpo bzw. die NOK. Nun baut Axpo in unmittelbarer Nähe mit «Ovra Solara Magriel» eine Anlage, die 100mal mehr Leistung bringen wird als Caischavedra – die vor 30 Jahren mit 100 Kilowatt Leistung Rekorde geschrieben hat.  

    Wen das Goldfieber packt, den zieht es im Sommer in die Surselva im Bünder Oberland. Seit Mitte der 1990er Jahre sind hier schlagzeilenträchtig grosse Goldnuggets aus dem Wasser «gefischt» worden. Von hier stammt auch das bislang schwerste Nugget, das je in den Schweizer Alpen gefunden worden ist. 1,4 Kilogramm bringt es auf die Waage. Aber nicht nur Gold ist in den Bündner Bergen zu finden, sondern auch viel Sonne – vor allem im Winter, wenn der Nebel das Land in «unten grau und oben blau» teilt.

    PSI sucht nach geeigneten Standorten

    Bereits Mitte der 1980er macht sich das Forschungsinstitut Paul Scherrer, das PSI, oberhalb von Disentis auf die Suche nach einem guten Standort für ein solarthermisches Kraftwerk. Dazu werden Daten in der unberührten Gegend auf Lai Alv auf 2600 m ü. M. oberhalb des Plateaus bei Caischavedra gesammelt.

    Alsbald wird die Idee eines thermischen Kraftwerks wegen technischer Hürden verworfen. Die gemessenen Einstrahlungswerte zeigen indes: die Voraussetzungen für eine Solaranlage sind ideal. Das Gebiet ist über dem Nebel gelegen, der Schnee reflektiert die einfallenden Sonnenstrahlen, die Temperaturen sind tief. Das sind die Zutaten, die für den Bau alpiner PV-Anlagen sprechen und sie so wertvoll für die solare Stromerzeugung machen – vor allem für die Versorgung im Winter.

    NOK und Co. packen an

    Der Standort passt. Nun ist Pioniergeist der Energieunternehmen und der lokalen Politik gefragt. Axpo bzw. ihre damalige Vorgängerin, die NOK, das Elektrizitätswerk Bündner Oberland, die Bergbahnen Disentis sowie die Gemeinde Disentis/Muster gründen 1991 die Bau- und Betriebsgesellschaft Desertasol.

    Die NOK beteiligt sich zu 26 Prozent an Desertasol (inzwischen hält Axpo keine Anteile mehr) und stellt zusammen mit dem Bund und dem Kanton Graubünden die notwendigen Geldmittel bereit, damit das Projekt auch tatsächlich realisiert werden kann.

    Vorhandene Infrastruktur nutzen

    Das neue Solarkraftwerk soll jedoch nicht in der unberührten Gegend von Laj Alv gebaut werden. Zum Schutz der Natur und zur effizienten Netzanbindung beschliessen die Beteiligten, die Anlage an die vorhandene Infrastruktur der Caischavedra-Bergbahnen auf 1900 m ü. M. anzubinden.  

    100 Kilowatt soll sie leisten und jährlich gegen 120’000 Kilowattstunden (kWh) Strom liefern. Damit haben sich die Beteiligten nicht weniger auf die Fahne geschrieben, als das bis anhin grösste Solarkraftwerk in den Schweizer Alpen zu bauen.

    100 Kilowatt mag gemessen an den alpinen Solaranlagen von heute ein Klacks sein. Zum Vergleich: Die Solar-Grossanlage auf der Muttsee-Staumauer, AlpinSolar, verfügt über 2200 Kilowatt Leistung und produziert jährlich 3,3 Millionen kWh. Die geplante Freiflächenanlage NalpSolar im bündnerischen Tujetsch ist auf 10'000 Kilowatt Leistung ausgerichtet und soll pro Jahr 13 Millionen kWh Strom erzeugen. Das jüngste Projekt, die Anlage am La Motta ist ebenfalls für eine Leistung von 10'000 Kilowatt konzipiert und dürfte jährlich 17 Millionen kWh Strom erzeugen. Gebaut werden soll «Ovra Solara Magriel» nur wenige Meter Luftlinie von der kleinen Caischavedra-Anlage entfernt. Der Kreis schliesst sich.

    Neuer Typ von Modulen – Befestigungstechnik aus dem Hause NOK

    Natürlich ist Caischavedra im Vergleich zum künftigen Nachbarn ein Zwerg, aber das tut der Pionieranlage keinen Abbruch. Denn nicht nur punkto Grösse gehen die NOK und Co. damals neue Wege: Im Herbst 1992 werden die Solarmodule montiert. Das Besondere: Sie sind viel grösser als die bis anhin in der Solartechnik eingesetzten Panels. Das spart Montagekosten und erleichtert das Abrutschen des Schnees.

    Rund zwei Quadratmeter misst der neue Typ und wiegt etwa 50 Kilo. Alle Module zusammen des zweiflächigen Felds wiegen insgesamt rund 110 Tonnen. Die schweren Panels müssen speziell montiert werden. Zusammen mit Partnern entwickelt die NOK eine neue Befestigungstechnik, die im Modul selbst angreift, statt wie üblicherweise an dessen Rand. Das verringert die Gefahr, dass sich die Panels deformieren. Von dieser Pionier- und Innovationsleistung können wir auch heute noch profitieren. Und: das Wissen, dass alpine Solaranlagen auch nach 30 Betriebsjahren noch zuverlässig Strom liefern, ist mindestens so viel Wert wie das schwerste in der Surselva gefundene Nugget.

    Im Juni 1993 startet die Produktion. Der erzeugte Strom wird in das Netz der Elektrizitätswerk Bündner Oberland eingespiesen und versorgt die Bergbahnen Disentis direkt mit Strom – und das bis heute. 

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