• 11.10.2018 | Energiestrategie 2050 und Umweltschutzanliegen im Widerspruch

    Wasserkraft: Ausbauziel in Gefahr

    Schweizer Wasserkraftwerken drohen künftig Produktionsverluste von mindestens 2’280 GWh pro Jahr. Das zeigt eine neue Studie des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV), welche mögliche Auswirkungen des Gewässerschutzgesetzes (Restwasserbestimmungen) auf die Kraftwerke analysiert. Damit sei die Umsetzung der Energiestrategie 2050 – auch im Bereich Wasserkraft – gefährdet.

    In der Schweiz stammen aktuell 59 Prozent des produzierten Stroms aus Wasserkraft. Das ist gut, denn diese Stromproduktion ist einheimisch und damit zuverlässig, praktisch CO2-frei sowie speicher- und erneuerbar.

    Der Wasserkraft kommt auch für die künftige Energieproduktion der Schweiz gemäss Energiestrategie 2050 eine zentrale Rolle zu. Das von den Stimmberechtigten im Mai 2017 gutgeheissene Energiegesetz sieht vor, die Stromproduktion aus Wasserkraft bis 2050 weiter zu steigern. Konkret ist von einem Ausbau der durchschnittlichen Jahresproduktion um rund 23000 GWh auf 38'600 GWh die Rede.

    Für immer mehr Wasserkraftwerke muss die Konzession erneuert werden
    Gesetze mit unterschiedlichen Zielen

    Wie viel Wasser für die Stromproduktion genutzt werden kann und wie viel als sogenanntes «Restwasser» der Natur (Flüsse, Bäche, Auenlandschaften, Fische, etc.) erhalten bleibt, führte bereits in der Vergangenheit immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Stromproduzenten und Umweltschützern. Geregelt wird die Frage im Gewässerschutzgesetz. Es stammt aus dem Jahr 1992 und verlangt, dass bei Sanierungen und Konzessionserneuerungen von Wasserkraftwerken – die in den nächsten Jahren vermehrt anstehen (siehe Grafik oben) – die Restwassermengen erhöht werden.

    Massive Verluste drohen

    Der SWV hat nun erstmals schweizweit eine umfangreiche Untersuchung über mögliche Auswirkungen der anstehenden Sanierungen und Neukonzessionierungen auf die künftige Stromproduktion untersucht. Erfasst wurden darin 80 Prozent der betroffenen Wasserkraftwerke. Die Resultate sind alarmierend. 

    Bereits im Szenario «Anforderungen wie bisher» kommt es zu einem Minus bei der Wasserkraftproduktion bis 2050 von 2'280 GWh pro Jahr. Das entspricht rund sechs Prozent der heutigen Wasserkraftproduktion und in etwa dem jährlichen Stromverbrauch der Städte Bern, Chur, Luzern und St. Gallen zusammen. Bei allen anderen Szenarien ist der Rückgang der Wasserkraftproduktion im Vergleich zum Referenzjahr 1992 noch viel stärker (siehe Tabelle 1).

    Das fordert der SWV

    Die Energiestrategie 2050 hat allerdings nicht nur eine Kompensation der Einbussen zum Ziel, sondern die Steigerung der Wasserkraftproduktion in der Schweiz. Das heisst: Der effektive Zubau neuer Wasserkraftanlagen bis 2050 müsste bei mindestens 4’580 GWh pro Jahr liegen. Das ist, so der SWV, «angesichts der verbleibenden wirtschaftlichen Ausbaupotenziale und der schwierigen Rahmenbedingungen für die Wasserkraft völlig unrealistisch».

    Der SWV stehe hinter einer vernünftigen Umsetzung der Restwasserbestimmungen. Um das mit der Energiestrategie 2050 angestrebte Produktionsziel Wasserkraft zu erreichen, «dürfen die Mindestrestwassermengen aber nicht erhöht und müssen die ökologischen Anforderungen an die Wasserkraft massvoll ausgelegt werden. Dazu ist dem neu eingeführten «nationalen Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien» (Energiegesetz Art. 12) Nachdruck zu verschaffen und die Wasserkraft in der Abwägung mit Schutzinteressen stärker zu gewichten».

    Bundesrat ist gefordert

    Die Studie des Wasserwirtschaftsverbandes wird medial und politisch bereits rege diskutiert. «Im Wasserschloss Europas verschärft sich der Kampf ums Wasser» titelte unlängst das Onlinemagazin «Infosperber». Und die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt von einem zunehmenden «Druck auf die Restwassermengen».

    Klarheit in der Auslegung der beiden unterschiedlichen Gesetze soll nun der Bundesrat schaffen. SVP und SWV-Präsident Albert Rösti hat eine entsprechende Interpellation eingereicht. Er will vom Bundesrat wissen, inwieweit er bereit ist, mögliche Produktionsverluste mit einer massvollen Umsetzung des Gewässerschutzgesetzes zu minimieren. Die Antwort wird spannend!

    Stausee Gries, Teil der OFIMA
    Minus im Tessin

    Wie sich neue Restwasserbestimmungen auf die Leistung bestehender Kraftwerke auswirken, zeigt sich beispielhaft im Kanton Tessin. Dort hat die Regierung im August 2018 eine Verfügung zur Restwassersanierung gemäss Artikel 80 des Gewässerschutzgesetzes erlassen. Diese sieht vor, dass aufgrund der an den Flüssen Ticino, Maggia und Brenno vorkommenden Auenlandschaften und Landschaften von nationaler Bedeutung, Sanierungsmassnahmen im Umfang von geschätzten 100 Mio. Franken mit teilweise massiv mehr Restwasser durchgeführt werden müssen.

    Konkret resultiert daraus laut Berechnungen des Kantons Tessin eine Reduktion der Jahresproduktion bei den davon betroffenen Kraftwerken von sieben Prozent, sprich von 150 GWh pro Jahr. Der Grossteil der Minderproduktion entfällt dabei auf die Kraftwerke Maggia (OFIMA) und Blenio (OFIBLE), an denen Axpo mit 30 respektive 17 Prozent beteiligt ist. Für diesen Ausfall sollen die beiden Gesellschaften bis Ende der laufenden Konzession entschädigt werden. Ein genauer Mechanismus für die Berechnung dieser Zahlungen besteht derzeit aber noch nicht.

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