• 25.11.2019 | Tests zeigen: Mit Photovoltaik lässt sich in der Höhe im Winter viel Strom produzieren

    Solarstrom aus den Bergen

    Die Schweiz muss mittelfristig den wegfallenden Atomstrom ersetzen. Solaranlagen in den Bergen könnten dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Das zeigen Forschungsergebnisse aus der Schweiz. Das grosse Plus dabei: PV-Anlagen in den Bergen produzieren dann am meisten Strom, wenn er auch gebraucht wird, im Winter.

    Die vom Volk 2017 gutgeheissene Energiestrategie 2050 sieht die Förderung von erneuerbaren Energien und den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie in der Schweiz vor. Mittelfristig muss die Schweiz deshalb jährlich gegen 24 TWh Bandstrom ersetzen. Das entspricht rund einem Drittel des jährlichen Stromverbrauchs in der Schweiz. 

    Dabei soll auch die Solarenergie eine bedeutende Rolle spielen. Allerdings gibt es dabei ein Problem, denn Bedarf und Produktion sind bei der Nutzung von Solarstrom oft gegenläufig: Solaranlagen produzieren im Sommer den meisten Strom – also dann, wenn auch die Wasserkraftwerke bereits viel Strom liefern und die Schweiz insgesamt einen Stromüberschuss ausweist. Der Bedarf ist aber in Winter am höchsten – also in der Jahreszeit, wo die Schweiz zur Deckung der Stromlücke aus inländischer Produktion bereits Strom aus dem benachbarten Ausland importieren muss.

    Strom zur rechten Zeit

    Da es derzeit nicht ausreichend Kapazitäten für die Langzeitspeicherung von Strom gibt, erschwert dies eine starke Erhöhung des Solarstroms am Schweizer Energiemix. Deshalb, so plädieren Experten der ETH Lausanne, der ZHAW Wädenswil und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), sollte man auch die Alpen als Solarenergiequelle einsetzen.

    Solarstrom aus den Bergen steche «mit vier Trümpfen», sagt WSL-Forscherin Annalen Kahl: Erstens gebe es in den Bergen im Winter weniger Wolken und Nebel. Mehr Sonne bedeute also mehr Energie. Zweitens gebe es aufgrund der Schneebedeckung in den Alpen eine höhere Reflektion vom Boden, welche Solaranlagen nutzen könnten. Drittens können die Solaranlagen in einem steileren Winkel aufgestellt werden als im Flachland – und viertens ergebe sich durch die Höhenlage eine Extra-Kühlung für die Solarzellen, was eine bessere Nutzung ermögliche.

    «Wir müssen es schaffen, deutlich mehr Winterstrom aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen, fordert ZHAW-Forscher Jürg Rohrer in einem Interview mit dem «Baublatt». In den Bergen sei die Einstrahlungsintensität höher. Es gebe weniger Nebellagen und der Schnee reflektiere das Sonnenlicht. «Das sind ideale Voraussetzungen für Solaranlagen, die im Winter mehr Elektrizität liefern als Photvoltaikmodule auf einem Hausdach im Mittelland.»

    Positive Testresultate

    Erste Ergebnisse eines Feldversuchs auf der 2500 Meter hoch gelegenen Totalp oberhalb von Davos stimmen die Forschenden positiv (siehe Box unten). Bei den nahezu senkrecht aufgestellte PV-Modulen, verteilt sich der Stromertrag sehr gleichmässig übers ganze Jahr. Der Jahresertrag liegt aber im Vergleich mit einer optimal ausgerichteten Solaranlage im Mittelland rund 1,5 mal höher. Und in den Wintermonaten liefert eine alpine Solaranlage deutlich mehr Strom als eine im Mittelland. Zweiseitige Solarmodule erwirtschafteten in der Zeit vom 22. Oktober 2017 bis 22. Mai 2018 einen Energieertrag, der höher war, als der durchschnittliche Jahresertrag einer Solaranlage im Mittelland.

    Bestehende Strukturen nutzen

    Wieweit sich derartige Anlagen negativ auf die Umwelt auswirken, haben die Forschenden bislang nur am Rande untersucht. Sicher sei die Installation von Solaranlagen in bereits erschlossenen Gebieten vorzuziehehen, kommentiert Kahl. Weite Teile der Berggebiete seien heute ja bereits mit Strassen erschlossen und hätten auch einen Anschluss ans Elektrizitätsnetz.

    Dank flachem Sonnenstand und reflektierendem Schnee würde in den Bergen die Installation von Solamodulen an Hausfassaden Sinn machen, ergänzt Rohrer. Freiflächenanlagen dagegen wären wohl aus Umweltschutzgründen (Landschaftsschutz) umstritten, glaubt der ZHAW-Forscher. Er propagiert deshalb alternativ bestehende Anlagen auszunutzen und zu prüfen, ob sich Solarpaneele an Seilen oberhalb von Lawinenverbauungen montieren liessen. Eine Direktmontage an die Verbauungen, wie ebenfalls in der Diskussion, wäre dagegen laut Rohrer viel zu teuer.

    Versuchsanordung Totalp
    Test auf der Totalp

    Oberhalb von Davos steht östlich des Totalpsees auf 2500 Metern eine Testanlage der EKZ und der ZHAW Wädenswil. Die Anlage an einem Südhang besteht aus 20 Solarmodulen und ist exakt nach Süden ausgerichtet. Es gibt sechs Segmente mit unterschiedlichen Neigungswinkeln (30, 50, 70 und 90 Grad). Dabei werden nicht nur normale, einseitig mit Solarmodulen bestückte Anlageteile (monofaszial), sondern auch zweiseitige, sogenannte bifasziale Solarmodule eingesetzt, die auf der Vorder- und Rückseite Strom produzieren können. Die Versuchsanlage auf der Totalp soll jetzt für mehrere Jahre Messdaten liefern, damit die Forschenden aussagekräftige Ergebnisse bei unterschiedlichen Wetterlagen erhalten.

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