14.02.2023 | Monatliches Update europäische Energiemärkte, Februar 2023

Märkte kehren zu klassischen Preisankern zurück

Andy Sommer

Autor

An den europäischen Energiemärkten herrschte im Lauf des Januars weiterhin eine pessimistische Stimmung – angesichts des hartnäckigen Nachfrageeinbruchs bei weiterhin reichlich Brennstoffnachschub und soliden Kohle- und Gasbeständen. Einige Energiepreise stürzten auf Zehn-Monats-Tiefs. Das für die Jahreszeit ungewöhnlich warme Wetter der ersten Januarhälfte war einer der wichtigsten Treiber der Abschwächung und liess die Nachfrage nach thermischer Energieerzeugung geringer ausfallen. Zugleich gewährleistete ein Mehr-Jahres-Rekordbestand an Brennstoff Versorgungsflexibilität. Diese Faktoren waren entscheidend dafür, dass sich die Erholung während des folgenden, kurzzeitigen Kälteeinbruchs in Grenzen hielt und die Preissteigerungen sich als blosse Volatilitätsspitzen innerhalb des vorherrschenden Abwärtstrends erwiesen. 

Im Bereich Brennstoffe führte der Nachfrageeinbruch in der privaten, gewerblichen und industriellen Gasnutzung weiterhin zu einem Rückgang des Verbrauchs. Robuste LNG-Volumen und die starken Pipeline-Importe aus Norwegen führten dazu, dass die Bestände mit rund 87 % der Kapazität den bisher höchsten Stand für diese Jahreszeit erreichten. Das Vertrauen wuchs, dass Europa in der Lage ist, geringere Gaslieferungen aus Russland wettzumachen, sodass die Gaspreise näher an den «Fuel Switch»-Bereich rückten. Die Kohlemärkte folgten den Entwicklungen am Gasmarkt dichtauf. In Kombination mit grundlegenden Treibern wie dem robusten Angebot, den hohen Lagerbeständen in den ARA-Terminals und einer gedämpften Nachfrage Chinas wegen steigender Covid-Fallzahlen führte dies dazu, dass der Front-Quarter-Kontrakt etwa auf ein Niveau von Januar 2022 gedrückt wurde.

Ein ebenfalls wichtiger pessimistischer Faktor war die höhere Verfügbarkeit von Kernenergie in Frankreich, die nach der Wiederinbetriebnahme mehrerer Reaktoren deutlich zunahm. Dies trieb die Kernenergieproduktion auf ihr höchstes Niveau in diesem Winter – im scharfen Gegensatz zu den Vormonaten, in denen die Verfügbarkeit um 10 GW niedriger war als sonst und nicht ausreichte, um die sinkenden russischen Gaslieferungen auszugleichen. Zugleich wurde in Deutschland der Reaktor Emsland vor seiner endgültigen Abschaltung im April wieder in Betrieb genommen und machte zusammen mit dem slowakischen Reaktor Mochovce 3 die Abschaltung des belgischen Reaktors Tihange 2 Ende Januar wett. Mittlerweile erwägt die belgische Regierung, die Laufzeit von drei Nuklearreaktoren bis 2027 zu verlängern.

Obwohl der Baissemarkt den Januar hindurch wegen der genannten Gründe andauerte, ist die Energienachfrage der entscheidende Faktor, der die derzeitige Rückkehr zu traditionellen Preisankern umkehren oder zumindest bremsen könnte. Sollten die niedrigeren Grosshandelspreise eine Erholung der Nachfrage bewirken, insbesondere nach den in letzter Zeit besseren Prognosen für das Weltwirtschaftswachstum, läuft Europa Gefahr, dass es essenzielle LNG-Lieferungen auspreist und einen saftigen Aufschlag für das Auffüllen seiner Gasreserven zahlen muss. Dies würde noch verschärft, wenn damit eine lang anhaltende Kältewelle oder die endgültige Einstellung der russischen Gaslieferungen über die Ukraine einherginge. Inzwischen hat die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation zu Reformen des EU-Strommarktdesigns eingeleitet. Dies ist ein Versuch, die quer durch Europa eingeführten politischen Ad-hoc-Massnahmen zu harmonisieren, das Risiko für Investitionen in erneuerbare Energien zu verringern und Marktstabilität zu gewährleisten. Das Ergebnis dieses Prozesses könnte einen erheblichen Einfluss darauf haben, wie in Zukunft an den Strommärkten Handel betrieben werden kann. Es wird daher in den kommenden Monaten ein weiterer wichtiger Faktor für die Preisbildung sein.

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