26.07.2024 | Was stimmt und was nicht betreffend Kernenergie?
Die Debatte um die Kernenergie bleibt kontrovers. Während Befürworterinnen und Befürworter die Nukleartechnologie als klimafreundliche und verlässliche Energiequelle preisen, warnen kritische Stimmen vor potenziellen Risiken und unbeantworteten Fragen. Wieder andere möchten beim Ausbau der erneuerbaren Energie vorwärts machen und halten die Kernenergie für nicht zukunftsfähig. Doch was sagen die Fakten hinter den kontroversen Ansichten?
Fakt 1: Die schweizerischen Kernkraftwerke sind sicher.
Die Kernkraftwerke in der Schweiz gehören zu den sichersten Anlagen der Welt. Die Betreiber der Schweizer Kernkraftwerke haben stetig in die Sicherheit der Anlagen investiert. Axpo hat das Kernkraftwerk Beznau seit Inbetriebnahme für rund 2,5 Milliarden Franken stetig nach- und aufgerüstet. Die Sicherheit der Kernkraftwerke in der Schweiz wird von verschiedenen Institutionen wie dem Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI oder auch der International Atomic Energy Agency laufend überprüft.
Sicherheit hat für alle Kernkraftwerke oberste Priorität. Und das zahlt sich aus: Kernenergie gehört laut «Our World in Data» zu den sichersten Erzeugungstechnologien. Die Mortalitätsrate pro Tausend Terawattstunden liegt bei Nuklear bei 0.03; bei Wasserkraft bei 1,3 und bei Braunkohle sogar bei 32,72 (Statista oder Our World in Data)
Fakt 2: Die Kernkraftwerke leisten einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit der Schweiz.
Die Kernkraftwerke der Schweiz haben eine Gesamtproduktion von 23,3 TWh pro Jahr (BFE: Elektrizitätsstatistik 2023). Das macht einen Drittel des jährlichen Schweizer Stromverbrauchs aus. Im Winterhalbjahr sind die KKW besonders wichtig für die Versorgungssicherheit, denn sie liefern dann fast 50 Prozent des Stroms für die Schweiz.
Fakt 3: Ohne Kernkraftwerke wäre die Schweiz sehr stark vom Stromimport abhängig.
Würden die Kernkraftwerke heute bereits ausser Betrieb genommen, müsste die fehlende Einspeisung kompensiert werden. Zur Erinnerung: Es handelt sich um fast einen Drittel der schweizerischen Stromproduktion, im Winter sogar fast die Hälfte. Status Quo wäre der Ersatz der Kernenergie nur über Stromimporte zu bewerkstelligen. Ohne Stromabkommen mit der EU sind diese aber zunehmend infrage gestellt (vgl. ElCom: Versorgungssicherheit Schweiz 2025). Auch darum ist der rasche Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz unabdingbar.
Fakt 4: Der Langzeitbetrieb ist die wirtschaftlichste und rascheste Lösung, um die Versorgungssicherheit mittelfristig zu stärken.
Alle Kernkraftwerke in der Schweiz verfügen über eine unbefristete Betriebsbewilligung. Die aktuelle Investitions- und Personalplanung für die Anlagen Beznau und Leibstadt ist auf 60 Jahre Leistungsbetrieb ausgelegt. Ein Betrieb darüber hinaus ist grundsätzlich denkbar, bedingt aber, dass die Kraftwerke sicher und auch wirtschaftlich tragbar sind. Dabei werden hohe Investitionen notwendig, die nicht von einzelnen Unternehmen getragen werden können. Axpo prüft zurzeit, ob für das Kernkraftwerk Beznau ein Leistungsbetrieb über 60 Jahre hinaus grundsätzlich möglich ist und hat ein entsprechendes Projekt gestartet. Sicherheit steht dabei an oberster Stelle.
Fakt 5: Der Fachkräftemangel ist auch für die Kernenergiebranche eine Herausforderung.
Derzeit haben die Kernkraftwerke Zugang zu genügend qualifiziertem Personal und können offene Positionen besetzen. Der Fachkräftemangel wird für die Kernkraftwerke künftig jedoch zu einer Herausforderung – so wie für viele andere Branchen auch. Axpo trifft schon jetzt Massnahmen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Wir prüfen, wie beispielsweise die Schichtarbeit attraktiver gestaltet oder neue Arbeitsmodelle eingeführt werden können.
Im Weiteren läuft eine Rekrutierungskampagne für die Kernanlagen im unteren Aaretal (KKB, KKL und ZWILAG). Weiter bilden wir verstärkt Lernende aus. Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren die Arbeit in unseren Kernanlagen noch attraktiver zu machen und so auch künftig über ausreichend Fachkräfte zu verfügen.
Fakt 6: Kernkraftwerke liefern zuverlässig klimafreundlichen Strom.
In der Schweiz verursachen Kern-, Wasser- und Windkraft die geringsten Mengen an Treibhausgasen. Dies belegen Forschungsergebnisse des Paul-Scherrer-Instituts. Ein Kernkraftwerk produziert also klimafreundlich Strom, weil es kein CO2 ausstösst – im Gegensatz zu einem Kohlekraftwerk. Und es braucht sehr wenig Platz für die Menge Energie, die es produziert.
Fakt 7: Die Entsorgung von radioaktivem Abfall ist technisch gelöst.
International sind sich die Fachleute seit Langem einig: Die Lagerung der radioaktiven Abfälle in geeigneten Gesteinen tief unter dem Erdboden ist der sicherste Entsorgungsweg. Auch das schweizerische Kernenergiegesetz schreibt die geologische Tiefenlagerung vor. Es gewährleistet den dauerhaften Schutz von Mensch und Umwelt vor den radiologischen Gefahren, die von den radioaktiven Abfällen ausgehen. Der Bund hat die nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) beauftragt, ein Tiefenlager zu planen und zu realisieren. Die Nagra hat im September 2022 die Region nördlich Lägern als am besten geeignetsten Standort vorgeschlagen. Mehr Informationen zum Thema sind auf der Webseite der Nagra zu finden.
Fakt 8: Atomstrom aus bereits bestehenden Kernkraftwerken ist verhältnismässig günstig.
Die Gestehungskosten von Strom aus einem Schweizer Kernkraftwerk bewegen sich seit Jahren zwischen 4-6 Rappen pro Kilowattstunde (Quelle: swissnuclear). Sie beinhalten die Kosten für den Betrieb, Versicherungen, Zwischenlagerung und Entsorgung der Abfälle sowie Aufwendungen der Nagra, des ENSI sowie des BFE. Die tiefen Kosten kommen durch das fehlende Bau- und Technologierisiko zustande.
International betrachtet sind die Gestehungskosten von Kernenergie jedoch gestiegen. Das liegt daran, dass Kernkraftwerke nicht mehr serienmässig in grösserer Stückzahl erstellt wurden.
Fakt 9: Neue Kerntechnologien sind auf absehbare Zeit noch nicht marktreif.
International ist die Forschung weiterhin damit beschäftigt, neue Technologien zu entwickeln und zu erproben. Kernkraftwerke der Generation 4 befinden sich noch im Entwicklungsstadium und sind somit noch keine Lösung. Small Modular Reactors (SMR) auf Basis der heute im Einsatz stehenden Leichtwasserreaktoren kommen in Frage. Ihre Marktreife ist frühestens in 10 Jahren zu erwarten.
Fakt 10: Die Finanzierung neuer Kernkraftwerke wird in vielen Ländern staatlich unterstützt.
In Grossbritannien garantiert der Staat für das Neubauprojekt «Hinkley Point» in dem Betreiber vertraglich einen festen Strompreis. In Frankreich trägt EDF, die staatlich dominierte Elektrizitätsgesellschaft, die Kosten für Flamanville. In den USA erhielt der Betreiber staatliche Darlehensgarantien für das Neubauprojekt Vogtle-3 und -4.
Bei der finnischen Anlage Olkiluoto-3 kam eine alternative Projektfinanzierung zum Einsatz: Das Mankala-Modell – ein in Finnland gängiges Finanzierungsmodell für Energieproduktionsanlagen. Eine Gruppe von Investoren (meist lokale Energieunternehmen) gründen dabei eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und tragen die Kosten für den Bau und Betrieb der neuen Anlage gemeinsam. Im Gegenzug erhält jeder Investor Strom entsprechend seinem Anteil an der Gesellschaft. Beim KKW Olkiluoto sind aber auch energieintensive Unternehmen an der Gesellschaft beteiligt.