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15.05.2023 | EU Strommarkt: Reform in schwierigen Zeiten

Preise und Wahlen bestimmen die Debatte in der EU

Eberhard Röhm-Malcotti

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Am 14. März 2023 hatte die Europäische Kommission Ihre Vorschläge zur Überarbeitung des EU-Strombinnenmarktes und zur Verschärfung der Aufsichtsregeln des Energiegrosshandels (REMIT) veröffentlicht. Zwischenzeitlich läuft das Gesetzgebungsverfahren in den zwei gesetzgebenden Kammern der EU, dem Europäischen Parlament und dem Rat - der die EU-Mitgliedsstaaten versammelt. Der Ausgang des Verfahrens dürfte stark von der spanischen Innenpolitik und der Preisentwicklung in den kommenden Monaten abhängen.

Hohes Interesse der Abgeordneten des Europäischen Parlaments

Anfang April hat das Europäische Parlament die zuständigen Berichterstatter ernannt: Für die Reform des EU-Strombinnenmarktes ist der spanische Sozialdemokrat Nicolás González Casares zuständig. Zum Berichterstatter für die parallel laufende Reform der Regeln für den Energiehandel (REMIT) wurde die portugiesische Abgeordnete Maria da Graça Carvalho benannt; sie gehört zur Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP). Jedem der Berichterstatter sind jeweils sechs Schattenberichterstatter der anderen Fraktionen zur Seite gestellt. Die Reform des EU-Strombinnenmarktes scheint bei den Abgeordneten eine hohe Priorität einzunehmen: Bereits frühzeitig hatten sich Abgeordnete im Rahmen von Parlamentsdebatten und Diskussionsrunden für die Rolle als Berichterstatter empfohlen.

Im Schatten des iberischen Modells

Bereits die Auswahl der Berichterstatter gibt einen Hinweis darauf, dass die innenpolitische Debatte auf der iberischen Halbinsel das Gesetzgebungsverfahren in Brüssel massgeblich beeinflussen könnte. Im Frühjahr 2022 hatte die iberische Halbinsel für Aufsehen geregt, als Spanien und Portugal – unter sozialdemokratischen bzw. sozialistischen Regierungen – Subventionen für die Erdgasverstromung einführten: Mit dieser Massnahme sollten die Endverbraucher entlastet werden. Besonders kritisch war dabei die Situation in Spanien, da hier viele zahlungsschwache Haushaltskunden auf den Spotmarkt indexierten Tarifen ausgesetzt waren. Die Massnahme – das sogenannte iberische Modell - wurde zwischenzeitlich von der Europäischen Kommission genehmigt und bis Ende 2023 verlängert. Für die Zeit danach hat die spanische Regierung ihren Wählern eine grundsätzliche Reform des Strommarktes und insbesondere versprochen, die Übergewinne der Betreiber von Kern- und Wasserkraft abzuschöpfen. Im Hinblick auf die nationalen Wahlen Ende 2023 steht die spanische Regierung entsprechend unter Druck: Dass der Berichterstatter Nicolás González Casares zur gleichen Partei gehört wie die spanische Energieministerin Teresa Ribera und dass Spanien ab 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, eröffnet die Möglichkeit, über den Umweg der EU den spanischen Strommarkt zu reformieren.

Anhörung im Energie-Ausschuss

Im Rahmen einer Anhörung im zuständigen Energie-Ausschuss des Europäischen Parlaments am 24. April 2023 zeichnet sich jedoch eine zurückhalten Herangehensweise der meisten Abgeordneten ab, die eher der Linie der Vorschläge der Europäischen Kommission entspricht. Zwar gab es grundsätzliche Kritik am derzeitigen Strommarktdesign und insbesondere einzelne Vorwürfe, erst der Handel mit Strom habe zu hohen Preisen für Verbraucher geführt. Insgesamt scheint aber die Erkenntnis zu überwiegen, dass der EU-Strombinnenmarkt eine Erfolgsgeschichte ist; insbesondere Abgeordnete der Grünen-Fraktion scheinen zu befürchten, dass staatliche Eingriffe Grosstechnologien und insbesondere der Kernkraft zugutekommen könnten.

Was wollen die anderen EU-Mitgliedsstaaten?

Auf Seiten des Rates wird wie bereits erwähnt Spanien, aber auch Polen eine Rolle spielen: Auch dort stehen im Herbst Wahlen an, und die polnische Regierung hat bereits robust und ohne Rücksicht auf Verluste in den Markt eingegriffen, um die Strompreise zu drücken. Für Frankreich geht es einmal mehr darum, den Erhalt und den Ausbau der Kernkraft zu finanzieren; die derzeit im Kommissionvorschlag gewählte Formulierung betreffend Contracts for Difference (CfDs) würde beides ermöglichen. Mit grosser Aufmerksamkeit werden die Vorschläge des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck zu einem subventionierten Industriestrompreis verfolgt: An sich gehört Deutschland zu den Ländern, die das derzeitige Marktdesign unterstützen und Markteingriffe ablehnen. Ein Industriestrompreis hätte aber nur dann eine Chance auf eine Genehmigung durch die Wettbewerbsdirektion der Europäischen Kommission gemäss den Vorgaben zu staatlichen Beihilfen, wenn er Teil einer EU-weiten Lösung ist. Die sich daraus ergebende Subventionsschlacht wäre aber vermutlich das Ende des EU-Strombinnenmarktes, basierend auf Grenzkostenpreisen und paneuropäisch grenzübergreifendem Stromhandel.

Eilige Einigung – bevor die Preise wieder steigen?

Die derzeitige schwedische Ratspräsidentschaft strebt eine Einigung innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten («Allgemeine Ausrichtung») bis Ende Juni an, z. B. anlässlich der Sitzung der EU-Energieminister am 19. Juni 2023. Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments will bereits am 12. Mai 2023 seinen Berichtsentwurf vorlegen; hierzu könnten die anderen Abgeordneten bis 23. Mai 2023 Änderungsanträge abgeben. Die Abstimmungen über Bericht und Änderungsanträge könnten am 19. Juli 2023 stattfinden (für die Reform der REMIT am 7. September 2023). Eine Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments könnte am 11. September 2023 folgen. Auf dieser Grundlage könnten dann ab September Kompromissverhandlungen starten, die sogenannten Triloge. Die Eile ist nachvollziehbar, da einerseits unklar ist, wie sich die Strompreise und vor allem die Gaspreise entwickeln werden; andererseits führen die Neuwahlen des Europäischen Parlaments im Frühjahr 2024 dazu, dass EU-Gesetzgebungsverfahren ab Jahresende zum Erliegen kommen. 

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