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28.05.2024 | Axpo-Windchef über das Stromgesetz, die Windkraft und deren Gegner

Die 5 grössten Irrtümer der Windkraftgegner zum Stromgesetz

Im Rahmen der Abstimmung vom 9. Juni über das Stromgesetz (sog. Mantelerlass) sorgt insbesondere die Windkraft für erhitzte Gemüter. Eine Einschätzung von Cédric Aubert, Head Wind Development Switzerland über die fünf grössten Irrtümer der Windkraftgegner und die Auswirkung des Stromgesetzes. Klar ist, die Grundlagen für Windkraft wurden bereits 2017 mit der Energiestrategie gelegt – der Fokus des Stromgesetzes liegt woanders. 

In wenigen Wochen stimmt die Schweiz über das Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (kurz Stromgesetz) ab. Das Parlament hatte die Vorlage in der Schlussabstimmung mit überwältigender Mehrheit angenommen. Einige kleinere Gruppierungen aus dem Landschafts- und Umweltschutzbereich ergriffen das Referendum, unterstützt werden sie von der nationalen SVP.

Insbesondere die Windkraft steht im Fokus der Gegner, obwohl sie nur einen kleinen Teil der Vorlage ausmacht. Schauen wir uns die fünf grössten Irrtümer an:

Flop 1: Die Schweiz ist kein Windland 

Heute kann man mit den neuesten Windturbinen deutlich mehr Windstrom produzieren, nämlich etwa das Zehnfache pro Windturbine, als noch vor 25 Jahren. Moderne Windenergieanlagen können bei einer Windgeschwindigkeit von 5 m/s effizient Strom erzeugen, während früher mindestens 7 m/s erforderlich waren. Deshalb lohnt es sich auch in der Schweiz, Windparks zu betreiben. Die folgende Karte verdeutlicht: Die Schweiz ist ein Windland! 

Quelle: Schlussbericht zum Windpotenzial Schweiz (BFE, 24.08.2022)

 

Flop 2: Die ganze Schweiz wird mit 9‘000 Windrädern «zugepflastert» 

Es braucht keine 9'000 Windturbinen in der Schweiz. Erstens wäre dies gesellschaftlich nicht akzeptiert, und zweitens würde diese Anzahl Windturbinen die Strommenge von 7-8 Kernkraftwerken wie Leibstadt erzeugen. Auf diese Zahl kommt man, wenn der Zubau von Erneuerbaren nur mit Wind getätigt werden sollte. Davon spricht aber niemand. Im Referenzmodell auf dem Stromrechner PowerSwitcher gehen wir von etwa 6 TWh Winterstrom aus bis 2050. Energieminister Albert Rösti rechnet mit 1 – 2 TWh zusätzlicher Windenergie bis 2035 und schätzt, dass dafür etwa 200 Windanlagen gebaut werden müssten. Trotzdem wären es weniger als beispielsweise Österreich heute schon hat (ca. 1'400).

 

Flop 3: Windkraftwerke verursachen enorme Schäden an der Natur und Landschaft: Es brauche Rodungen, Betonverankerungen und Zufahrtsstrassen 

Ein gewisser Eingriff in die Natur ist unvermeidlich. Mit dem Stromgesetz soll der Zubau jedoch dort stattfinden, wo bereits belastetes Gebiet vorhanden ist. Zudem müssen die Kantone bereits jetzt, ohne Stromgesetz, für die Windkraft geeignete Gebiete definieren. Dies aber unter Einbezug von Naturschutzinteressen. In Wäldern kommen etwa nur Gebiete mit bestehender Strasseninfrastruktur in Frage. 

Auf diesem schmalen, unbetonierten Weg wurde die mehrere Tonnen schwere Windturbine vom Windpark Verenafohren transportiert

Zudem gilt laut Stromgesetz: Die schützenswertesten Landschaften sind die Biotope von nationaler Bedeutung. In diesen Gebieten sind Kraftwerke generell verboten. Wenige Ausnahmen unter strengen Bedingungen gelten für die Wasserkraft, jedoch nicht für Wind- oder Solarparks.

Eine Untersuchung im Windpark Verenafohren in Deutschland nahe der Grenze zu Schaffhausen hat gezeigt, dass die durch die Rodung entstandene Lichtungen die Biodiversität erhöht hat – Lichtungen sind «artenreiche Waldsaumgesellschaften.»

Interessant: Beim Bau der Anlage wurden alle Ameisenhaufen sorgfältig mit einer Schubkarre abtransportiert und nach der Fertigstellung wieder zurückverlegt.

 

Flop 4: Windturbinen können ohne weiteres durch Photovoltaik auf Gebäuden und Infrastrukturen ersetzt, resp. verhindert werden

Die Erweiterung von Photovoltaikanlagen auf bestehender Infrastruktur und Dächern ist wichtig und sinnvoll, reicht jedoch allein nicht aus, um auch im Winter die Stromversorgung sicherzustellen. An sonnenlosen Tagen mit starkem Wind und in Nächten ohne Sonne, aber mit Wind, kann die Photovoltaik offensichtlich nicht rund um die Uhr Strom liefern. Hier bietet die Windkraft eine ideale Ergänzung zur Photovoltaik, da sie gerade in den Wintermonaten, in denen zwei Drittel ihrer Produktion anfallen, eine perfekte Komplementarität zur Photovoltaik darstellt. Es geht nicht darum, das eine gegen das andere auszuspielen, sondern vielmehr darum, Technologien miteinander zu kombinieren.

BFE, Windenergie
 

Flop 5: Windkraft sei ein Vogeltöter

Heute erkennen Radars einen grossen Vogelzug im Anflug und stoppen die Anlagen. Vögel sind kein Problem mehr. Bei den Fledermäusen gibt es heikle Zeiten, nämlich in der Dämmerung mit vielen Mücken. Aber auch dann werden die Rotoren gestoppt. Das ist zudem meist im Juli und August, wenn Windenergie ohnehin eine untergeordnete Rolle spielt. Zum Verhältnis: Gemäss den Schätzungen des Bundesamtes für Energie werden in der Schweiz jährlich 36 Millionen Vögel aufgrund menschlicher Aktivität getötet: rund 30 Millionen sterben durch Hauskatzen, 5 Millionen kollidieren an Glasfassaden und 1 Million erwischt es im Verkehr. Mit den heutigen Instrumenten kann man die Sterblichkeit durch Kollisionen mit Windturbinen stark reduzieren. 

 

Windenergie steht nicht im Zentrum des Stromgesetzes

Im Jahr 2017 wurden mit der Energiestrategie 2050 die grundlegenden Weichen für Windkraft gestellt. Mit dem neuen Stromgesetz kommen für die Windkraft einige Anpassungen, doch der Schwerpunkt der Vorlage liegt auf anderen Bereichen der Energiepolitik

Bereits jetzt ist es möglich, Windenergieanlagen zu errichten; die Kantone müssen dafür geeignete Gebiete für die Produktion erneuerbarer Energien im Richtplan ausweisen. Diese Gebiete werden jedoch nur nach einer umfassenden Interessenabwägung und einer breiten Beteiligung der Öffentlichkeit festgelegt. Dies gewährleistet eine stufenweise und koordinierte Planung.

Mit dem neuen Stromgesetz würde die Genehmigung von Windanlagen und deren Erschliessungswegen erleichtert, allerdings nur, wenn sie von nationalem Interesse sind.

Die Abstimmung am 9. Juni ist ein wichtiger Schritt für die Energiewende, den Schutz der Natur und der Umwelt, die Energieeffizienz, den heimischen Strom, Winterstrom und für den Weg zur CO2-freien Stromproduktion.

Es geht auch um unsere Glaubwürdigkeit als innovatives und verantwortungsbewusstes Land, das für seine Zukunft sorgt. 

Autor: Cédric Aubert

Cédric Aubert ist Head Wind Development Switzerland bei Axpo und konzentriert sich auf die Entwicklung von Windparks in der Schweiz. Sein Weg im Energiesektor begann während seines Physikstudiums an der EPFL: von der Fusion, über Nuklearsicherheit und Energiewirtschaft zu den Erneuerbaren. Bei ewz trug er als Leiter des Geschäftsbereichs Energiewirtschaft massgeblich zum Ausbau des Windportfolios bei. Zuvor war er von 2007 bis 2012 bei Axpo als Head of Market and Credit Risk Management tätig.

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