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24.01.2025 | Erneuerbarer Strom für rund 10'000 Haushalte

Wasserkraftwerk Pradapunt – Neubauprojekt schützt Fauna und Flora

Ein Konsortium mit den drei Partnern Axpo, Arosa Energie und IBC Energie Wasser Chur zeigt mit dem Neubauprojekt Pradapunt, wie Umweltmassnahmen und Stromproduktion Hand in Hand gehen können. Das künftige Wasserkraftwerk saniert den Schwall des oberhalb gelegenen Kraftwerks Litzirüti und schützt dadurch die Auenlandschaften im Flusslauf der Plessur. Unterirdisch geführt, wird das Wasserkraftwerk ab voraussichtlich 2031 unsichtbar CO2-freien Strom für rund 10’000 Vierpersonenhaushalte produzieren.

Der Legende nach winden sich 365 Kurven von Chur nach Arosa. In Wahrheit sind es immerhin 240, die durch das sperrige Schanfigger Tal zum bekannten Skiort führen. Ermittelt hat diese stattliche Zahl das lokale Tourismusbüro und sich mittels Kurvenpatenschaften eine interessante Einnahmequelle eröffnet. Wenige Meter abseits von Kurve 202 produziert Arosa Energie in einem unscheinbaren Gebäude Strom. Mehrheitlich zu Spitzenzeiten. Das heisst, das Kraftwerk Litzirüti nutzt das Wasser des Stausees Isel dann, wenn Menschen abends fernsehen, morgens die Kaffeemaschine anwerfen und Spiegeleier braten. 

In rot der Stollen für das geplante Kraftwerk Pradapunt.
Sanierung von Schwall und Sunk neu gedacht

Setzt das Kraftwerk seine Maschinen in Gang, schwillt die Plessur unterhalb des Kraftwerks stark an und sinkt genauso unvermittelt wieder ab, wenn kein Strom mehr produziert wird. Dieser sogenannte Schwall und Sunk ist ein bekanntes Phänomen rund um Speicherwasserkraftwerke und kann negative Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt haben.

Schwall und Sunk wirkungsvoll und mit verhältnismässigen finanziellen Mitteln zu sanieren, stellt bei vielen Wasserkraftwerken eine Herausforderung dar. Kommt hinzu: Das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer verpflichtet die Inhaber von Wasserkraftwerken, Beeinträchtigungen von Schwall und Sunk bis 2030 mit geeigneten Massnahmen zu beseitigen. Eine Variante ist es, das unmittelbar anschwellende Wasser in ein Ausgleichsbecken auszuleiten und dosiert an den Fluss abzugeben. Bei einigen Wasserkraftwerken ist jedoch kein Platz für ein Becken vorhanden. «Für die Schwall- und Sunk-Sanierung des Kraftwerks Litzirüti haben wir einen anderen Weg gewählt», sagt Gesamtprojektleiter Peter Oberholzer und blickt von Kurve 202 auf die Plessur.  

«Künftig leiten wir das unregelmässige Schwallwasser nicht mehr zurück in die Plessur, sondern von hier aus direkt in einen unterirdischen Stollen und nutzen es auf der Höhe von Pradapunt zur Stromproduktion.» Peter Oberholzer betont: «Das ist nahe am «Füüfer und Weggli». Mit dieser Lösung halten wir den Abfluss unterhalb des Kraftwerks Litzirüti konstant und versorgen gleichzeitig 10'000 Vierpersonenhaushalte mit Strom.» Die installierte Leistung des neuen Kraftwerks beträgt 10 Megawatt (MW), was einem mittelgrossen Laufwasserkraftwerk ähnlich dem Kraftwerk Rüchlig in Aarau entspricht

Das Kraftwerk Pradapunt unterliegt – wie alle grösseren Wasserkraftanlagen – der Pflicht einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Die unter der Leitung von Axpo durchgeführten Untersuchungen belegen nicht nur die Umweltverträglichkeit des Projekts, sondern zeigen auch auf, dass durch die spezielle Auslegung des neuen Kraftwerks als reines Schwall-Ausleitkraftwerk die negativen Einflüsse im Abschnitt zwischen Litzirüti und Pradapunt vollständig eliminiert werden können. Die Plessur kann somit in diesem Abschnitt ökologisch deutlich aufgewertet werden, um längerfristig eine standortgerechte und selbsterhaltende Lebensgemeinschaft zu etablieren.

«Durch die Anwendung einer Schutz- und Nutzungsplanung werden wir zudem den Flussabschnitt zwischen Litzirüti und Pradapunt mit den Auen von regionaler und nationaler Bedeutung zusätzlich unter Schutz stellen», erklärt der Gesamtprojektleiter. «Das heisst, dass wir damit eine weitere Nutzung des Wassers zur Stromproduktion in diesem Gewässerabschnitt ausschliessen. Die übrigen Zuflüsse verbleiben auch in Zukunft ungeschmälert im Fluss und können nicht durch das Kraftwerk Pradapunt oder Dritte gefasst werden.» Auf den Bau einer neuen Wasserentnahme in Litzirüti und somit die Nutzung des vorhandenen Potenzials von rund 7 GWh Strom verzichtet das Konsortium.  

15 Meter Vortrieb pro Tag

Peter Oberholzer überquert derweil die Hauptstrasse und zeigt auf ein an die Kurve 203 grenzendes Wiesenstück, wo 2028 der Installationsplatz für die unterirdische Baustelle entsteht. «Sehenswert wird sein, wenn Spezialisten hier die mächtige Tunnelbohrmaschine bereitmachen, die wir in Einzelteilen durch das Tal hoch transportieren.»

Der Koloss mit 3,7 Meter Durchmesser wird sich mit rund 15 Metern Vortrieb pro Tag durch den Berg Richtung Pradapunt fräsen. Der Projektleiter rechnet mit rund einem Jahr für den Stollenbau. Das ausgebrochene Material wird auf der Wiese beim Installationsplatz ein neues Zuhause finden. «Das Gelände wird um ein paar Meter angehoben, mehr nicht.»

Zweite Konzessionserteilung

Bereits 2008 hatte Axpo gemeinsam mit Vertretern von Arosa Energie und IBC Energie Wasser Chur die Planung aufgenommen, um die letzte Lücke in der Kraftwerkskaskade an der Plessur zu schliessen. Peter Oberholzer: «Die Konzessionserteilung der Gemeinde Arosa fiel 2016 jedoch in eine Zeit mit tiefem Strompreis, was einen Neubau unwirtschaftlich machte.» Das Projekt wurde sistiert.

Der Strompreis und damit auch die Haltung der Schweizer Bevölkerung gegenüber einheimischer Stromproduktion änderten sich erst 2022 durch den Krieg in der Ukraine und durch fehlendes Gas aus Russland, was in Westeuropa Strom zur Mangelware machte. 

Wegen der Systemrelevanz der Schweizer Wasserkraft und zur Sicherstellung der Schweizer Stromversorgung wurden seither verschiedene Wasserkraftprojekte wieder an die Hand genommen, darunter auch das Neubauprojekt Pradapunt. «Einzelne Punkte aus den bestehenden Plänen konnten wir übernehmen, vieles haben wir aber komplett neu erstellt», erklärt der ETH-Bauingenieur.

Unterirdisch – unsichtbar – umweltverträglich

Ab 2031 soll das Schwallwasser des Kraftwerks Litzirüti seinen ganz eigenen unterirdischen, unsichtbaren Weg nach Pradapunt nehmen. Von der Zentrale Litzirüti fliesst es in einen parallel zur Plessur geführten Stollen und wird nach rund 360 Metern beim Portal Sand in einen 4,5 Kilometer langen Druckstollen geleitet. Über eine Druckleitung vom Wasserschloss aus treibt das Wasser schliesslich eine 10 Megawatt starke Peltonturbine in Pradapunt an.

Rund 42 Gigawattstunden Strom können durch das neue Kraftwerk pro Jahr ins Stromnetz gespeist werden. Dies entspricht dem Bedarf der Stadt Chur mit ihren 40'000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Von der Stromproduktion werden die Anrainer jedoch nichts spüren. Bis auf das Zentralengebäude in Pradapunt befinden sich die Anlagen grösstenteils unter der Erde.

Getragen vom Projektkonsortium und durch Fördermittel des Bundes unterstützt, gelten die veranschlagten Kosten von rund 81 Millionen Franken als umweltverträgliche Investition in die Zukunft. «Ich bin stolz auf dieses Konzessionsprojekt», sagt Peter Oberholzer. «Die konsequente Auslegung des neuen Kraftwerks zur Schwall-Ausleitung führt zu einer Win-Win-Lösung für die Umwelt, die Kraftwerksbetreiber und die Bevölkerung, die von sicherem und sauberem Strom profitiert.»

Die Konzession für das Kraftwerk Pradapunt soll ab der geplanten Inbetriebnahme im Jahr 2031 für 80 Jahre laufen. An der Urnenabstimmung vom Sonntag, 9. Februar 2025, entscheidet die Gemeinde Arosa über die Konzessionserteilung. Das zweistufige Genehmigungsverfahren mit Konzessionsgenehmigung und Baugesuchsverfahren wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen, so dass die Konsortialpartner frühestens 2027 einen Investitions- und Bauentscheid fällen könnten. 

Facts und Figures:

Voraussichtliche Bauzeit: 2028-2031

Künftige Energieproduktion: 42 Mio. kWh / Jahr (Mittelwert)

Installierte Leistung: 10 MW

Generator: 1 Synchrongenerator (11,5 MVA)

Turbine: 1 vertikal-achsige Pelton Turbine (10 MW)

Länge erdverlegte Leitung KW Litzirüti bis zum Stollenportal: 364m

Länge unterirdischer Stollen bis Wasserschloss Portal Calmiez: 4470m

Länge erdverlegte Druckleitung vom Wasserschloss bis zur Zentrale Pradapunt: 1896m

Schwall und Sunk

Wasserkraftwerke, die von einem Stausee gespeist werden, haben einen grossen Vorteil. Sie können punktgenau dann Strom produzieren, wenn der Bedarf gross ist. Wird Wasser aus dem Stausee zum Antreiben der Turbinen verwendet, erhöht sich der Abfluss unterhalb des Kraftwerks jedoch schwallartig. Ist die Stromproduktion zu Ende, endet der zusätzliche Abfluss ebenso abrupt. Diese Abflussschwankungen heissen Schwall und Sunk und können negative Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen haben. Ziel von baulichen Sanierungsmassnahmen ist es, die Rückgabe des turbinierten Wassers in das Fliessgewässer zu regulieren.   

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