30.08.2016 | Wassertaufe für die neue Staumauer auf der Muttenalp

Die Mauer hält, was sie verspricht!

Vor gut zwei Jahren wurde der letzte Betonblock bei der Staumauer auf der Muttenalp gesetzt. Eine Präzisionsarbeit auf 2474 Meter über Meer, funktional und ästhetisch eingebettet in den Glarner Alpen. Während der letzten 60 Tage wurde im Rahmen eines aufwändigen und vorgeschriebenen Einstauprozesses geprüft, ob die Mauer auch hält, was sie verspricht, wenn sie komplett mit Wasser gefüllt ist. Und sie tut es!

Die Messergebnisse des Stauprogramms entsprechen in allen Punkten den Erwartungen. Den 250 000 m3 Beton – so viel wurde nämlich zum Bau der Rekord-Staumauer benötigt – steht die riesige Wassermenge von 23 Millionen m3 Wasser gegenüber, welches die Schwergewichtsstaumauer auf der Muttenalp maximal fassen kann. Bastian Otto, Leiter Talsperren bei Axpo, war quasi von der Geburtsstunde an mit dabei und hat die Planung, Realisation und jetzt die Feuer-, d.h. in diesem Fall „Wassertaufe“ der Mauer, eng begleitet. Wir wollten von ihm wissen, wie ein solcher Erstaufstau abläuft - und ob er während dieser Zeit schlaflose Nächte hatte.

Bastian Otto, wie genau läuft das mehrstufige Einstauprogramm ab?

Nachdem die Staumauer während 6 Monaten erst in trockenem Zustand beobachtet wurde, haben wir von Juli bis Ende August unter enger Begleitung des Bundesamtes für Energie (BFE) den Muttsee zum ersten Mal stufenweise mit Wasser gefüllt bis zur maximalen Stauhöhe von 2474 m ü.M.. Das Wasser wurde aus dem 600 Meter tiefer gelegenen Limmernsee hochgepumpt. Danach wurde der See wieder teilweise abgesenkt, bevor er dann ein zweites Mal ganz gefüllt wurde. Zurzeit ist der Stausee zum zweiten Mal voll aufgestaut und wird ab dem 9. September, nach der Staumauersegnung, wieder komplett entleert. Während des ganzen Stauprogramms wurde anhand diverser Messungen und Kontrollen laufend geprüft, wie sich die Mauer unter der Last des Wassers verhält. Die Ergebnisse wurden kontinuierlich analysiert und zuhanden des BFE dokumentiert.

Was wurde dabei gemessen?

Für die Sicherheit sind vor allem zwei Faktoren relevant: Gemessen werden zum einen die Bewegungen der Staumauer und zum anderen der Druck des Untergrundes auf die Mauer. Auch Beton verformt sich unter konstanter Belastung durch Wasser, Temperaturschwankungen und Einwirken der Geologie leicht. Verschiebungen im Millimeterbereich sind üblich. Wir dürfen nicht vergessen, wir sind hier auf über 2000 Meter Höhe in einer rauen Berglandschaft. Wir arbeiten mit der Natur und nicht nur mit menschgemachten Materialien.

Die Natur lebt! Inwiefern bereitete dieser Unsicherheitsfaktor Ihnen beim Einstau Bauchweh?

Bauchweh sicher nicht, denn wir tragen diesem Aspekt ja von Beginn an Rechnung. Die Natur muss mit der Technik in Einklang gebracht und ihr Einwirken vor Baubeginn anhand von Modellen und vorliegenden Erfahrungswerten exakt berechnet werden. Axpo hat dazu im Vorfeld die Geologie vor Ort umfangreich erkundet. Der Aufwand hat sich gelohnt! Die Messergebnisse während des Auf- und Abstaus entsprechen in allen Punkten den Berechnungen. Der abgedichtete Untergrund ist stabil und der Auftriebskraft auf die Mauer dank den eingebauten Drainagen sogar geringer als erwartet. Nachbesserungen an der Mauer sind keine notwendig. Die Mauer hält der enormen Wasserlast stand. Die Bewegungen der Mauer sind nur durch sehr genaue Messungen erkennbar. Sie belaufen sich bei der neuen Mauerkrone auf maximal 3-4 mm bei vollaufgestautem See. Das BFE hat die Sicherheit der Staumauer bestätigt.

Bastian Otto
Zum ersten Mal seit 26 Jahren wurde in der Schweiz nun wieder eine neu errichtete Staumauer eingestaut. Ist das Prozedere noch dasselbe wie damals oder was hat sich geändert? 

Der Prozess ist im Prinzip derselbe wie damals. Bei der vor 26 Jahren errichteten Gewichtsstaumauer Panix endete das Programm jedoch mit dem ersten Vollaufstau, mit dem der Sicherheitsnachweis grundsätzlich erbracht ist. Beim PSW Limmern, dem ersten grossen Pumpspeicherwerk in der Schweiz, wird zum ersten Mal zusätzlich der gesamte Nachzyklus mit der Teilentleerung, dem erneutem Vollaufstau und der anschliessenden kompletten Entleerung des Muttsees dokumentiert. Der gesamte Prüfzyklus bis zur kompletten Entleerung dauert insgesamt rund 85 Tage.

Was sind nun die nächsten Schritte bis zur definitiven Inbetriebnahme?

Der Muttsee befindet sich zurzeit zum zweiten Mal in vollaufgestautem Zustand. Nach der offiziellen Segnung der Staumauer am 9. September wird der See bis Mitte September nochmals komplett entleert und der finale Bericht dem BFE eingereicht, welches im Anschluss die Freigabe für den Betrieb erteilt.
Bei leerem See wird der zweite Druckschacht in das Triebwassersystem eingebunden und beim erneuten Aufstau des Sees zum ersten Mal mit Wasser gefüllt. Dies ist Voraussetzung für die Inbetriebnahme der Maschinengruppen 3 und 4. Die Maschinengruppen 1 und 2 sind bereits in Betrieb und erfolgreich mit dem Netz synchronisiert. 

Sie haben den Bau 11 Jahre lang eng begleitet. Was ist für Sie persönlich rückblickend das grösste Highlight?

Es gibt zwei Momente, die mir besonders in Erinnerung bleiben werden. Zum einen der Moment, als der letzte Kübel Beton gesetzt und die Mauer als Ganzes geschlossen wurde. Die Freude und den Stolz zusammen mit allen Kolleginnen und Kollegen nach 3-jähriger intensiver Bauzeit mitzuerleben, war sehr emotional. Und natürlich jetzt der erste Vollaufstau den ich zusammen mit meinem Kollegen, dem Axpo Geologen Rico Senti, erleben durfte. Wir zwei waren damals 2005 als erste auf der Muttenalp, als die ersten Bohrungen gemacht wurden. Nach intensiven 11 Jahren Arbeit auf der Muttenalp als erste nun auch diesen wörtlich erfüllenden Moment des Aufstaus in aller Stille auf 2500 m.ü.M. zu erleben, war einmalig!

Der Muttsee aus der Vogelperspektive

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