17.04.2023 | Das Kriterium der Standortgebundenheit bremst den Ausbau

Solarstrom ohne (Denk)Verbote

Photovoltaikanlagen sind ein zentraler Bestandteil des zukünftigen Strommixes der Schweiz. Grosse Freiflächenanlagen sind aber weiterhin mit regulatorischen Hürden konfrontiert, insbesondere jene der Standortgebundenheit. Bei der Ausgestaltung der zukünftigen Rahmenbedingungen gilt zu verhindern, dass der Zubau erneuerbarer Energien durch generelle Verbote verlangsamt wird.

Es gibt verschiedene Zukunftsszenarien für den Schweizer Strommix, doch sie alle haben etwas gemeinsam: Sie schreiben der Photovoltaik (PV) eine entscheidende Rolle zu (vgl. Axpo Power Switcher). Auch das Parlament scheint sich einig zu sein, dass die erneuerbaren Energien ohne Wasserkraft von etwa 6 TWh heute auf 35 TWh bis 2035 ausgebaut werden sollen, wobei davon der Photovoltaik das mit Abstand grösste Ausbaupotential zugesprochen wird.

Betrachtet man den aktuellen Zubau, zeigt sich, dass insbesondere kleine PV-Anlagen auf Dächern realisiert werden. Der Grund dafür ist allerdings nicht etwa, dass diese günstiger wären; im Gegenteil, eine kleine Anlage ist aufgrund fehlender Skaleneffekte pro Kilowatt-Leistung um einen Faktor 2 bis 2.5 teurer als eine grosse Anlage. Ein Hauptgrund ist vielmehr, dass Anlagen auf Dächern ohne grosse Hürden realisiert werden können, während beispielsweise grosse PV-Freiflächenanlagen oft gar nicht erst bewilligungsfähig sind.

 

Hürde Standortgebundenheit

Doch weshalb sind grosse PV-Freiflächenanlagen heute meist nicht bewilligungsfähig? Der Grund dafür liegt darin, dass diese aufgrund des Platzbedarfs grösstenteils ausserhalb der Bauzone zu liegen kommen. Damit sie trotzdem gebaut werden können, bräuchte es eine Ausnahmebewilligung, die nach Raumplanungsgesetz zum einen eine erfolgreiche Interessensabwägung und zum anderen «Standortgebundenheit» voraussetzt. Während aus Sicht der Versorgungssicherheit jede Anlage zählt, ist es im Einzelfall schwierig nachzuweisen, warum eine einzelne PV-Anlage nicht auch an einem anderen Ort realisiert werden könnte und sie damit «standortgebunden» ist. Die Sonne scheint schliesslich überall. Folglich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Standortgebundenheit bei der Bewilligungsbehörde oder bei einer Einsprache vor Gericht verneint und die Anlage verhindert wird. Dies selbst dann, wenn die eigentliche Interessensabwägung zwischen Energiegewinnung und Umweltschutz zugunsten der Anlage ausfallen würde.

 

Politik stösst Verbesserungen an

Mit der Anpassung der Raumplanungsverordnung auf 1. Juli 2022 wurden erste Impulse gesetzt, indem PV-Anlagen ausserhalb der Bauzone auf bestehenden Infrastrukturen, auf Stauseen und bei landwirtschaftlichem Mehrehrtrag als standortgebunden definiert wurden.  Auch das Parlament hat das Problem erkannt und mit einem im Herbst 2022 verabschiedeten dringlichen Bundesgesetz die Grundlagen zur Bewilligung alpiner PV-Freiflächenanlagen geschaffen. Ein wichtiger Aspekt der Bestimmungen war neben der Förderung und dem grundsätzlich übergeordneten Interesse, dass alle unter das Gesetz fallenden PV-Freiflächenanlagen auch als standortgebunden gelten. Das dringliche Gesetz ist allerdings bis Ende 2025 befristet, wodurch es für weitere und allenfalls verzögerte Projekte dringend eine Nachfolgelösung braucht. Aktuell wird im Parlament der sog. Mantelerlass diskutiert, der diese Nachfolgelösung beinhalten müsste. Es zeigt sich dabei aber die Tendenz, die Kriterien für die Standortgebundenheit restriktiver auszugestalten als im dringlichen Bundesgesetz. Es besteht somit die Gefahr einer fehlenden Nachfolgelösung. So soll die Standortgebundenheit an Bedingungen wie «wenig empfindliche Gebiete» und einen einfachen Netzanschluss geknüpft werden. Innerhalb landwirtschaftlicher Nutzflächen soll das Kriterium nur erfüllt sein, wenn Vorteile für die landwirtschaftliche Produktion bewirkt werden.

 

Alternative Ansätze

Es stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, ob die Standortgebundenheit eine geeignete Voraussetzung für erneuerbare Stromproduktionsanlagen wie PV darstellt und ob sie nicht generell oder zumindest mit weniger einschränkenden Bedingungen zugewiesen werden könnte. Die Interessensabwägung, die zweite Voraussetzung für eine Ausnahmebewilligung, bliebe dabei ja bestehen, und würde immer noch darüber entscheiden, ob eine Anlage im Einzelfall zielführend ist und gebaut werden kann.

Ergänzend dazu sollten Bund, Kantone und Gemeinden vorausschauend geeignete Gebiete und Standorte für grosse PV-Anlagen in ihren Plänen ausweisen und Spezialbauzonen für Stromproduktionsanlagen definieren. In diesen Gebieten wäre dann keine Ausnahmebewilligung mehr notwendig, wodurch sich das Kriterium der Standortgebundenheit gewissermassen erübrigen würde.

Die beschriebene Problematik gilt dabei nicht nur für PV-Anlagen, sondern auch andere erneuerbaren Technologien. Auch Wasserkraft, Windkraft, Biomasse oder Wasserstoff, sind mit ähnlichen Einschränkungen konfrontiert (Standortgebundenheit oder sonstige Bauverbote). Generell sollte bei den Rahmenbedingungen möglichst vermieden werden, dass erneuerbaren Energien pauschal von gewissen Orten ausgeschlossen sind. Ob eine Anlage im Einzelfall beispielsweise ein geschütztes Gebiet tangieren darf, ist im Rahmen der Interessensabwägung zu beurteilen. Hingegen führen generelle Verbote dazu, dass das Erreichen der Ausbauziele erneuerbarer Energien potenziell erschwert und massgeblich verteuert wird. 

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