01.10.2021 | An der Muttsee-Staumauer entsteht ein Solarkraftwerk
Der Bau der grössten alpinen Solaranlage der Schweiz schreitet voran. Nach der Fertigstellung wird AlpinSolar pro Jahr 3.3 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren – die Hälfte davon im Winter. Axpo, IWB und Denner leisten mit dem Pionierprojekt einen Beitrag zur Energiewende.
Im Glarnerland im hochalpinen Grenzgebiet zwischen den Kantonen Glarus und Graubünden, auf 2500 Meter über Meer, entsteht das Solarkraftwerk AlpinSolar. Hier befindet sich die 1054 Meter lange Staumauer des Muttsees, der zum 2016 eröffneten Pumpspeicherwerk Limmern gehört. Die längste Staumauer der Schweiz ist nach Süden ausgerichtet und verfügt so über optimale Voraussetzungen für Solarstrom.
Axpo, schweizweit grösste Anbieterin erneuerbarer Energien und Betreiberin des Pumpspeicherwerks Limmern, will das Potenzial der Staumauer als zusätzliche Energiequelle nutzen. Die Projektidee ist so bestechend wie anspruchsvoll. Mit der Installation von Solarpanels an der Staumauer kann die Solaranlage an eine bestehende Infrastruktur gebaut werden. Kommt hinzu, dass Solaranlagen oberhalb des Nebelmeers auch im Winter Strom liefern, wenn die Produktionszahlen von Panels im Mittelland gegen Null tendieren.
Axpo stellte ein Projektteam mit langjähriger Bauerfahrung in den Glarner Alpen zusammen, das bei der Standortgemeinde Glarus Süd die Baufreigabe einholte und die Logistik von rund 750 Tonnen Material minutiös plante. Als Partner konnte der Energiedienstleister der Stadt Basel, IWB, gewonnen werden. Gemeinsam bauen Axpo und IWB nun die grösste alpine Solaranlage der Schweiz. Planeco, eine Tochterfirma von IWB, ist für Bau und Montage der Solaranlage zuständig.
Sehe selbst, wie auf 2500 Meter über Meer gebaut wird:
Der Transport der vorkonfektionierten Bauteile und Maschinen für das Solarkraftwerk erfolgt per Helikopter. Ein Hebekran wurde beispielsweise im Tal zerlegt, in Einzelteilen hochgeflogen und auf der Staumauer wieder montiert. Der zwangsläufig grössere CO2-Fussabdruck, der durch den Einsatz des Transporthelikopters entsteht, wird jedoch bereits nach zwei Monaten Anlagenbetrieb ausgeglichen sein. Trotzdem ist der Bau der Solaranlage in den Glarner Alpen ein teures Unterfangen, behaftet mit dem Risiko von Verzögerungen, weil Montagearbeiten nur bei Flugwetter möglich sind. Schönwettertage waren im Sommer 2021 denn auch Mangelware. Die vollständige Inbetriebnahme der Solaranlage wird im August 2022 erfolgen.
Erfahrungswerte und Daten des Pionierprojekts, für die sich die EPFL in Lausanne und das Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) interessieren, dürften für weitere Anlagen im alpinen Raum nützlich sein. Forschungsbestandteile sind Panel-Neigungswinkel, Erfahrungswerte mit Wind- und Schneelasten und unterschiedliche Panelarten. Bereits früh im Projekt berechnete eine Studie des SLF den zu erwartenden Druck des Schnees auf die Solarpanels an der Staumauer. Entsprechend fiel die Wahl auf robuste bifaziale Glas-Glas-Module des Schweizer Herstellers Megasol. Diese nutzen nebst der direkten Sonnenstrahlung auf der Vorderseite auch das indirekte und diffuse Licht auf der Rückseite.
Um die zur Verfügung stehende Fläche optimal zu nutzen, verwendet Megasol zwei verschieden grosse Modultypen mit 460 Watt respektive 385 Watt. Für die Montage entwickelte Planeco ein Einlegesystem, das in dieser Grössenordnung noch nie zuvor verbaut worden war.
Je höher eine Solaranlage liegt, desto besser ist Ausnutzung der Anlage insbesondere im Winter. Dass die Installationskosten jedoch um einiges höher liegen als im Talgrund, wird bei der Einmalvergütung des Bundes zur Förderung der Stromproduktion aus Photovoltaikanlagen nicht berücksichtigt. Tatsache ist, dass die zugesagte Einmalvergütung von 300 Franken pro Kilowatt, also insgesamt rund 600'000 Franken, die Mehrkosten für die aufwändige Installation und Absicherung keineswegs deckt. Mit Denner fanden die Initianten jedoch einen Partner, der das Pionierprojekt unterstützt und den produzierten Strom während 20 Jahren im Rahmen eines Stromabnahmevertrages (Power Purchase Agreement, PPA) zu einem Preis abnimmt, der den hohen Kosten der Anlage Rechnung trägt.
Trotz Partner ist AlpinSolar unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht wirtschaftlich zu betreiben, zeigt aber, wie das grosse Potenzial an Solarenergie in den Schweizer Bergen nutzbar gemacht werden kann. Denn jedes Kilowatt im Inland produzierter Winterstrom trägt zur Reduktion der Importabhängigkeit der Schweiz im Winter bei. Nach dem gescheiterten Rahmenabkommen mit der EU rückt das damit verbundene Stromabkommen in weite Ferne und die Importfähigkeit ist grundsätzlich infrage gestellt. Importengpässe im Winter mit neuer inländischer Produktion aus erneuerbaren Energien aufzufangen, ist zentral für eine weiterhin gesicherte Stromversorgung.
Eine Anlage alleine reicht indessen bei weitem nicht für die angestrebte Energiewende. Potenzial ist aber vorhanden, mit einer grösseren Anzahl alpiner Solaranlagen einen Beitrag zur Reduktion der Winterstromlücke zu leisten. «Der Mensch braucht Pionierprojekte, um Chancen und Möglichkeiten zu erkennen», sagt Axpo-CEO Christoph Brand. «Darum investieren wir in AlpinSolar.» Neue Wege zu suchen, braucht Mut. Seit Gründungszeiten beteiligt sich Axpo an Pionierprojekten und wagt Neues. Dass sich Investitionen in alpine Solarprojekte heute nicht lohnen, ist ein Malus der aktuellen Energiepolitik. «Das Parlament hat es nun in der Hand, diese Themen anzugehen. Wir sind auf jeden Fall bereit, auch in der Schweiz wieder substanziell mehr zu investieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen», hält Christoph Brand fest.
Oberhalb der Nebelgrenze, an der Muttsee-Staumauer des Pumpspeicherwerks Limmern auf 2500 Meter über Meer, entsteht aktuell die grösste alpine Solaranlage der Schweiz. Die Staumauer ist die höchstgelegene in ganz Europa und mit 1054 Metern die längste der Schweiz. Optimal nach Süden ausgerichtet, ist die Mauer den ganzen Tag besonnt.
Die Energiedienstleister Axpo und IWB machen die Staumauer am Muttsee zur grössten alpinen Solaranlage der Schweiz. Denner unterstützt das Projekt und nimmt den Solarstrom über die nächsten 20 Jahre ab. Derzeit werden die 4872 Solarpanels montiert. Die Solaranlage nimmt insgesamt eine Fläche von 10'000 Quadratmetern ein. Das entspricht rund 1,5 Fussballfeldern. Nach der Fertigstellung wird AlpinSolar pro Jahr 3.3 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren – die Hälfte davon im Winter. Dies entspricht dem jährlichen Bedarf von rund 740 Vierpersonenhaushalten.