15.04.2017 | Mit kleinen Flüssen und Restwasser Strom produzieren
In der Schweiz versucht man auch mit kleineren Wassermengen Strom zu produzieren. Und das geht, knapp zehn Prozent der Stromproduktion aus Wasserkraft stammen aus Kleinwasserkraftwerken. Die CKW und Axpo betreiben solche „Klein-aber-oho-Werke". Die Forschung beschäftigt sich auch mit anderen Produktionsformen, etwa Strömungskraftwerken.
Kleinwasserkraftwerke nennt man Anlagen mit einer mittleren Brutto-Leistung von bis zu 10 MW. Aber oho: Denn die Kleinwasserkraft liefert in der Schweiz über fünf Prozent der aktuellen Elektrizitätsproduktion, was knapp zehn Prozent der aus Wasserkraft produzierten Energie entspricht. Diese kleinen Kraftwerke – es sind derzeit über 1100 – produzieren rund 3600 GWh Strom pro Jahr. Das Bundesamt für Energie schätzt das Wachstumspotential gemäss Energiestrategie als „gross“ ein. Deshalb unterstützt der Bund den Bau von Kleinwasserkraftwerken auch (siehe Box). Auch Axpo verfügt über solche Anlagen. Es sind dies unter anderen das Kleinwasserkraftwerk Stroppel, Windisch, Kollbrunn, Au-Schönenberg, Bürglen, Moutier und Lotzwil, welche zur Axpo Kleinwasserkraft AG gehören (siehe Bilder). Die Karte mit allen Kleinkraftwerken von Axpo (Beteiligungen und 100% Besitz) ist hier zu finden.
Daneben gibt es auch sogenannte Dotierkraftwerke. Sie sind so etwas wie Kraftwerke in Kraftwerken und meist in deren Wehranlagen integriert. Dort nutzen sie die gesetzlich vorgeschriebene Restwassermenge zur Turbinierung. Entsprechend kleiner ist ihre Leistung. Auch Axpo besitzt Dotierkraftwerke. So wurde etwa bei der Erneuerung des Kraftwerks Rüchlig in Aarau, das im Sommer 2015 nach rund dreieinhalb Jahren Bauzeit eingeweiht worden ist, nicht nur die drei alten Turbinen ersetzt und mit einer vierten ergänzt, sondern auch ein Dotierkraftwerk erstellt, das im alten Aarelauf die Restwassermenge nutzt. Und das zur Hälfte der CKW gehörende Kraftwerk Göschenen plant derzeit direkt bei der Wasserfassung im Urnerloch den Bau eines Dotierkraftwerks (siehe Bild). Die installierte Leistung beträgt 131kW, mit der Jahresproduktion von 520‘000 kWh können 110 Haushalte versorgt werden. Die Investitionen belaufen sich auf 1,15 Mio Franken.
Auch die direkte Strömung von Flüssen möchte man gerne für die Stromproduktion nutzen. So testet die Fachhochschule der Westschweiz (HES SO) seit Februar 2017 ein neuartiges Strömungskraftwerk in Form einer Röhre, welche direkt die Strömung zur Stromproduktion nutzt. Der Prototyp wurde in einem Abflusskanal des unterirdischen Wasserkraftwerks von Lavey VD an der Kantonsgrenze zwischen dem Wallis und der Waadt installiert (siehe Bilder).
Diese Technologie befinde sich noch in den Anfängen, sagt dazu die Projektleiterin Cécile Münch-Alligné. Ähnliche Turbinen werden in den Gezeiten-Kraftwerken im Meer verwendet, aber auch diese Technologie sei noch in der Entwicklungsphase. Die Leistung einer „Röhre“ ist mit 1 kW eher gering, mit der Jahresproduktion von 8000 kWh liessen sich gerade mal 2 Haushalte versorgen.
Das Kraftwerk nutzt einzig die Strömung, welche die Turbine im Innern der Röhre antreibt, das Gewässer muss nicht gestaut werden. Der Test dauert sechs Monate. Ob der innovative Kraftwerkstyp eines Tages in die Massenproduktion geht, ist noch offen. Dazu könnte es frühestens in drei bis vier Jahren kommen, sagte Cécile Münch-Alligné.
Weiter sind die Forschungen in Frankreich. Dort will ein Energieunternehmen im kommenden Jahr 39 solche Turbinen in der Rhone bei Génissiat, rund 45 Kilometer von Genf entfernt, installieren. Diese sollen 6700 MWh/Jahr produzieren, was ungefähr dem Verbrauch von 1675 Haushalten entspricht.
Potenzial zur Gewinnung von Strom gibt es auch im Bereich der Quellwasserfassungen, die häufig grosse Gefälle zwischen Fassung, Reservoir und Verteilnetz aufweisen. Die Eawag-Forscher der ETH gehen bei den circa 3000 öffentlichen Wasserversorgungen von einem Potential bis zu 60 GWh aus. Auch bei den Kläranlagen – es gibt ungefähr 750 grosse und 3500 kleine ARA in der Schweiz – könnte man vorhandenes Gefälle ausnutzen und einen Teil des Abwassers (1450 Mio. m3) turbinieren.
Um die Entwicklung der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen (Wasserkraft, Solarenergie, Windkraft, Biomasse, Geothermie) zu fördern, hat der Bund 2008 die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) eingeführt. Die von einem Kleinkraftwerk produzierte Kilowattstunde wird so mit durchschnittlich 16 Rappen vergütet, was weit über dem gängigen Marktpreis von 3 bis 4 Rappen liegt. Ohne dieses Programm wären viele Kleinkraftwerke nie gebaut worden. Die KEV bietet eine relativ rasche Investitionsrendite, was sowohl für Privatpersonen als auch für Gemeinden oder Gesellschaften attraktiv ist. In der Schweiz werden gegenwärtig 534 Kleinwasserkraftwerke gefördert, die insgesamt über 1'300 GWh produzieren. 277 zusätzlichen Kleinwasserkraftwerken wurde eine Unterstützung zugesagt, die – einmal gebaut – 1'000 GWh produzieren würden. Über 500 Projekte mit einem Potential von über 2'000 GWh befinden sich auf der Warteliste.