23.03.2017 | Wie der Klimawandel die Wasserkraft beeinflusst

Mehr Schmelzwasser bis 2050

Jeanette Schranz

Autorin

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Dürren, Hitzewellen, Starkregen und Orkane – das Klima ändert sich und das Wetter läuft aus dem Ruder. In welcher Form sind solche Phänomene auch in der Schweiz feststellbar und was hat das für Folgen für die Wasserkraft?

Tornados im Süden der USA, Hochwasser in Italien, Tropensturm auf den Fidschi-Inseln – kaum ein Jahr verstreicht, ohne dass in den Zeitungen von Unwettern zu lesen ist. Solche Ereignisse nehmen gefühlt weltweit zu.

Auch hierzulande verwüsten Orkane ganze Landstriche und rutschen Berghänge als Schlammlawinen das Tal hinunter, alles mitreissend, was im Wege steht. Nehmen solche Wetterphänomene aufgrund der Klimaerwärmung zu?

Der SRF-Meteorologe Felix Blumer gibt für die Schweiz Entwarnung: In den letzten Jahren könne keine Zunahme von Schadensereignissen bedingt durch die Klimaveränderung nachgewiesen werden. Laut Blumer fand das letzte grosse Niederschlagsereignis in der Schweiz im August 2005 mit grossen Schäden in der Zentralschweiz und im Berner Oberland statt. Danach gab es nur noch lokale Ereignisse wie die Überschwemmungen in Lyss im Sommer 2007 oder das Hochwasser im Kandertal im Oktober 2011. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Ereignisfrequenz in den kommenden Jahren wesentlich verändern wird", bekräftigt der Meteorologe.

Gletscher schrumpfen weg

Auch wenn der Klimawandel nicht für mehr Unwetter sorgt, hinterlässt er in der Schweiz dennoch unübersehbare Spuren. Der Gletscherschwund ist wohl am offensichtlichsten: Das Gletschervolumen ist allein im Jahr 2016 um 1.5 % zurückgegangen.1

Die Gletscher schrumpfen weiter, das bestätigt auch Wetterexperte Felix Blumer: „Zu Beginn des 22. Jahrhunderts werden im Alpenraum wahrscheinlich nur noch ganz kleine Gletscherflächen vorhanden sein. Studien besagen, dass in glazialen Flusseinzugsgebieten die Gletscherschmelze bis 2050 trockene Sommer noch weitgehend zu kompensieren vermag. Danach sind die Gletscherflächen zu klein und Dürreperioden werden sich in der Schweiz noch stärker auswirken."

Direkt betroffen sind v.a. die Wasserkraftwerke, die von Gletscherwasser gespeist werden: die Stauseen. Diese könnten laut SRF-Meteorologe bis im Jahr 2050 mit zusätzlichem Schmelzwasser aus den Gletschern rechnen. Durch die allgemeine Erwärmung verschiebe sich die Schneefallgrenze generell nach oben. Entsprechend würden die Perioden mit Direktabfluss auch im Gebirge und Hochgebirge immer länger. Komme dazu, dass durch eine erhöhte Schneeschmelzrate der Schnee auch nicht zwingend die ganze Saison liegen bleibe.

„Wir stellen durch die generelle Erwärmung einen Trend zu ganzjährigem Abfluss fest, mit dem Vorteil, dass im Frühjahr das Hochwasserrisiko sinkt, da nicht mehr die gleichen Schneemengen zum Abschmelzen und dann zum Abfluss bereit stehen", meint Felix Blumer.

Fotografiert von Ueli Walther
Weniger Schnee – weniger Wasser

Einzelne Wasserkraftwerke verfügen über Wasserfassungen direkt unter dem Gletscher. Bei diesen Kraftwerken könne die Veränderung des Schmelzwasserdargebots direkt beobachtet werden, erklärt David Brunner, Head Core Market Trading Axpo. Die unterschiedliche Höhe der Schneedecke könne anhand der Messungen im letzten und im laufenden Jahr bei vielen Speicherkraftwerken sichtbar gemacht werden. Im Vergleich zu früheren Jahren habe es im letzten Jahr erst in der Periode Februar bis März ergiebig geschneit, schlussendlich wurde aber eine Dicke der Schneedecke im langjährigen Mittel erreicht. „Dieses Jahr liegt derzeit durchschnittlich spürbar weniger Schnee in den Bergen als zum gleichen Zeitpunkt im letzten Jahr. Kommt nichts mehr dazu, muss während der Schneeschmelze mit geringeren Zuflüssen auf den verschiedenen Kraftwerksstufen gerechnet werden, was direkt den Kraftwerkseinsatz beeinflusst. Für die Marktpreisbildung ist neben Angebot auch die jeweilige Nachfrage entscheidend. Deshalb kann das Ausmass des fehlenden Wassers in den Speicherseen auf den künftigen Spotmarktpreis noch nicht abgeschätzt werden", berichtet David Brunner.

Die Jahreszeiten kommen durcheinander

Tendenziell verschieben sich die Jahreszeiten innerhalb des Jahres im Uhrzeigersinn nach hinten. Das hat grundsätzlich eine physikalische Logik: „Bei höheren Temperaturen kann die Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen. Je mehr Wasserdampf in der Atmosphäre ist, desto träger reagiert sie auf Temperaturschwankungen. Wir kennen dies durch den Verlauf der Wassertemperaturen im Vergleich zu den Lufttemperaturen. Dieser Effekt wird auch belegt durch Klimastatistiken", erklärt Felix Blumer.

Aber Wetter und Klima sind nicht dasselbe. Ausreisser und Abweichungen vom grossen Trend wird es immer geben. So erlebten wir in der Schweiz die Jahreshöchsttemperaturen 2014 und 2016 bereits im Juni. Besonders extrem war die Situation im Sommer 2014, als die höchste Jahrestemperatur bereits am Pfingstmontag, 9. Juni registriert wurde, also sogar noch vor dem Sonnenhöchststand.

Der Frühling ist der neue Winter

In Sachen Schnee sollten keine voreiligen Schlüsse gezogen werden, denn Schneefall gehört laut Meteo-Experte Felix Blumer im Mittelland noch lange nicht der Vergangenheit an. Nach den beiden schneearmen Wintern 2015/16 und 2016/17 könne man das zwar glauben. Aber auch schon zu Beginn der 90er-Jahre seien die Winter schneearm und zu Beginn der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts Schneemangel ein Dauerthema gewesen. Die generelle Erwärmung bedeute jedoch nicht per Definition eine Abnahme der Schneehöhen. Denn die Schneehöhe sei nicht nur abhängig von der Temperatur, sondern auch vom Niederschlag. Gerade im Winter 2016/17 sei primär der fehlende Niederschlag für den Schneemangel verantwortlich, meint Felix Blumer. Geschneit hat es dieses Jahr nochmals Ende Februar sowie Anfang März.

Auf den Brettern stehen, kann Herr und Frau Schweizer also künftig nach wie vor: zwar erst später, dafür auch noch Ende März.

1Vgl. Akademien der Wissenschaften Schweiz: Medienmitteilung vom 3. November 2016

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