29.11.2017 | ETH-Forscher zeigen Standorte für künftige Wasserkraftwerke auf

Wasserkraft: Hilft die Gletscherschmelze?

Der Klimawandel führt in den Schweizer Alpen zum Gletscherrückgang. Damit könnten neue Standorte mit Wasserkraftwerken erschlossen werden,um das zusätzliche Schmelzwasser zu nutzen.  Gemäss Untersuchungen der ETH Zürich stehen dabei sieben potenzielle künftige Standorte im Vordergrund.

Der Klimawandel führt in den Schweizer Alpen zum Gletscherrückgang. Für die Wasserkraft im periglazialen Umfeld hat dies einen doppelten Einfluss: Neue Standorte für Wasserkraft-Stauspeicher werden eisfrei, und es kann zusätzliches Schmelzwasser aus Gletschern zur Produktion zur Verfügung stehen. Das sagen Forscher des Energy Research Centers der ETH Zürich unter Leitung von Prof. Robert Boes und Dr. Daniel Ehrbar.

Sie haben im Auftrag des Bundesamtes für Energie (BFE) die Gletscherabflussprognosen für verschiedene Klimawandelszenarien und globale Zirkulationsmodelle auf insgesamt 1'576 Schweizer Gletscher angewandt. Im Anschluss wurden eisfreie Standorte mit hohem Abflussvolumen weiter untersucht und auf Basis einer Ratingmatrix aussichtsreiche Standorte identifiziert. Produktion, installierte Kapazität, Speicherkapazität, Investitionskosten und Sedimentkontinuität waren die wichtigsten Faktoren bei der Analyse.

Die Reservoirs und und Wasserkraftwerke müssten dabei gemäss ETH alle im Bereich der durch die Gletscherschmelze neu entstehenden Landschaften im Bereich der Grenzen des Gletschers oder direkt unterhalb zu stehen kommen. Diese unmittelbare Gletschernähe stelle wegen der tempörären Abflüsse der Gletscher und der Sedimente eine zusätzliche Herausforderung beim Bau der Wasserkraftanlagen dar.

Energiestrategie umsetzen

Die Schweizerische Energiestrategie 2050 rechnet mit einer jährlichen Stromproduktion von 37'400 GWh aus Wasserkraft im Jahr 2035. Im Jahr 2016 betrug die Jahresproduktion 36'264 GWh. Daher gilt es, ein weiteres jährliches Nettopotenzial von ca. 1'136 GWh pro Jahr auszuschöpfen.

Die sieben von den Forschern als potenzielle Wasserkraft-Speicher- Standorte aufgeführten Orte (siehe Tabelle oben) haben laut ihren Berechnungen genügend technisches Potenzial, um das Zwischenziel 2035 der Energiestrategie 2050 der Wasserkraft für die Stromversorgung zu erreichen. Dabei mitberücksichtigt wurde auch das neue Wasserkraftwerk Gletsch-Oberwald (siehe Box). Die Tabelle enthält Schätzungen für die Jahresproduktion, die installierte Kapazität, das Speichervolumen und den Speicherenergieäquivalent der neuen Anlagen. Letzteres, so halten die ETH-Forscher fest, ist als Maßnahme für die Winterproduktion von besonderem Interesse, die mit der Zunahme neuer erneuerbarer Energien für die Stromerzeugung noch zusätzlich an Bedeutung gewinnen wird. Schmale Schluchten und steile Felsböschungen böten gute technische Voraussetzungen, wobei Naturgefahren aber sorgfältig zu berücksichtigen seien.

Schwierige Projekte

Allerdings, so räumen die ETH-Forscher ein, wird die Nutzung des vorhandenen Wasserkraftpotentials schwierig. Denn: „Die Baustellenvorbereitung wird kostspielig, es wird gesellschaftliche Kontroversen geben, da einige Standorte in Schutzgebieten liegen und die Integration in das bestehende dichte Wasserkraftnetz eine große Herausforderung darstellen wird“.

Zudem, so ist aus Sicht der Energieunternehmen wie Axpo, anzumerken, ist auch die Finanzierung solcher Projekte mehr als eine grosse Herausforderung. Denn angesichts der aktuell nach wie vor tiefen Marktpreise für Strom gilt: „Die Grosszahl der Axpo Wasserkraftwerke verdient heute nicht genügend Geld, um die dringend nötigen Investitionen in den Erhalt, geschweige denn in den Ausbau der Kapazität, der für die Energiestrategie nötig wäre, zu leisten."

Kraftwerk Rhone Oberwald

Im Gebiet Gletsch-Oberwald wird ein neues Laufkraftwerk an der Rhone gebaut. Bauherrin sind die FFMV SA, die Forces Motorices Valaisannes. Die Fassung befindet sich in Gletsch auf 1'750 m ü. M. und fasst eine Ausbauwassermenge von 5.7 m³/s. Die Anlage setzt sich zusammen aus einem unterirdischen Entsander, einer Druckaufbau­kammer und einem Spülstollen. Der Triebwasserstollen wird als Schrägstollen mit ca. 13.2 % aufgefahren. Die Zentrale befindet sich Untertage mit Rückgabestollen in die Rhone. Der Kabelrohrblock ist für eine Netzverbindung von 16 kV ausgelegt. Die installierte Leistung beträgt 14 MW und die Produktion beläuft sich auf 41 GWh.

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