10.05.2018 | Energiehandel: Wie Technische Analyse die Trader unterstützen kann
Stimmt es, dass der technische Fortschritt auch vor dem Energiehandel nicht Halt macht und in Zukunft alle Deals über maschinelle Systeme abgewickelt werden? Und macht das die Händler irgendwann überflüssig? Das zumindest suggeriert ein internationaler Hersteller von Trading-Software. Wir haben bei einem Experten nachgefragt, der es wissen muss.
Roman von Siebenthal ist Head Forward Trading bei der Axpo. Schon seit 8 Jahren arbeitet er im Bereich Energiehandel. Zuvor war der studierte Mathematiker bei der Credit Suisse und Alpiq tätig. Ein Profi also, was das Trading betrifft. Als er den Newsletter-Beitrag eines Herstellers von Trading-Software vorgelegt bekommt, muss er schmunzeln. „Mensch oder Maschine, wer ist der bessere Energiehändler?“ Für den Experten ist klar, dass es sich um eine rhetorische Frage handeln muss. Und dass die Antwort nur lauten kann: der Mensch natürlich.
Und so zitiert Roman keinen Geringeren als Apple-Pionier Steve Jobs: „Technologie zählt nicht. Wichtig ist, dass man Vertrauen in die Leute hat und dass sie prinzipiell anständig und klug sind. Dann werden sie, wenn man ihnen Werkzeuge in die Hand gibt, tolle Dinge damit tun.“
Aber ist es denn komplett irreführend und falsch, dass unter einem solchen Motto für ein Produkt geworben wird, das Trader unterstützen soll? Nein, in der Tat spielt spezialisierte Technologie auch im Trading eine immer wichtigere Rolle.
Mit Hilfe von Software-Lösungen lassen sich heutzutage alle erforderlichen Aufgaben von Tradern, Portfoliomanagern und Analysten sicher und effizient umsetzen: Dies reicht von der Automatisierung bestimmter Arbeitsschritte, wie etwa dem Screening von Wertpapieren nach wiederkehrenden Kursmustern, über die Entwicklung und Simulation algorithmischer Handelsstrategien bis hin zur komplett automatisierten Ausführung von Handelsgeschäften. Hochmoderne Technologien stellen für Profis aus dem Finanz- und Energiebereich professionelle und flexible Gesamtlösungen bereit, von denen sie in ihrem Arbeitsalltag unterstützt werden. So deckt beispielsweise die Software des erwähnten Anbieters, der so plakativ für sein Produkt wirbt, gleichzeitig unterschiedlichste Anforderungen ab – von verschiedenen Levels der Technischen Analyse bis hin zur Programmierung von Algorithmen. Und die Plattform ermöglicht professionelles Backtesting auf bequeme Art und Weise.
In Zukunft dürften im Software-Bereich weitere Anwendungsmöglichkeiten Realität werden: „Ich bin gespannt, was mit der Blockchain-Technologie noch alles auf uns zukommt,“ sagt Roman. Er arbeitet selbst mit verschiedenen Tools und hat seine eigenen Erfahrungen mit Assistenzsystemen gemacht. Und diese sind durchweg positiv: „Es gibt viele gute Software-Lösungen, die absolut hilfreich sind. So lassen sich etwa komplexe Regelwerke managen und die Maschine kann gewisse Kompetenzen übernehmen, die der Trader quasi an sie auslagert. Die Software zeigt mir als Händler auf, wo gerade Kauf- oder Verkauflevels sein könnten, und liefert wichtige Daten und Trends dazu. Andere Tools helfen mir die fundamentalen Einflussfaktoren der Energiemärkte zu erfassen. So bekomme ich Unterstützung bei der Entscheidungsfindung.“
Ausserdem kann die Technologie im Falle des Energiehandels mittels „Stop-Loss“-Funktion dafür sorgen, dass ein Trader nicht zu lange auf das falsche Pferd setzt. Mancher Händler gerate bisweilen in Versuchung, weiterzumachen und auf eine spätere Kehrtwende zu hoffen. Die Maschine aber könne dabei helfen einen Verlust einzugrenzen und zu sagen: Stopp, es reicht. „Das lässt sich alles programmieren im Sinne eines „Money Management“, um Profite und Risiko-Kapital zu beschützen“, erläutert Roman. Das rationale Denken, das für einen Händler unerlässlich sei, stecke tief in der DNA der Maschine: „Im Trading gilt es Bauchgefühle auszuschalten. Dabei ist eine Software-Lösung natürlich eine hervorragende Stütze.“
Aber einen Menschen wird die Maschine laut Roman dennoch nicht ersetzen können. Denn ohne ihn gebe es keine Kreativität. Erstaunliche Worte aus dem Mund eines absoluten Zahlenmenschen? Ganz und gar nicht, meint der Energiehändler, und zieht einen Vergleich: „Es gibt ja auch immer mehr selbstfahrende Autos. Aber wo es hinfahren soll, entscheidet letztlich immer noch der Mensch.“ Zudem spiele der Mensch auch als ethische Instanz eine wichtige Rolle: „Unsere umfassenden Code of Conducts und Compliance-Regeln widerspiegeln den ethischen Grundrahmen, an den wir uns halten. Eine rein gewinnoptimierte Maschine würde sich solche Regeln niemals auferlegen lassen.“
Richtig gute Trader verstünden sich zudem als Übersetzer zwischen Mensch und Markt, sagt Roman. „Sie machen aus einer kreativen Idee für einen Deal letztlich einen rationalen Entscheid.“ Dass dies nicht leicht ist, scheint offensichtlich. Deshalb sei es auch so wichtig, dass Energiehändler über viel Erfahrung verfügen, auch aus schlechten Deals stets eine Lehre ziehen, menschlich gefestigt sind und ihre kognitiven und quantitativen Fähigkeiten immer dann einbringen, wenn sie verlangt werden. Roman von Siebenthal abschliessend: „Solche Leute gibt es aber nicht wie Sand am Meer, die sind in der Regel schwer zu finden.“
Somit wird deutlich: So gut ein Trader auch von der Maschine unterstützt werden mag, um das Risiko von Fehlern weiter zu minimieren – letztlich ist und bleibt der Mensch unersetzlich.
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