11.05.2023 | Versorgungssicherheit? Wir kümmern uns darum - heute mit Rainer Lietzow

Leitung abstellen ohne Stromunterbruch – wie geht das?

Egal, ob Leitungen oder Transformatoren zur Wartung abgestellt werden müssen oder ein Blitz eine Leitung trifft, die Kunden der Axpo müssen jederzeit sicher und zuverlässig mit Strom versorgt werden. Dafür sorgen Rainer Lietzow, Leiter Projekte und Betriebsplanung bei Axpo, und sein Team. 

2200 Kilometer lang ist das Stromnetz der Axpo und umfasst 8500 Masten. Der Strom wird über 152 Unterwerke auf die jeweils nötige Spannungsebene transformiert. Das Axpo Netz reicht von Aarau im Westen bis zum Fürstentum Lichtenstein im Osten und vom deutschen Singen im Norden bis zum Kanton Zug im Süden. Dabei fliesst der Strom aus dem Übertragungsnetz der Swissgrid sowie von den lokalen Wasserkraftwerken in das überregionale Verteilnetz der Axpo und von dort zu ihren Kunden, den Kantons- und Stadtwerken der Nordostschweiz und dem Fürstentum Lichtenstein. Indirekt versorgt Axpo über ihr Netz und ihre Kraftwerke über 3 Millionen Endkonsumenten sicher mit Strom – rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr.

So gross die Verantwortung ist, so zuverlässig will das Netz gesteuert, überwacht und in Schuss gehalten sein. Die gesamte Infrastruktur muss in Etappen regelmässig gewartet, alte Anlagen müssen ersetzt und neue ans Netz angeschlossen werden. Nur: Wo Strom fliesst, kann nicht an den Anlagen gearbeitet werden. Sie müssen erst abgeschaltet werden.

Komplexe Planung

Eine Ausserbetriebnahme eines Bereichs des Netzes ist immer mit Risiken verbunden. «Wir überlegen deshalb stets „was wäre, wenn X oder Y passiert?“, analysieren die verschiedensten Szenarien, minimieren die Risiken und erarbeiten Notfallpläne, damit wir unsere Kunden, falls nötig, möglichst schnell wieder mit Strom versorgen können», erläutert Rainer Lietzow. Er ist Leiter Projekte und Betriebsplanung Netze und verantwortet mit seinem Team vom Axpo Hauptsitz in Baden aus – in der Energie- und Netzleitstelle – die Netzsicherheit, damit Anlagen im Axpo Netz planmässig ausser Betrieb genommen werden können. Eine ausgesprochen komplexe Sache.

Redundant aufgebautes Stromnetz

Die Planung ist auf mehrere Jahre ausgerichtet und detailliert auf die Stunde heruntergebrochen – und dies alles in Abstimmung mit den Axpo Projekt- und Anlagenverantwortlichen sowie den Partnern auf Seiten Swissgrid und der Kantons- und Stadtwerke. Erst wenn alles minutiös aufgegleist ist, können die Spezialisten der Netzsteuerung eine Leitung oder einen Transformator sicher ausser Betrieb nehmen. Dabei darf selbstredend der Stromfluss im Netz nicht unterbrochen werden. Dies ist deshalb möglich, weil das Stromnetz redundant aufgebaut ist (siehe Box).

«Die sichere Stromversorgung ist oberstes Gebot bei allem, was wir tun», bringt Rainer Lietzow seinen Job auf den Punkt. Er wirkt besonnen, pragmatisch, ruhig und gleichzeitig hellwach und er ist ein ausgezeichneter Kommunikator – eine gute Mischung für die versorgungstechnisch so zentrale Aufgabe. Seit 1999 ist der Energietechniker für Axpo im Einsatz, seit 2016 in der jetzigen Position. Er und seine Crew vereinen Jahrzehnte an Erfahrung und sind gut aufeinander eingespielt. 

Wenn der Blitz einschlägt

Zur planmässigen Ausserbetriebnahme von Netzkomponenten kommen ungeplante Störungen. Oft ist dabei die Kraft der Natur im Spiel. So können Stürme oder Blitze Schäden am Stromnetz verursachen. Aber auch der Mensch sorgt für Zwischenfälle. So kommt es vor, dass Fremdfirmen bei Bauarbeiten in eine im Boden verkabelte Leitung bohren. Die Operateure der Energie- und Netzleitstelle stehen rund um die Uhr in Alarmbereitschaft. Kommt es zu einer Störung, schalten die Schutzsysteme den betroffenen Netzbereich immer automatisch ab. Nach wenigen Sekunden folgt in der Regel die automatische Wiedereinschaltung. Ist das nicht der Fall, müssen die Fachleute in den Werkhöfen zur Eruierung und Behebung des Schadens aufgeboten werden.

Die Energie- und Netzleitstelle ist quasi das «Gehirn» des Netzsystems, entsprechend gut sind die die Räumlichkeiten gesichert. Der Zugang ist streng reguliert. Herzstück ist der Kontrollraum, wo auf zwei metergrossen Anzeigetafeln Karten, Grafiken und Zahlenreihen zig Daten aufgeschaltet sind. Etwa 60’000 Meldungen und 25’000 Messwerte verarbeitet das System. Von Hektik ist hier keine Spur. Die Stimmung ist vielmehr konzentriert und dennoch locker.

Worst case: Üben am Simulator

Hier wird auch geübt, sollte in der Schweiz der Strom grossflächig ausfallen – sollte es dunkel werden und die öffentlichen Telefonleitungen stumm bleiben. Die Energie- und Netzleitstelle muss auch dann handlungsfähig sein, weshalb sie über eine eigene Stromversorgung und ein eigenes Telefonnetz verfügt, inklusive Satellitenverbindung. «Wir haben klare Prozesse definiert, damit wir den Wiederaufbau des Netzes schnellstmöglich sichern können. Auch üben wir solche Worst-Case-Szenarien jährlich mit der Swissgrid und den Kraftwerken am Simulator. Glücklicherweise ist es bislang zu keinem Ernstfall dieser Grössenordnung gekommen. Wir tun alles, damit das auch künftig so bleibt», fügt Rainer Lietzow an. 

Dank App alles aktuell auf dem Phone  

Axpo hat zusammen mit einem Software-Unternehmen die Incident Management App entwickelt. Über sie lassen sich alle Informationen für den sicheren und zuverlässigen Betrieb des Axpo Stromnetzes zusammenführen. Störungen werden schnell erfasst und alle verantwortlichen Stellen über alle Ereignisse – geplante wie ungeplante – laufend zeitnah informiert. Jede Massnahme wird dabei in der App dokumentiert, sodass jederzeit alle Beteiligten auf dem aktuellsten Stand sind.

N-1: die Formel zur sicheren Stromversorgung – Axpo international top

Ein Transformator wird ausgeschaltet, ein Kran touchiert eine Leitung und setzt sie ausser Gefecht – aber der Strom fliesst im Netz ununterbrochen einfach weiter. Wie ist das möglich? Die Antwort: Das Axpo Netz sowie das Schweizer Stromnetz insgesamt sind redundant aufgebaut. Das gilt im Übrigen auch im europäischen Ausland. Die Formel zur Redundanz heisst N-1. Fällt eine Komponente im Netz aus, geplant oder nicht, muss gemäss der sogenannten N-1-Regel bei maximaler Auslastung immer eine Ausweichmöglichkeit zur Stelle sein. Fällt also eine Leitung aus, kann der Strom «einfach» über eine andere Leitung fliessen. Axpo weist im schweizweiten Vergleich punkto Versorgungssicherheit Spitzenwerte aus und ist damit auch international top.

Lesen Sie auch

Alle anzeigen

Erneuerbare Energien

«Wie können wir unsere Anlagen besser schützen?»

Gleich zwei Unwetter suchten das Walliser Saas-Tal in diesem Sommer heim

Mehr erfahren

Erneuerbare Energien

«Es ging alles so schnell»

Misox: Die Unwetterfolgen sind heute noch spürbar – auch bei den Axpo Kraftwerken

Mehr erfahren

Erneuerbare Energien

«Der Mensch bleibt der entscheidende Faktor»

Auch die Kraftwerke Mauvoisin waren von den Unwettern stark betroffen

Mehr erfahren

Erneuerbare Energien

Bietet das Stromgesetz einen geeigneten Rahmen zur Integration der Solarenergie?

Netzstabilität als Herausforderung

Mehr erfahren