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25.01.2024 | Die gestiegene Regulierungsdynamik setzt sich fort

Was den Schweizer Strommarkt im Jahr 2024 erwartet

Die gestiegene Regulierungsdynamik der letzten Jahre setzt sich auch im Jahr 2024 fort. Neben den Umsetzungsarbeiten zum sogenannten Mantelerlass warten weitere wichtige Vorlagen für mehr erneuerbare Energie und mehr Versorgungssicherheit. Die Änderungen gehen in die richtige Richtung, das Thema Versorgungssicherheit bräuchte aber eine übergeordnete Sicht. Ein Überblick. 

Zur Sicherstellung der langfristigen Versorgungssicherheit arbeiten Bund und Politik an diversen Anpassungen der Rahmendbedingungen resp. der regulatorischen Grundlagen. Dabei werden viele der bereits in den letzten Jahren angestossenen Vorlagen fortgesetzt. 

Mantelerlass – bessere Rahmenbedingungen für Ausbau erneuerbare Energien

Im Herbst 2023 hatte das Parlament mit dem sog. Mantelerlass ein umfassendes Gesetzespaket zur Revision des Stromversorgungs- und des Energiegesetzes verabschiedet. Mit den Anpassungen werden u.a. ambitionierte Zubau-Ziele gesetzt und die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien verbessert. Daneben gibt es auch viele weitere Anpassungen, beispielsweise Vorgaben für die Beschaffungen in der Grundversorgung oder ein Effizienzverpflichtungssystem. Die Änderungen sollen Anfang 2025 in Kraft treten. Sie müssen nun aber zuerst noch in einer Volksabstimmung bestätigt werden, da am 18. Januar das Referendum gegen den Mantelerlass eingereicht wurde. Die Volksabstimmung wird Anfang Juni erwartet. 

Die Umsetzung der geplanten Gesetzesbestimmungen – deren Vorbereitung trotz Referendum weiterläuft - bedingt zahlreiche Regelungen auf Verordnungsstufe. Dabei werden alle notwendigen Details definiert, beispielsweise die zukünftige Ausgestaltung der Förderinstrumente oder des neuen Effizienzverpflichtungssystems. Der Entwurf dieses sehr umfassenden Pakets von Verordnungsrevisionen wird Mitte oder Ende Februar in die dreimonatige Vernehmlassung gehen. 

Beschleunigungsvorlagen - Bewilligungsverfahren straffen

Der Nationalrat hatte im Dezember 2023 als Erstrat über die Beschleunigungsvorlage entschieden. Die Vorlage will die Bewilligungsverfahren für grossen Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien straffen. Kern der Vorlage ist ein konzentriertes Plangenehmigungsverfahren auf Stufe der Kantone und eine Verkürzung des Rechtsmittelzugs (mehr Details hier). Der Nationalrat hatte nur wenige Änderungen am Entwurf des Bundesrates vorgenommen. Allerdings hat er durch die Möglichkeit, die Bewilligung von der Zustimmung der Standortgemeinden abhängig zu machen, die Wirkung der Vorlage abgeschwächt. Im neuen Jahr befasst sich nun die Energiekommission des Ständerates mit der Vorlage. 

Nicht Teil der Vorlage sind die Bewilligungsverfahren für den Ausbau der Stromnetze. Der Bundesrat hat die Vernehmlassung über eine weitere Vorlage, mit der er die Bewilligung von Netzausbauten vereinfachen und beschleunigen will, für März/April angekündigt. Diese zusätzliche Vorlage ist zu begrüssen. Der Ausbau von Produktionsanlagen und der Netze muss zwingend zusammen gedacht werden.

Winterreserven - zusätzlicher Strom im Notfall

Mit dem Mantelerlass wird die gesetzliche Grundlage für eine Energiereserve, bestehend aus Speicherwasserkraft und anderen Speichern, geschaffen. Nicht im Mantelerlass vorgesehen sind jedoch fossile Reservekapazitäten, wie sie im Zuge der Energiekrise temporär per Notverordnung etabliert wurden (u.a. Reservekraftwerk Birr). Um eine gesetzliche Grundlage für zukünftige fossile Reservekapazitäten zu schaffen, hatte der Bundesrat im letzten Herbst eine Vernehmlassung über eine Vorlage zur Anpassung des Stromversorgungsgesetzes durchgeführt. Diese Vorlage wird voraussichtlich im Lauf dieses Jahres in die parlamentarische Beratung übergeben werden und würde die bestehende Notverordnung ab 2026 ablösen. 

Stromabkommen – Importfähigkeit sicherstellen

Nach Beendigung der Verhandlungen für ein Rahmenabkommen im Mai 2021 startet der Bundesrat nun einen neuen Anlauf. Der Bundesrat hat seit 2022 Sondierungsgespräche mit der EU geführt und am 15. Dezember 2023 unter anderem den Entwurf eines Verhandlungsmandats für ein Stromabkommen veröffentlicht, inklusive Verhandlungsleitlinien. Ein Stromabkommen hätte einen wesentlichen Einfluss auf die zukünftigen regulatorischen Rahmenbedingungen der Schweiz. Gemäss Leitlinien wäre unter anderem eine vollständige Marktöffnung mit einer freiwilligen Grundversorgung anzustreben, eine vollständige Marktöffnung hatte das Parlament im Zuge des Mantelerlasses noch abgelehnt. Im Frühjahr soll das Mandat nach Anhörung von Politik und Stakeholdern verabschiedet werden, die Verhandlungen mit der EU starten dann im Anschluss. 

Notwendige, aber nicht hinreichende Schritte

Mit den laufenden und geplanten Vorlagen werden konzeptionell die richtigen Themen angegangen. Zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit braucht die Schweiz einen schnellen Zubau erneuerbarer Energien, ein Schritthalten der Stromnetze sowie eine gute Zusammenarbeit mit den umliegenden Ländern, flankiert durch Reserven für den Notfall. Ob die Vorlagen ihre gewünschte Wirkung erzielen, hängt aber von den vielen Details ihrer Umsetzung ab. Gleichzeitig braucht es nicht nur angepasste Rahmenbedingungen, sondern auch ein entsprechendes Umdenken bei allen Stakeholdern.

Eine Herausforderung, die bleiben wird, ist die fehlende übergeordnete Sicht auf das öffentliche Gut der Versorgungssicherheit. Auch wenn sich die Rahmenbedingungen für Gross-Anlagen voraussichtlich verbessern, werden weiterhin viele Möglichkeiten bleiben, Projekte aufgrund lokaler Interessen oder Partikularinteressen zu verzögern und zu verhindern. Aktuelle Beispiele finden sich in der kürzlich erfolgten Einsprache gegen das Projekt Trift (als Teil des Mantelerlasses vorgesehen) oder in den zahlreichen Vorstössen auf kommunaler Ebene für Mindestabstände von Windkraftanlagen zu bewohnten Gebäuden. Gemäss Mantelerlass obliegt es zudem den Kantonen, geeignete Gebiete für Gross-Anlagen auszuweisen. Dabei fehlt jedoch ein Koordinationsmechanismus, welcher sicherstellt, dass schweizweit ausreichend Gebiete definiert werden. Gegen diese Herausforderungen helfen würde nur eine übergeordnete Planung, welche eine schweizweite Sicht einnimmt, konfligierende Interessen gesamtheitlich abwägt und in verbindlichen Vorgaben mündet. Es ist an der Politik und Gesellschaft Lösungen zu finden, wie eine solche Planung im Einklang mit den föderalistischen Werten der Schweiz erreicht werden kann.

Zeitplan Entwicklungen 2024

Januar  

  • Beschleunigungsvorlage für Produktionsanlagen in Energiekommission des Ständerates

  • Bundesgesetz über Aufsicht und Transparenz für Energiegrosshandel in Energiekommission des Nationalrates

Februar 

  • Frist Ausschreibung 400 MW Reservekraftwerke für Zeit nach 2026

  • Start Vernehmlassung Verordnungen Mantelerlass

  • Start Vernehmlassung der geplanten Regulierung für systemkritische Stromunternehmen 

März/April

  • Start Vernehmlassung Beschleunigungsvorlage für Stromnetze

  • Verabschiedung Schweizer Verhandlungsmandat Stromabkommen Schweiz-EU

Juni

  • Volksabstimmung Mantelerlass

August

  • Botschaft Gasversorgungsgesetz geht ans Parlament

Herbst

  • Veröffentlichung nationaler Wasserstoffstrategie

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