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23.01.2025 | Erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen

Stromabkommen: Volle Einbindung der Schweiz in den EU-Binnenmarkt

Eberhard Röhm-Malcotti

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Anlässlich einer Pressekonferenz am 20. Dezember 2024 in Bern haben Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU informiert. Zum verhandelten Gesamtpaket gehört auch ein Stromabkommen: Sollte dieses in Kraft treten, würde die Schweiz Teil des EU-Strombinnenmarkts. Damit verbunden wären neue Chancen für den grenzübergreifenden Stromhandel, die Verbesserung der Versorgungssicherheit und Anreize für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.

Mit dem Abschluss der Verhandlungen kann nun die Botschaft erarbeitet werden, die das Abkommenspaket, die Anpassung der Schweizer Gesetzgebung sowie flankierende Massnahmen umsetzt.  Der Bundesrat plant gemäss SRF Tagesschau, das Verhandlungsergebnis vom 20. Dezember 2024 zum Rahmenabkommen noch vor dem Sommer 2025 in die Vernehmlassung zu schicken. Es sollen insgesamt vier Bundesbeschlüsse vorgelegt werden: ein Beschluss zur Stabilisierung des bilateralen Wegs und drei separate Beschlüsse für die neuen Abkommen, darunter auch das Stromabkommen. Mit der anschliessenden Vernehmlassung startet das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren einschliesslich eines möglichen Referendums. Es ist möglich, dass das Schweizer Stimmvolk über die einzelnen Bundesbeschlüsse abstimmen wird. Gemäss Medienmitteilung des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) wird der Bundesrat bei der Eröffnung der Vernehmlassung einen definitiven Entscheid zur Struktur des Pakets und zur Art des Referendums fällen. Parallel zu diesem ganzen Prozess muss das Abkommen auch in der EU ratifiziert werden. 

Nachfolgend eine Analyse des ausverhandelten Stromabkommens auf der Grundlage des vom Bundesrat am 20. Dezember veröffentlichten, 2-seitigen Faktenblatts «Strom». Der Wortlaut des Abkommens ist noch nicht bekannt. Gemäss Bundesrat wurden die Verhandlungsziele der Schweiz erreicht.

EU-Strombinnenmarkt: Gleichberechtigter Zugang der Schweizer Energiewirtschaft zum EU-Binnenmarkt

Das Abkommen soll Schweizer Energieunternehmen den diskriminierungsfreien Zugang zum EU-Strombinnenmarkt sichern: Diese erhalten gleichberechtigten Marktzugang, z.B. zu wichtigen Handelsplattformen, was sowohl dem Stromhandel, der Netzstabilität als auch der Versorgungssicherheit zugutekommt. 

Swissgrid: Vollständige Einbindung in den Europäischen Stromverbund

Swissgrid, die Betreiberin des Schweizer Übertragungsnetzes, soll in Zukunft gleichberechtigt in die Prozesse der Europäischen Union zur Sicherstellung der Netzstabilität eingebunden werden. Dies reduziert ungeplante Stromflüsse und verbessert die Integration der Schweizer Infrastruktur in das europäische Verbundsystem. Bereits jetzt, also noch vor Inkrafttreten des Stromabkommens, sollen Massnahmen zur besseren Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU ergriffen werden.

Vollständige Liberalisierung des Schweizer Strommarkts

Alle Schweizer Endverbraucher sollen künftig ihren Stromlieferanten frei wählen können. Gemäss Verhandlungsergebnis haben Haushalte und kleinere Unternehmen jedoch weiterhin die Option, in der Grundversorgung mit regulierten Preisen zu bleiben. Diese Reform schafft mehr Wahlfreiheit für Konsumenten, ohne den Verbraucherschutz zu schwächen.

Langfristverträge (LTCs) und Grenzpriorisierung Frankreich-Schweiz

Für die von der Europäischen Kommission geforderte Abschaffung des privilegierten Zugangs der Schweiz zur Grenzkapazität Frankreich-Schweiz – für die langfristigen Stromlieferverträge zwischen Schweizer Energieunternehmen und dem französischen Energieunternehmen EDF – wurde eine siebenjährige Übergangsfrist vereinbart. Dies geht einher mit einer finanziellen Entschädigung für die betroffenen Schweizer Vertragspartner.

Schweizer Wasserkraft

Laut Faktenblatt des Bundesrats soll das Stromabkommen weder Vorgaben zur Höhe der Wasserzinsen noch zur Art und Weise der Vergabe von Konzessionen zum Betrieb der Wasserkraft enthalten. Die Investitionsbeiträge für Wasserkraftwerke werden abgesichert, was Investitionen in diese wichtige Energiequelle fördert. 

Versorgungssicherheit

Mit einem Stromabkommen dürfen EU-Mitgliedsstaaten gemäss Faktenblatt “Strom” auch im Falle einer Energiekrise die Grenzkapazitäten zur Schweiz nicht einschränken. Damit würden mögliche Unsicherheiten mit der Anwendung der sogenannten 70%-Klausel der EU beseitigt. (Gemäss der 70%-Klausel müssen 70% der Grenzkapazitäten dem Handel zur Verfügung gestellt werden. Ohne Stromabkommen könnte es zu einer Optimierung der intra-EU-Grenzkapazitäten zu Lasten der Grenzkapazitäten mit der Schweiz kommen.) 

Der Bau von Reservekraftwerken in der Schweiz soll weiterhin möglich bleiben. Eine in den Verhandlungen vereinbarte Übergangsfrist von sechs Jahren ermöglicht es der Schweiz, bestehende, nicht mit dem Stromabkommen kompatible Reserven schrittweise dem Regelwerk der EU anzupassen, ohne ihre Versorgungssicherheit zu gefährden.

Ausbau der erneuerbaren Energien

Das Verhandlungsresultat enthält gemäss Faktenblatt ein ehrgeiziges, aber unverbindliches Ziel für den Ausbau erneuerbarer Energien in der Schweiz. Ausserdem konnten die wichtigsten Schweizer Fördermassnahmen für erneuerbare Energien abgesichert werden.

Umweltrecht

Gemäss Faktenblatt muss die Schweiz kein EU-Umweltrecht übernehmen, sofern im Strombereich ein vergleichbares Schutzniveau gewährleistet ist. Strengere Regeln in der Schweiz – ein sogenannter ‚Swiss Finish‘ – bleiben weiterhin möglich.

Kantonale Kompetenzen

Das Abkommen soll die kantonalen Kompetenzen bei Themen wie Stromverbrauch oder Energieeffizienzmassnahmen nicht tangieren. Damit bliebe der Spielraum der Kantone in der Energiepolitik gewahrt.

Europäische Wasserstoffwirtschaft und erneuerbare Gase

Das Verhandlungsergebnis enthält Stand jetzt die Option zu einer vertieften Zusammenarbeit in den Bereichen Wasserstoffwirtschaft und erneuerbare Gase. 

 

Fazit

Das Stromabkommen Schweiz-EU, sofern ratifiziert und umgesetzt, würde einen Meilenstein in der bilateralen Energie-Zusammenarbeit darstellen. Es würde die Integration der Schweiz in den EU-Strombinnenmarkt sichern und gleichzeitig die Basis für eine sichere Energieversorgung schaffen. 

Im Hinblick auf die formelle Paraphierung im Frühjahr 2025 und das danach anstehende Gesetzgebungsverfahren sind umfangreiche Arbeiten der Bundesverwaltung erforderlich, bevor 2026 das Schweizer Parlament zum Zug kommt. Die Art der Umsetzung und das tatsächliche Inkrafttreten stehen unter dem Vorbehalt des erfolgreichen Abschlusses des Gesetzgebungsverfahrens. Ausserdem kann gegen das Gesamtpaket und möglicherweise auch gegen das Stromabkommen selbst, das Referendum ergriffen werden, was eine Abstimmung auf Bundesebene nach sich ziehen würde.

Axpo steht Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit mit ihrem energiewirtschaftlichen Knowhow und ihrer Erfahrung im Schweizer Strommarkt und in den liberalisierten Märkten der EU als Ansprechpartnerin zur Verfügung. 

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