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19.12.2023 | Überwachung der EU-Energiegrosshandelsmärkte

EU-Parlament und Rat einigen sich in Sachen Transparenz des Energiemarktes

Eberhard Röhm-Malcotti

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Am 17. November 2023 haben das Europäische Parlament und der Rat im Rahmen der Trilog-Verhandlungen eine politische Einigung erzielt. Konkret geht es um die laufende Reform der Verordnung über die Integrität und Transparenz des Energiemarktes (REMIT) und über die Verordnung zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER). 

Die Einigung umfasst Änderungen zur Verbesserung der Transparenz und der Über-wachung der Energiegrosshandelsmärkte gemäss REMIT sowie eine wirksamere Überwachung des grenzüberschreitenden Energiegrosshandels. 

Hintergrund

Am 14. März 2023 hatte die Europäische Kommission Vorschläge zur Aktualisierung der seit 2012 geltenden REMIT vorgelegt, um sie an neue Entwicklungen im Grosshan-del, wie den algorithmischen Handel, anzupassen. Der Vorschlag zur Überarbeitung von REMIT erhielt weiteren politischen Auftrieb aufgrund der hohen und volatilen Energiepreise, die die europäischen Haushalte und industriellen Verbraucher seit Sommer 2021 belasten. Zudem gingen viele Abgeordnete des Europäischen Parla-ments davon aus, dass der Energiegrosshandel für die steigenden und volatilen Ener-giepreise verantwortlich sei, wobei sie die Begriffe «Hedging», «Spekulation» und «Marktmissbrauch» oft synonym verwenden. 

Die Überarbeitung der ACER-Verordnung, die Teil desselben Kommissionsvorschlags wie die Überarbeitung von REMIT ist, wurde durch angebliche Lücken bei der Überwachung des grenzüberschreitenden Energiegrosshandels ausgelöst. Ein im Januar 2023 veröffentlichter Bericht des Europäischen Rechnungshofs (ECA) kam zum Schluss, dass die Integration des EU-Energiebinnenmarkts nur langsam vorankommt, was unter anderem auf eine «komplexe rechtliche Architektur und Schwächen im Governance-Rahmen der EU» zurückzuführen sei. Insbesondere kritisierte der Europäischen Rechnungshof, dass ACER nicht befugt sei, eine konsequente Durchsetzung der Vorschriften auf nationaler Ebene zu gewährleisten, und nur in eingeschränktem Masse die Marktüberwachung sicherstellen könne, was zu einer begrenzten Zahl von Sanktionen führe. Infolgedessen empfahl der Bericht der Europäischen Kommission, ACER und deren Überwachungstätigkeit zu stärken.

Die Reform von REMIT und der ACER-Verordnung wurde am selben Tag veröffentlicht wie die Vorschläge für eine Reform des EU-Strommarktdesigns. Zwar handelt es sich um zwei getrennte Gesetzgebungsprozesse der EU, beide haben aber zum Ziel, euro-päische Energieverbraucher vor volatilen und hohen Energiepreisen zu schützen. Zur Reform des EU-Strommarktdesigns konnten Europäisches Parlament und Rat in den frühen Morgenstunden des 14. Dezember 2023 eine Einigung im Rahmen der Trilog-Verhandlungen erzielen.

Niederlassungspflicht für Nicht-EU-Marktteilnehmer

Nach dem derzeitigen Wortlaut der REMIT müssen sich Nicht-EU-Marktteilnehmer le-diglich bei einer nationalen Regulierungsbehörde in einem EU-Mitgliedstaat, in dem sie tätig sind, registrieren lassen. In ihrem Vorschlag vom 14. März 2023 hatte die Europäische Kommission erstmalig eine Büro-Pflicht (englisch: «office») für Nicht-EU-Marktteilnehmer vorgeschlagen. Das Europäische Parlament verabschiedete einen Änderungsantrag, wonach Nicht-EU-Marktteilnehmer eine Niederlassung in einem EU-Mitgliedstaat eröffnen müssen, in der sie ihr Kerngeschäft ausüben. Dies würde im Extremfall bedeuten, dass der Handelsraum einschliesslich zugehöriger Überwachung in die EU verlegt werden müsste. Im Ergebnis könnten sich Marktteilnehmer aus dem EU-Energiebinnenmarkt zurückziehen oder auf einen Markteintritt verzichten, wodurch die Liquidität der Energiegrosshandelsmärkte beeinträchtigt und die Versorgungssicherheit gefährdet würde, beispielsweise wenn LNG-Importeure aus Nicht-EU-Ländern darauf verzichten sollten, an der niederländischen Gashandelsplattform TTF aktiv zu werden. 

Erfreulicherweise konnte sich im Rahmen der Trilog-Verhandlungen der Vorschlag des Rates durchsetzen, wonach Nicht-EU-Marktteilnehmer lediglich einen gesetzlichen Vertreter in einem EU-Mitgliedstaat benennen müssen, der dann die Anfragen von ACER und/oder nationalen Regulierungsbehörden abarbeitet. Die genauen Einzelheiten müssen noch im Rahmen von Durchführungsrechtsakten geregelt werden.

Die mögliche Pflicht, einen Handelsraum in der EU eröffnen zu müssen, veranlasste den US-Senats, sich mit einem fraktionsübergreifenden Brief an den EU-Gesetzgeber zu wenden, in dem vor den negativen Auswirkungen auf die Liquidität und die Energiepreise gewarnt wird; zudem verweisen die US-Senatoren Boozman (R) und Stabenow (D) darauf, dass das Vorhaben die Ergebnisse der guten regulatorische Zu-sammenarbeit der USA und der EU in Bezug auf die Finanzmarktregulierung unterminiere.

Erweiterter Zuständigkeitsbereich und Kompetenzen für ACER

Die Entscheidungsbefugnisse von ACER wurden erweitert auf Untersuchungen vor Ort, Informationsanfragen und die Genehmigung (und den Widerruf derselben) von Insider-Informationsplattformen (IIP) und registrierten Meldesysteme (RRM). ACER wird ermächtigt, regelmässige Geldbussen zu verhängen, um die Einhaltung von Entscheidungen im Zusammenhang mit Untersuchungen vor Ort und Informationsanfragen sicherzustellen; zugleich verbliebt die Befugnis, Geldbussen für Verstösse gegen REMIT zu verhängen bei den EU-Mitgliedsstaaten. 

Gemäss der politischen Einigung erhält ACER das Recht, grenzüberschreitende Fälle zu untersuchen und entsprechende Entscheidungen zu fällen; dies betrifft alle Fälle, an denen mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten beteiligt sind. Das Europäische Parlament und der Rat haben sich jedoch auch darauf geeinigt, dass die nationalen Regulierungsbehörden (NRB) gegen die Untersuchungsbefugnisse von ACER Einspruch erheben können, wenn sie eine Untersuchung zum gleichen Sachverhalt eingeleitet oder durchgeführt haben (Einspruchsfrist: drei Monate). Dies bedeutet bei grenzüberschreitenden Fällen, die z. B. Deutschland und Frankreich betreffen, dass die nationalen Regulierungsbehörden BNetzA (Deutschland) und CRE (Frankreich) für die Untersuchung und Bestrafung von REMIT-Verstössen in Bezug auf deutsche und französische Marktteilnehmer primär zuständig bleiben. Es bleibt abzuwarten, ob eine vom Rat geforderte Sonderklausel Eingang in die politische Einigung gefunden hat, wonach bei gemein-samen Bilanzzone zweier Mitgliedsstaaten (z. B. Deutschland und Luxemburg) ACER grundsätzlich nicht zuständig ist. 

Im Hinblick auf Nicht-EU-Marktteilnehmer, z. B. aus der Schweiz, dem Vereinigten Königreich oder den USA muss noch auf der Grundlage des konsolidierten Wortlauts der politischen Einigung geprüft werden, ob die Teilnahme eines Nicht-EU-Marktteilnehmers an einem Grosshandelsmarkt in der EU per se die Zuständigkeit der ACER auslöst, und zwar ohne, dass der betroffene EU-Mitgliedstaat die Möglichkeit hätte, zu widersprechen.

Laufende technische Debatten

Zwar konnten im Rahmen der politischen Einigung die Regeln für Nicht-EU-Marktteilnehmer und die Zuständigkeiten von ACER geklärt werden; offen sind jedoch noch viele operative Fragen zur Umsetzung der REMIT-Reform. Diese sollen im Rah-men des noch laufenden technischen Trilogs geklärt werden. Zu den in diesem Zusammenhang vom Europäischen Verband der Energiehändler (EFET) vorgebrachten Forderungen gehören beispielsweise längere Umsetzungsfristen, angemessene Schwellenwerte für die Meldepflichten und Definitionen, die die Besonderheiten des Energiegrosshandels im Gegensatz zu den Finanzmärkten berücksichtigen. 

Das weitere Vorgehen

Sobald die technischen Triloge abgeschlossen sind und eine konsolidierte Fassung des Rechtstextes vorliegt, muss dieser vom Europäischen Parlament und vom Rat in einem förmlichen Verfahren angenommen werden. Nach Medienberichten besteht die Möglichkeit, dass das Europäische Parlament die politische Einigung nicht annimmt, da die spanische Ratspräsidentschaft die meisten Forderungen der EU-Mitgliedstaaten durchgesetzt hat, die jedoch auf Seiten der Delegation des Europäischen Parlaments nur von den Vertretern der EVP-, der EKR- und der S&D-Fraktion unterstützt wurden. 

Sollte die politische Einigung von beiden Kammern formell angenommen werden, wür-de sie am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft treten. Da ein Grossteil der Rechtsvorschriften jedoch erst nach der Verabschiedung wei-terer Durchführungsrechtsakte zur Anwendung kommen kann, käme es zu einer stu-fenweisen Anwendung von REMIT 2.0 und der überarbeiteten ACER-Verordnung.

Schweizer Energiehändler, die sowohl in der EU als auch in der Schweiz tätig sind, müssen sich sowohl mit den Folgen der REMIT-Reform und der revidierten ACER-Verordnung als auch den Folgen eines möglichen Bundesgesetzes über die Aufsicht und Transparenz in den Energiegrosshandelsmärkten (BATE) auseinandersetzen. BATE enthält Bestimmungen zur Transparenz von Handelsgeschäften, ein Verbot von Insi-derhandel und Marktmanipulation sowie Sanktionsmöglichkeiten für den Schweizer Energieregulator ElCom und Strafbestimmungen für Verstösse und setzt weite Teile der aktuellen REMIT in Schweizer Recht um. Das Schweizer Gesetzgebungsverfahren wurde im November 2023 eingeleitet; BATE könnte Anfang 2027 in Kraft treten.

Vorschlag der Kommission zur Überarbeitung der REMIT und der ACER-Verordnung (14. März 2023)

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52023PC0147

Allgemeine Ausrichtung des Rats (22. Juni 2023)

https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-10872-2023-INIT/en/pdf

European Court of Auditors Special Report 03/2023: Internal electricity market integration: “Internal electricity market integration Complex legal architecture, delays, weaknesses in governance and incomplete market surveillance hamper full achievement of the ambitious objective”

https://www.eca.europa.eu/en/publications?did=63214

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