02.09.2020 | Solarfassaden haben auch in der Schweiz Potenzial
Nicht nur auf Schweizer Dächern gibt es Potenzial für den Zubau von erneuerbarer Energie. Auch Hausfassaden lassen sich in ein Solarkraftwerk verwandeln. Rund 17 TWh Strom, so eine Schätzung des Bundes, liessen sich so gewinnen. Speziell im Winter liefert die Solaranlage an der Hausfassade wegen des tieferen Sonnenstandes mehr Strom. Also genau dann, wenn der Verbrauch in der Schweiz am höchsten ist.
Wie ersetzen wir in der Schweiz den Strom, welche die Kernkraftwerke heute zuverlässig und fast CO2-frei produzieren, wenn die AKW in der Schweiz nach und nach vom Netz gehen?
Photovoltaik – heisst das Zauberwort der Stunde. Solarenergie ist nicht nur erneuerbar und wird in der Gesamtbetrachtung immer kostengünstiger. Es gibt in der Schweiz auch ein grosses Potenzial, um Solarenergie zu produzieren, nämlich auf rund 9,6 Millionen Gebäuden. Mehr als die Hälfte ihrer Dächer sind gemäss einer neuen Studie der ETH Lausanne geeignet für Solaranlagen. Damit könnten rund 24 Terrawattstunden (TWh) Solarstrom produziert werden, zehnmal mehr als heute. Diese Menge entspricht rund 40 Prozent des aktuellen, jährlichen Stromverbrauchs in der Schweiz. Und eine Studie des Bundesamtesfür Energie (BFE) rechnet gar mit bis zu 50 TWh Strom, die dereinst auf Schweizer Dächern mit Solarzellen erzeugt werden könnten.
9,6 Millionen Gebäude gibt es in der Schweiz. Auch deren Fassaden könnten für die Erzeugung von Solarenergie genutzt werden – möglich wäre laut BFE-Studie eine Produktion von bis zu 17 TWh Strom.
Der am deutlichsten sichtbare Unterschied zur Dachsolaranlage ist bei Anlagen an der Fassade der Neigungswinkel, denn die PV-Module werden senkrecht am Gebäude angebracht. Der Ertrag einer Solarfassade beträgt etwa zwei Drittel im Vergleich zu einer klassischen, schräg angebrachten Aufdach- oder Indach-PV-Anlage bei optimaler Dachausrichtung. Wichtig ist zudem, dass sich die Anlage nicht im Schattenbereich, z. B. eines umstehenden Gebäudes, befindet – und dass die stromproduzierenden Module gut hinterlüftet sind, damit sie sich nicht zu stark erhitzen. Denn: Bei zu grosser Hitze reduziert sich der Wirkungsgrad von Solaranlagen.
Dafür gibt es verschiedene Vorteile von Solarfassaden gegenüber Dachanlagen Für einen optimalen Ertrag einer Solarfassade muss die Gebäudewand beispielsweise nicht exakt nach Süden ausgerichtet sein. Im Gegenteil: Weil der Sonnenstand morgens und abends tiefer ist, sind bei einer Abweichung von 30 Grad nach Osten oder Westen sogar höhere Erträge als bei einer Südausrichtung zu erwarten.
Zudem ist der Stromertrag übers ganze Jahr und über den Tag ausgeglichener, Schnee kann nicht an den Modulen haften und Regen perlt ab. Durch die tieferstehende Sonne werden Solarfassaden zudem im Winterhalbjahr besser beschienen als Dachanlagen und der Ertrag ist deshalb im Winter höher – also genau in jener Jahreszeit, in der auch der Stromverbrauch in der Schweiz am höchsten ist und Strom aus Kern- oder Kohlekraftwerken aus dem Ausland importiert wird.
PV-Anlagen an Fassaden können deshalb gut in höheren Lagen eingesetzt werden, sagt Jürg Rohrer, Professor und Leiter der Forschungsgruppe Erneuerbare Energien der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW): «Dank dem flachen Sonnenstand und dem Albedo-Effekt (Sonnenlicht wird von der Schneedecke reflektiert, das führt zu höheren Erträgen; Anm. der Red.) machen in den Bergen Solarmodule an Hausfassaden Sinn.»
Negativ ins Gewicht fallen die höheren Anschaffungskosten – denn es braucht mehr Solarmodule für denselben Ertrag. Zudem ist die Montage im Vergleich zu Dachanlagen teurer. Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt folgendes Rechenbeispiel auf energieheld.ch: Für eine Solarfassade mit einem Jahresertrag von rund 9000 kWh benötigen man eine Dach-PV-Anlage mit 10 kWp Spitzenleistung, die aus 60 m² Modulfläche generiert wird.
Weil der Ertrag pro Quadratmeter Modulfläche bei der Solarfassade jedoch geringer ist (70 % - aufgrund des Einstrahlwinkels), werden dort für denselben Ertrag knapp 86 m² Fassadenfläche benötigt, woraus wiederum eine Spitzenleistung von 14 kWp resultiert.
Für eine solche Anlage können Sie letztlich (nach Abzug von Fördermitteln) mit einer Gesamtinvestition von CHF 30'490 rechnen. Das entspricht Mehrkosten in Höhe von gut 50 % im Vergleich zur Dach-Anlage (CHF 20'200).
Allerdings muss man berücksichtigen, dass auch herkömmliche Fassaden bei Häusern etwas kosten. Die Rentabilität von Solarfassaden steigt. «Die Investitionskosten für eine vorgehängte Solarfassade sind sicherlich höher als für eine vorgehängte Glasfassade. Doch sie liefert Strom und hat so einen Return on Investment. Der Mehrpreis lässt sich also amortisieren. Insofern sind diese Fassaden schon heute wirtschaftlich», kommentiert Hartmut Nussbaumer, Forschungsgruppenleiter für PV-Module an der ZHAW gegenüber «solarspar.ch».
Bei Fassaden von Häusern spielt natürlich auch die Ästhetik eine wichtige Rolle. Mittlerweile gibt es insbesondere im Bereich von Glasfassaden eine zunehmende Bandbreite von Farben und Formaten. Und die Entwicklung gehe laufend weiter, sagt Karl Viridén, dipl. Architekt FH gegenüber dem CKW-Blog: «Künftig wird gar kein Unterschied mehr erkennbar sein zwischen einer herkömmlichen Fassade und einer, die Strom produziert. Diese kann wie Glas aussehen, wie Eternit oder wie auch immer».
Selbst bei einem Chalet in den Bergen lasse sich die Solarfassade ins Ortsbild integrieren: «Es gibt bereits aktive Glasmodule, die wie eine Holzfassade wirke», erklärt Viridén. Das zeigt, wie vielfältig Solarfassaden heute bereits einsetzbar sind.
Mehr Informationen zum Potenzial von Fassaden in der Schweiz findet man beim Bundesamt für Energie unter www.sonnenfassade.ch