08.04.2021 | Solarenergie im Verkehrsbereich – Forschung und Pilotprojekte
Solarenergie gilt als die Zukunftsenergie – auch in der Schweiz. Dabei wird vor allem an die Nutzung der Hausdächer gedacht. Aber auch im Verkehrsbereich bestehen Möglichkeiten, etwa an Lärmschutzwänden oder auf Parkplätzen, wie dies die Axpo in Frankreich bereits erfolgreich umsetzt. Forschungs- und Pilotprojekte gibt es zudem im Bereich von Strassen und Autobahnen. Innovationen mit Potenzial?
In der Schweiz sollen bis 2050 laut Vorstellungen des Bundesrats keine Treibhausgase mehr ausgestossen werden. Auf dem Weg zu «Netto-Null» kommt dem Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere von Solarenergie eine grosse Bedeutung zu. Konkret rechnet das Bundesamt für Energie (BFE) in ihren Energieperspektiven 2050+ (Szenario ZERO Basis) mit einer installierten Leistung von 37.5 Gigawatt (GW) Photovoltaik im Jahr 2050, was einer Steigerung um den Faktor 13 gegenüber heute entspricht. Solarkraftwerke würden dann jährlich rund 34 Terrawattstunden (TWh) Strom liefern, rund 40 Prozent des gesamten Verbrauchs der Schweiz.
Gemäss diesem Szenario sollte die Schweiz ab 2025 pro Jahr Solarkraftwerke mit mehr als 1000 MW Leistung zusätzlich installieren. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es neben dem Ausbau von Dachflächen auch grosse PV-Anlagen. Für deren Bau gilt es aber dringend Anreize mit neuen Förderinstrumenten für Solaranlagen ohne Eigenverbrauch zu schaffen, sonst lässt sich das ehrgeizige Ziel nicht erreichen.
Rund 9,6 Millionen Gebäude gibt es in der Schweiz. Mehr als die Hälfte ihrer Dächer sind gemäss einer neuen Studie der ETH Lausanne geeignet für Solaranlagen. Damit könnten rund 24 Terrawattstunden (TWh) Solarstrom produziert werden, zehnmal mehr als heute.
Auch das Bundesamt für Energie (BFE) hat in zwei Studien das Solarpotenzial auf Schweizer Dächern und an Schweizer Hausfassaden geschätzt. Es kam dabei zu deutlich höheren Werten. Insgesamt beziffert das BFE das Solarpotenzial von Hausdächern auf 50 TWh, jenes von Fassaden auf zusätzlich 17 TWh.
Auch auf Verkehrsflächen gäbe es Möglichkeiten für einen Ausbau von Solarenegie. So schätzt das renommierte Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme das technische Potenzial von PV in Kombination mit den Strassenverkehrsflächen (Strassen und Lärmschutzwände) in Deutschland auf 58 GW ein. Das Strassennetz in Deutschland misst aktuell rund 830'000 Kilometer – im Vergleich dazu beträgt jenes in der Schweiz 83'724 Kilometer, also 10mal weniger. Entsprechend reduziert sich aus das Solarpotenzial auf Verkehrsflächen hierzulande.
Bereits recht häufig ist im Bereich Verkehrsflächen der Bau von Solaranlagen über Parkplätzen. Aktiv ist in diesem Bereich die Axpo Tochtergesellschaft Urbasolar. Sie überdacht in Frankreich Parkplätze vor Einkaufszentren, Spitälern, Industriebauten oder Sportanlagen mit Solaranlagen und produziert so Strom. Etwa für den französischen Detailhändler Carrefour oder für das Disneyland in Paris.
PV-Anlagen gibt es zudem im Bereich von Lärmschutzwänden, sie werden in der Schweiz aber noch nicht grossflächig eingesetzt. Auch Strassenflächen könnten dereinst als smarte Solarkraftwerke genutzt werden. So werden seit einigen Jahren in den USA, China, Frankreich, den Niederlanden oder in Deutschland entsprechende Forschungs- und Pilotprojekte durchgeführt (siehe auch Box unten).
Und in Österreich tüftelt das «Austrian Institute of Technology» an einer mit Solarpanels überdachten Autobahn. Das von Deutschland, Österreich und der Schweiz (Bundesamt für Strassen) unterstützte Projekt kostet 2,4 Mio. Euro. Primär geht es dabei darum, die Integration von Solaranlagen im Strassenraum einem Praxistest zu unterziehen.
Doch rechnen sich Doppelnutzungen von Verkehrsflächen überhaupt? Und sind die Strassenflächen auch stabil genug für einen grossflächigen Einsatz und die Belastung durch den Schwerverkehr? Und wie steht es mit der Effizienz der Solarmodule?
Erste Test in den Niederlanden zeigten, dass Solarmodule auf Strassen im Vergleich mit Dachanlagen nur gerade eine Stromproduktion von 30 Prozent erreichten. Und auch das Projekt Wattway in Nordfrankreich lieferte maximal die Hälfte der versprochenen Stromproduktion. Die Module nutzten sich im täglichen Gebrauch zudem stark ab, was zu weiteren massiven Produktionsverlusten führte. Technisch entwickeln die Forschenden ihre Produkte aber ständig weiter und der mögliche Solarertrag steigt.
Klar ist: Die Überdachung von Strassen und der Einbau von Solarstrassenbelägen ist aufwändig und teuer. Trotzdem sind die Anhänger von Solarstrassen überzeugt von ihrer Idee, weil dafür Flächen genutzt werden, die ohnehin schon verbaut sind. Und weil die Preise für Solarmodule künftig weiter sinken werden, mag vielleicht auch die Strasse 4.0 dereinst einen Teil zu einer klimafreundlichen Energieproduktion beitragen.
Das Berliner Startup-Unternehmen Solmove baut einen smarten Straßenbelag mit Solarzellen. Die Technologie die dabei zum Einsatz kommt, beruht auf bewährter Photovoltaik, die mit einer innovativen, stabilen Glasoberfläche kombiniert auf horizontalen Flächen verklebt werden kann. Die Module sind nach Angaben des Unternehmens robust und langlebig. Das Profil der Glasoberfläche lasse Regenwaser gut abfliessen, die Strasse ist im Praxistest rutschfest. Mit einem Quadratmeter Solarstrasse lasse sich 100 Watt elektrische Energie erzeugen – entsprechend liesse sich mit einer Fläche von rund 40 Quadratmetern ein 4-köpfiger Durchschnittshaushalt mit Strom für ein Jahr versorgen.
Solmove betreibt auf einem ehemaligen Zechengelände im Ruhrgebiet eine neue Pilot-Solarstrasse. Die Anlage ist 15 Meter lang und weist eine Fläche von 40 Quadratmetern auf. Sie wurde gegenüber dem ersten Pilotprojekt der Firma, einem 80 Meter langen Radweg in Erfstadt in wesentlichen Aspekten überarbeitet. Beim Projekt dort war es zu technischen Problemen gekommen. Mehr Details dazu gibt es in diesem Video des deutschen Energieversorgers E.on: