23.05.2019 | Vom Nutzen einer sicheren, heimischen Stromversorgung
Die Stromversorgung in der Schweiz ist fast C02-frei und sicher. Wird sie das auch in Zukunft sein? Dies wurde an der Jahresversammlung des Nuklearforums im Trafo in Baden kontrovers diskutiert. Dabei ging es auch um die Frage, wie wichtig, Kernenergie als Brückentechnologie für die Umsetzung der Energiestrategie 2050 ist.
An der Jahresversammlung 2019 des Nuklearforums nahmen rund 170 Personen teil. Dabei wurden aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des Kernkraftwerks Beznau die Leistungen der Kernenergie für Wirtschaft und Gesellschaft gewürdigt. Im Dezember 1969 wurde der erste Block des KKB nach einer Bauzeit von nur vier Jahren kommerziell in Betrieb genommen. Rund 70 Prozent der Arbeiten und Lieferungen waren damals an Schweizer Unternehmen vergeben worden. Treibende Faktoren für den Einstieg in die Kernenergie war ein absehbares heimisches Produktionsmanko und Pläne für den Bau von Ölkraftwerken. Diese erzeugten eine breite politische Debatte, welche mit Blick auf die ökologischen einen breiten Konsens für die Nutzung der Kernenergie in der Schweiz schufen.
Das 50 Jahr-Jubiläum fällt heute allerdings in eine komplett andere Zeit und ist von komplett anderen Rahmenbedingungen begleitet: Mit dem Ja zur Energiestrategie 2050 des Bundesrates hat die Schweizer Bevölkerung den Atomausstieg besiegelt und setzt auf den Ausbau der neuen erneuerbaren Energien. Klimapolitische Bedenken gegen den Bau von Gaskraftwerken und zunehmend unsichere Importmöglichkeiten aufgrund der absehbaren Verknappung von Strom im nahen Ausland stellen die bisherige Verlässlichkeit der Stromversorgung der Schweiz allerdings künftig in Frage. Entsprechend kontrovers fielen die im Rahmen der gestrigen Veranstaltung vertretenen Positionen aus.
In seiner Grussbotschaft hob Hans-Ulrich Bigler, Präsident des Nuklearforums und Nationalrat FDP, die Güte des fast CO2-freien Schweizer Strommixes der letzten 50 Jahre hervor und verwies auf die auch in den Medien mit zunehmender Insistenz geführte Diskussion, dass die Versorgungssicherheit der Zukunft zunehmend in Frage gestellt würde. Es sei mehr als zweifelhaft, dass der fehlende Strom aus dem nahen Ausland importiert werden könne, meinte er mit Bezug auf Studien aus Deutschland, welche im süddeutschen Raum bereits ab 2023 einen Energiemangel voraussagen.
Kein Versorgungsproblem bis 2035 ortete dagegen der Direktor des Bundesamtes für Energie, Benoît Revaz. Die Umsetzung der Energiestrategie des Bundes sei auf Kurs und die erneuerbaren Energien würden künftig an die Stelle der Kernenergie treten. Die Schweiz habe kein Leistungsproblem, auch wenn die Kernkraftwerke abgeschaltet sein werden. Dank eines ständigen Monitorings könne die Schweiz allfälligen Versorgungsschwierigkeiten frühzeitig entgegentreten. Entscheidend sei die Einbindung der Schweiz in Europa.
Walter Nef, der vormalige Kernkraftwerksleiter des Kernkraftwerks Beznaus würdigte die bisherigen Leistungen der Kernenergie für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt. Die 50 Jahre Strom aus Kernenergie seien einen Schweizer Erfolgsgeschichte, welche eine der Grundlagen des schweizerischen Wohlstandes darstellten. Aufgrund der Tatsache, dass die neuen erneuerbaren Energien namentlich im Winter kaum einen Beitrag zur Versorgungssicherheit beitrügen, sei er überzeugt davon, dass die Kernenergie auch in Zukunft eine wichtige Rolle für die Versorgung spielen müsse.
In der anschliessenden Podiumsdiskussion – gekonnt von SRF-Journalistin und Talk-Gastgeberin Sonja Hasler geleitet – wurden diese unterschiedlichen Positionen vertieft. Mike Dost, der heutige Leiter des Kernkraftwerks Beznau hob hervor, dass die Anlage dank ständigen Nachrüstungen und Erneuerungsinvestitionen den heutigen Sicherheitsanforderungen vollumfänglich entspreche. Die hohe Verfügbarkeit zeige in welchem guten Zustand die Anlage immer noch sei. Die anhaltende Kampagne gegen das Werk bezeichnete er als politisch motiviert und nicht zutreffend.
Hansjörg Knecht, Nationalrat SVP, Mitinhaber und Geschäftsführer Knecht Mühle AG, hielt fest, dass man die Versorgungssicherheit nicht aufs Spiel setzen sollte. Er wies auf die aktuelle Bedeutung des Stroms aus Kernkraft hin und forderte, die bestehenden Kernkraftwerken dürften nicht unnötigen regulatorischen und finanziellen Mehrbelastungen ausgesetzt werden. Strom sei eine wichtige Infrastrukturleistung und alle Optionen müssten offen gehalten werden. Deshalb sei auch die Forschung im Bereich der Kernenergie wichtig.
Dem pflichtete auch Frank R. Ruepp, Präsident Interessengemeinschaft Energieintensiver Branchen IGEB, bei. Eine hohe Versorgungssicherheit und eine preislich erschwingliche Stromproduktion sei Grundlage des erfolgreichen Bestehens im Standort- und Wirtschaftswettbewerbs.
Benoît Revaz und Eric Nussbaumer, Nationalrat SP, Verwaltungsratspräsident ADEV Energiegenossenschaft, verteidigten die Energiestrategie 2050. Der Ausbau der neuen erneuerbaren Energien dürfe nicht behindert werden, dann komme es gut. «Das ist eine Frage des politischen Willens», erklärte Nussbaumer dazu.
Dr. Christian Schaffner, Executive Director Energy Science Center der ETH Zürich pries seinerseits die Innovationsfähigkeit der Schweiz. Die Versorgungssicherheit werde letztlich durch die internationale Zusammenarbeit garantiert. Hans-Ueli Bigler zeigte sich am Schluss der Veranstaltung erfreut über die kontrovers und engagiert geführte Diskussion und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die sichere und heimische Stromversorgung weiterhin auch in Zukunft gewährleistet sei.
Mehr Infos gibt es hier: www.nuklearforum.ch