24.03.2021 | Studie analysiert die Preisbildung auf den Stromgrosshandelsmärkten
Eine in der neuesten Ausgabe des renommierten Journals «Economics of Energy and Environmental Policy» veröffentlichte Studie zeigt Erstaunliches über die Preisbildung auf den europäischen Stromgrosshandelsmärkten auf. Martin Everts, Head Strategy & Transformation Axpo und einer der Co-Autoren der Studie, erklärt die Ergebnisse gegenüber «energate»*.
Gemäss der Studie wird die Preissetzung auch in grossen Ländern teils stark vom Ausland beeinflusst. Paradebeispiel hierfür ist Deutschland. Es verfügt über einen vergleichsweise grossen Energiemarkt mit vielen Produktionstechnologien, sowohl am unteren als auch am oberen Ende der Merit-Order-Kurve. Trotzdem bestimmten deutsche Kraftwerke 2020 nur in 3.533 von 8.784 Stunden den Preis am deutschen Markt. In den anderen 5.251 Stunden befand sich das preissetzende Kraftwerk in Frankreich (808 Stunden), den Niederlanden (648 Stunden), Polen (526 Stunden) oder sonstwo in Europa (3.270 Stunden).
«Unsere Untersuchung zeigt hier die stark ausgeprägte Vernetztheit des deutschen Marktes», antwortet Martin Everts, Head Strategy & Transformation bei Axpo und einer der Autoren der Studie, auf die Frage, warum die Preissetzung auf dem deutschen Markt derart stark vom Ausland beeinflusst werde. Zudem gebe es auch in den Nachbarländern Deutschlands viele wettbewerbsfähige Produktionstechnologien. Everts stellt Deutschland in diesem Kontext Spanien gegenüber. Dieses verfügt mit Frankreich über ein grosses Nachbarland, aber nur eine vergleichsweise kleine Interkonnektoren-Kapazität. Für den spanischen Markt zeigt die Studie entsprechend auf, dass dort 2020 in 7.542 von 8.784 Stunden das preissetzende Kraftwerk ein inländisches war.
Generell zeigt die Studie in hohes Mass an Interkonnektivität zwischen den untersuchten Ländern beziehungsweise eine eng vernetzte europäische Energiewirtschaft auf. Grosse Länder haben dabei tendenziell einen starken Einfluss auf die Preissetzung in kleineren Nachbarländern, sofern grosse Interkonnektions-Kapazitäten vorhanden sind.
«Vereinfacht gesagt beeinflussen grosse Länder mit grossen und vielfältigen Kraftwerksparks wie zum Beispiel Deutschland, Frankreich, Norwegen oder Spanien jeweils ihre Region», so Everts. Umgekehrt gesehen wird die Preissetzung in kleineren Ländern mit der entsprechenden Vernetzung stark vom Ausland dominiert. Gemäss der Studie bestimmten 2020 beispielsweise in etwa 75 Prozent der Stunden (6.562 Stunden) ausländische Kraftwerke den Preis auf dem niederländischen Markt.
Eine Folge der starken Vernetzung ist, dass sich (nationale) politische Massnahmen grenzüberschreitend auswirken respektive die Preisbildung und damit auch das Preisniveau im Ausland beeinflussen können. «Insbesondere für kleinere und stark vernetzte Länder ist deswegen nicht nur die nationale Politik, sondern auch die Energiepolitik des Auslands von entscheidender Bedeutung», betont Everts. Ein gutes Beispiel hierfür sei die Schweiz, wie Everts im Gespräch mit energate bestätigt. Aber auch Deutschland sei durch die Energiepolitik Frankreichs, Polens und in einem geringeren Ausmass auch durch diejenige der Benelux-Staaten beeinflusst, so der Axpo-Mann mit Blick auf die Studienergebnisse.
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie ist es, dass Kohle- und Erdgaskraftwerke den Preis 2020 über alle Länder gesehen in 40 Prozent aller Stunden gesetzt haben. Dies sei weniger, als es die herkömmliche Meinung vermuten lasse, heisst es in der Studie. Oft preissetzend war demnach auch die Speicherwasserkraft. Sie setzte den Preis in 26 Prozent aller Stunden.
Die Autoren der Studie «Eyes on the Price: Which Power Generation Technologies Set the Market Price?» verwendeten in ihrer Arbeit ein fundamentales Strommarktmodell mit zusammenhängenden Gebotszonen, um die stündlichen Preissetzungsmechanismen für das Jahr 2020 zu bestimmen. Sie untersuchten 20 europäische Länder. Entsprechend zeigt die Arbeit für diese Länder auf Stundenbasis die Art (Technologie) sowie die Herkunft des preissetzenden, marginalen Kraftwerks auf.
*@energate.ch – Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Fachmagazins energate