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05.12.2024 | Stärkere Schwankungen im Netz

Preisanstiege im Regelenergiemarkt – Die Hintergründe

Der Bedarf an Regelenergie zur Sicherstellung der Systemstabilität hat sich in den letzten Jahren substanziell erhöht. Die starke Nachfrage der Swissgrid nach Regelenergie hat auch die Preise ansteigen lassen. Die Folge sind Diskussionen um die Einführung einer Preisgrenze im Regelenergiemarkt. Wie lassen sich dieser hohe Bedarf und die damit verbundenen Kostenanstiege erklären? Treiber hinter der Entwicklung sind die höheren Schwankungen im Stromnetz im Zusammenhang mit dem Ausbau der Solarenergie. Eine Einordnung.

Was ist Regelenergie?

Damit das Stromnetz stabil ist, müssen Stromproduktion und Stromverbrauch jederzeit übereinstimmen. Deshalb sind alle Lieferanten resp. ihre sogenannten Bilanzgruppen verpflichtet, ausreichend Strom einzukaufen oder zu produzieren, um den ihnen zugeordneten Verbrauch zu decken. Sie müssen «ausgeglichen» sein und das jeweils Viertelstunden-scharf. Weisen sie Unausgeglichenheiten auf, beispielsweise wegen Prognoseungenauigkeiten oder kurzfristigen Ausfällen, springt die Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid ein und schliesst die Lücke durch sogenannte Regelenergie. Swissgrid ruft dann flexible Kraftwerke ab, deren Energie sie über Auktionen einkauft. Die mit den Abrufen entstandenen Kosten werden den unausgeglichenen Bilanzgruppen auferlegt («Ausgleichsenergiekosten»).

Es gibt verschiedene Regelenergieprodukte. Eines der anspruchsvollsten ist die Sekundärregelenergie, bei dem die Anbieter ihre Produktion in 4-Sekunden Intervallen erhöhen oder drosseln.

Zubau Solarenergie als Kostentreiber

In den letzten Jahren haben die Schwankungen im System und das Ausmass der notwendigen Bereitstellung von Regelenergie durch Swissgrid stark zugenommen. Hintergrund ist der massive Zubau von Solaranlagen, deren Stromproduktion von der wechselnden Wetterlage abhängt. Am 22. April 2024 musste Swissgrid beispielsweise mit 1.4 GW, also mehr als die Leistung eines Schweizer Kernkraftwerks, eingreifen. Hintergrund waren starke Abweichungen der Solarproduktion von den Prognosen. Solch massive Korrekturen bedeuten eine sehr hohe Nachfrage von Swissgrid nach Regelenergie. Um die notwendige Regelenergie sicherzustellen ist Swissgrid nicht nur auf Wasserkraftwerke, sondern auch kleine über sogenannte Flexpools aggregierte Verbraucher und Produzenten angewiesen. Die von Swissgrid per Auktion kontrahierten Anbieter müssen sich für teils sehr unwahrscheinliche Abrufe bereithalten und verzichten dabei auf andere Marktopportunitäten. Zudem haben gewisse kleinere Anbieter, wie z.B. Verbraucher, bei einem Abruf oft auch sehr hohe Kosten. Wie bei jedem anderen Markt auch bildet sich eine steigende Angebotskurve. Die Folge: Je grösser die von Swissgrid nachgefragte Menge an Regelenergie, desto höher steigt auch der Preis. Gerade bei der Sekundärregelenergie, dem Regelenergieprodukt mit der höchsten Anforderung an die Flexibilität, zeigen sich die Preisanstiege am deutlichsten.

Unzureichende Prognosen und regulatorische Fehler

Die Schwankungen im System werden dadurch verstärkt, dass die Messdatenqualität der Verteilnetzbetreiber und die Prognosen der Bilanzgruppen teilweise sehr ungenau sind. Schlechte Prognosen führen zu starken Unausgeglichenheiten; die Bilanzgruppen haben dann zum Lieferzeitpunkt viel zu viel oder zu wenig Energie. Am besagten 22. April 2024 gab es übers Wochenende einen Wetterumsturz, doch verschiedene Bilanzgruppen aktualisierten ihre Prognosen aufgrund der arbeitsfreien Tage nicht. Die Folge war eine massive Abweichung im Gesamtsystem und hohe Abrufe von Regelenergie.

Diese hohen Unausgeglichenheiten bedeuten hohe Regelenergiekosten, welche die verursachenden Bilanzgruppen zahlen. Dies soll ihnen Anreize geben, entsprechende Gegenmassnahmen zu treffen. In diesem Zusammenhang gibt es zudem zwei regulatorische Aspekte, die nicht zielführend sind. Erstens haben Stromlieferanten ohne vollständige Marktöffnung weniger Kostendruck, Massnahmen für eine bessere Ausgeglichenheit der eigenen Bilanzgruppe zu treffen. Zweitens lassen sich die vielen kleinen Solaranlagen nicht ansteuern und haben durch fixe Rückliefervergütungen oder Fördersysteme keine Anreize, ihre Produktion im Sinne des Gesamtsystems zu drosseln.

Systemumstellung für bessere Marktsignale

Durch die hohen Kosten ist auch das Marktsystem für Regelenergie in Kritik geraten. Im Fokus steht dabei die Umstellung des Systems im Juni 2022 zur Angleichung an die EU-Regelenergieplattform «Picasso». Während vorher der Regelenergiepreis künstlich gedeckelt war (resp. an den kurzfristigen Grosshandelspreis gekoppelt), wird er seit der Systemumstellung neu über den Markt, d.h. die günstigsten Gebote in Auktionen, gebildet. Mit diesem marktnahen Ansatz soll sichergestellt werden, dass die richtigen Investitionsanreize ausgelöst werden. Die freie Preisbildung hat letztlich dazu geführt, dass kleine Anbieter in den Markt eingetreten sind und sich die Verbreitung von Batterien zur Systemstützung stark beschleunigt hat. Die Investitionssignale sind zentral, damit der Ausbau der Flexibilität mit dem schnellen Ausbau der Solarenergie schritthält.

Diskussionen um eine Preisgrenze

Vor dem Hintergrund der Preisanstiege hat der Regulator ElCom kürzlich Swissgrid und die Marktteilnehmer aufgefordert, durch Unterzeichnung einer Zusatzvereinbarung eine befristete Preisgrenze im Sekundärregelenergiemarkt einzuführen. Sie will damit die Kosten für die Bilanzgruppen temporär mindern, bis Lösungen umgesetzt werden. Weshalb die ElCom bei ihrer der Änderung zugrundeliegenden Analyse wichtige fundamentale Treiber wie die stärkere Nachfrage nach Regelenergie und die unzulänglichen Prognosen ausklammert, bleibt nicht nachvollziehbar.

Eine Preisgrenze ist Symptombekämpfung und wird die zugrundeliegenden Ursachen nicht angehen, sondern verschärfen. Die Anreize für Bilanzgruppen, ihre Prognosen zu verbessern, werden durch eine Preisgrenze vermindert. Zudem werden kleine Anbieter mit hohen Kosten aus dem Regelenergie-Markt gedrängt. Der kurzfristige Markteingriff wird zudem generell die Investitionsbereitschaft in flexible Anlagen reduzieren. Die Überschussnachfrage nach Regelenergie wird sich dadurch mittel- bis langfristig eher verschärfen.

Axpo hat von einer Preisgrenze abgeraten und warnt vor unvorhersehbaren Folgen. Trotzdem hat Axpo sich zur Unterzeichnung einer Zusatzvereinbarung, welche eine Preisgrenze für ein Jahr einführt, bereit erklärt. Damit leisten wir einen Betrag, die Kostenrisiken der Bilanzgruppen zu reduzieren und ihnen Zeit zu gewähren, Gegenmassnahmen wie Verbesserungen der Prognosen anzugehen.

Das Problem nachhaltig lösen

Für die zukünftige Systemstabilität und tiefere Kosten braucht es aber echte, nachhaltige Lösungen, insbesondere bessere Datenqualität und Prognosen sowie mehr Flexibilität im System. Flexibilität heisst dabei nicht nur mehr Angebot an Regelenergie, sondern auch mehr Anreize für Klein-Verbraucher und -produzenten, sich systemdienlich zu verhalten, um hohe Unausgeglichenheiten überhaupt erst zu verhindern. Hierzu müssen schnell Verbesserungen bei den Verteilnetzbetreibern und Bilanzgruppen, aber auch regulatorische Verbesserungen bezüglich Integration der Solarenergie angegangen werden. Denn: Der schnelle Ausbau der Solarenergie wird weiter voranschreiten und Swissgrid vor immer grössere Herausforderungen stellen.

Axpo investiert kontinuierlich in Verbesserung der eigenen Prognosen und wird ihr Knowhow im Zuge der laufenden Branchenarbeiten zu diesem Thema einbringen.

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