16.05.2024 | Monatliches Update europäische Energiemärkte, Mai 2024
Die europäischen Energiemärkte erlebten im April eine Achterbahnfahrt, hauptsächlich bedingt durch abrupte Wetterveränderungen. Für die Jahreszeit ungewöhnlich warmes Wetter in der ersten Monatshälfte belastete die ohnehin bereits schwache Energienachfrage. In Kombination mit der anhaltend hohen Erzeugung erneuerbarer Energien führte dies erstmalig zu negativen Stundenpreisen am spanischen Day-Ahead-Markt. Zum Monatsende verzeichnete der spanische Markt über 100 Fälle von negativen Stundenpreisen. Ähnliche Situationen gab es auch auf vielen anderen europäischen Märkten. Dieser Trend unterstreicht die anhaltende Erosion des Tageswerts, verursacht durch den Ausbau der Solarenergiekapazitäten. Eine Umkehr wird erst erfolgen, wenn flexiblere Batteriespeicher für die Nutzung profitabler Intraday-Preisschwankungen auf den Markt kommen. Bemerkenswert ist, dass Italien im vergangenen Jahr seinen höchsten Batterieeinsatz erzielte und seine Batteriekapazitäten nahezu verdoppelte; die meisten Anlagen waren dabei mit Solarenergieprojekten verknüpft.
Unterdessen musste sowohl die spanische als auch die französische Kernkraftflotte ihre Produktion in Zeiten geringer Restlast erheblich drosseln. Die Produktion der französischen Kernkraft wurde innerhalb von nur einem Tag um 17 GW heruntergefahren und ermöglichte so nicht nur Frankreich, sondern ganz Westeuropa Flexibilität. Solche flexiblen Anpassungen im Kernkraftbereich dürften häufiger und intensiver werden, da immer mehr intermittierende erneuerbare Energien in das Netz eingespeist werden. Trotz der Intraday-Anpassung von Nuklearreaktoren erfolgten in Zeiten negativer Stundenpreise erhebliche Abregelungen im Bereich der erneuerbaren Energien. Deutschland beispielsweise reduzierte 13 GW Windproduktion innerhalb einer einzigen Stunde, während Grossbritannien seine Windproduktion aus ökonomischen Gründen um 6 GW reduzierte und den negativsten Day-Ahead-Preis seit vergangenem Juli erzielte. Die Flexibilität in Zentraleuropa war zudem durch die grenzüberschreitenden Kapazitätsbeschränkungen an Frankreichs Ostgrenzen eingeschränkt. Diese galten seit Mitte März aus Gründen der Netzsicherheit und bedeuteten Aufwärtsrisiken für die Preisdifferenzen zwischen diesen Ländern. Zudem signalisierte der französische Netzbetreiber RTE potenzielle Sicherheitsprobleme zwischen August und Oktober, die das Aufwärtsrisiko für italienische Preise weiter erhöhen könnten.
In der zweiten Aprilhälfte führte eine Kältewelle zu einem Anstieg bei der Gas- und Stromnachfrage und zu ungewöhnlich späten Speicherentnahmen in ganz Europa. Diese Entnahmen waren auch aufgrund der reduzierten Versorgung erforderlich, bedingt durch Verluste russischer Lieferungen, die niederländische Produktion, den Beginn der norwegischen Frühjahrswartung und die LNG-Verknappung durch starke asiatische Nachfrage und fehlendes neues Angebotswachstum. Obwohl eine geringe LNG-Versorgung dank der hohen Vorräte kurzfristig kein Problem darstellt, kann die Gefahr bestehen, dass die Preise im Sommer zu schnell ansteigen. Dies könnte bei begrenzten Speichermöglichkeiten zu einem LNG-Überschuss in Europa führen und damit zu verschärften Preisabschlägen. Während die EUA-Preise einem ähnlichen Aufwärtstrend folgten wie die Gaspreise, wurde ihre Dynamik vor allem durch spekulative Short-Positionen getragen.
Im Mai, geprägt von zahlreichen Feiertagen in ganz Europa, erwarten wir nun eine stark ansteigende Solarproduktion, die mehr Niedrigpreisstunden ermöglichen dürfte. Allerdings zählen zu den Aufwärtsrisiken ein eventuell hoher Kühlbedarf, eine potenziell geringe Wasserkraftverfügbarkeit und höhere Flusstemperaturen, die Herausforderungen darstellen können, die über die Solarspitzenproduktion hinausgehen. Bemerkenswert ist, dass die italienische Aufsichtsbehörde, nachdem in den vergangenen Jahren vermehrt Kraftwerke aufgrund von fehlendem Kühlwasser abgeschalten werden mussten, kürzlich Änderungen des Kapazitätsmarkts genehmigte, und von Kraftwerken die Änderung ihrer Kühlsysteme zur Verringerung ihrer Wasserabhängigkeit fordert. Wir werden all die genannten Risiken weiterhin beobachten und die Auswirkungen der Konflikte in der Ukraine und im Mittleren Osten evaluieren, da sowohl die Marktpreise für Gas als auch für Strom und CO2-Zertifikaten von diesen Faktoren abhängen.
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