10.09.2021 | Strompreis in der Schweiz und in Europa steigt
An der Strombörse haben sich die Preise lange Zeit auf einem niedrigen Niveau bewegt. Seit Ende 2020 ziehen sie aber deutlich an. Betrachtet man beispielsweise die Preisentwicklung für das kommende Jahr, Frontyear Cal 22, so hat sich dieser Kurs in einem Jahr fast verdoppelt auf über 95 EUR/MWh. Neben extrem hohen Gaspreisen zieht auch die Preisentwicklung der CO2-Zertifikate die Strompreise aktuell mit nach oben. Wie der Strompreis entsteht erklärt hier Martin Koller, Head Energy Economics Axpo.
Grundsätzlich durch Angebot und Nachfrage auf den kurz- und langfristigen Strommärkten. Heute sind es vor allem Kraftwerke auf der Angebotsseite mit positiven variablen Kosten wie bspw. Gas- und Kohlekraftwerke, die den Preis setzen. Steigen die Kohle-, Gas- oder CO2-Preise, dann haben die preissetzenden Kraftwerke höhere variable Produktionskosten, womit auch die Strompreise steigen. Im Vergleich dazu haben Wind-, PV- und Wasserkraftwerke kaum und Kernkraftwerke sehr tiefe variable Kosten, was sie zu Preisnehmern macht.
In einer längerfristig dekarbonisierten Welt werden angebotsseitig vermehrt Kraftwerke mit synthetischen Treibstoffen oder mit CO2-Abscheidung sowie Speicher den Preis setzen. Die Nachfrageseite wird mit den Elektrolyseuren und Speichern an Preissetzungsmacht gewinnen. Fossil betriebene Kraftwerke ohne CO2-Abscheidung werden ihre Bedeutung verlieren. Selbstverständlich ist nicht auszuschliessen, dass längerfristig neue Technologien mit ganz anderen Kosteneigenschaften in den Markt drängen werden.
Der kurzfristige Strompreis entscheidet über den effektiven Einsatz der (Pump-)Speicherkraftwerke sowie der Gaskraftwerke, während der langfristige Strompreis für die Absicherung der langfristig erwarteten Produktion aus Kernenergie und Hydro wichtig ist.
Der Strompreis kann im Tages- und Wochenverlauf erheblich schwanken, und zwar sowohl aufgrund der Nachfrage als auch aufgrund der Produktionssituation bei den Erneuerbaren. Mit unserem flexiblen Kraftwerkspark profitiert Axpo von einer hohen Preisvariabilität. Die Power Purchase Agreements (PPA – mehr dazu hier) sind so ausgestaltet, dass die kurzfristigen Preisschwankungen aufgrund der Gleichzeitigkeit der Photovoltaik- oder Windproduktion – wir nennen dies Preiskannibalisierung – möglichst genau antizipiert werden. Dazu sind unter anderem detaillierte Kenntnisse zu allen Kraftwerken in Europa, des erwarteten Zubaus und der Nachfragesituation notwendig.
Neben den kurzfristigen Strompreisen kann auch der durchschnittliche Jahresstrompreis im Mehrjahresvergleich erheblich schwanken. Diese sind besonders kritisch für Stromproduzenten wie Axpo, weil sie das Geschäftsergebnis stark beeinflussen.
Wir verkaufen den Strom um bis zu zehn Jahre im Voraus, wobei der grösste Anteil zwei bis drei Jahre im Voraus verkauft wird. Damit eliminieren wir das Strompreisrisiko und reduzieren somit das Gesamtrisiko erheblich, weshalb wir auch von Absicherung sprechen. Grundsätzlich würden wir gerne eine grössere Menge Strom vier bis zehn Jahre im Voraus verkaufen, aber die Nachfrage nach so langfristigen Produkten zu für uns wirtschaftlichen Preisen ist zumindest momentan noch nicht sehr gross.
Zur Einordnung: Im Laufe der letzten zehn Jahre sind die langfristigen Strompreise zuerst um rund 50 EUR/MWh gesunken und dann wieder um rund mehr als 35 EUR/MWh gestiegen. Diese Jahre haben gezeigt, wie wichtig eine kluge langfristige Absicherungsstrategie ist, denn eine Veränderung des Strompreises um +/-1 EUR/MWh wirkt sich bei Axpo bei einer durchschnittlichen Produktionsmenge von 23 bis 25 TWh pro Jahr (exkl. Gaskraftwerke) mit rund 23 bis 25 Mio. EUR pro Jahr aus.
In den letzten Jahren wurde die Anzahl CO2-Zertifikate deutlich gesenkt und die Reduktionsziele ständig erhöht. Wir gehen langfristig von noch deutlich höheren Preisen aus. Das soll aber nicht bedeuten, dass der Preis zwischenzeitlich nicht nochmals für längere Zeit deutlich sinken könnte.
Der Strompreis steigt. Trotz höherem Strompreis verbessert ein höherer CO2-Preis indirekt auch die Bedingungen für grünen Wasserstoff, der ja aus Strom hergestellt wird. Dieser grüne Wasserstoff kann als Wasserstoff oder als anderes synthetisches Molekül ein Substitut für verschiedene fossile Energieträger darstellen oder in industriellen Prozessen eingesetzt werden. Ein hoher CO2-Preis ist eine der notwendigen Bedingungen, dass ein europaweiter, bzw. weltweiter Markt für grünen Wasserstoff überhaupt entstehen kann. Mit unserer neuen Strategie legt Axpo die Grundlage, um in einer Welt mit vielen Erneuerbaren und grünem Wasserstoff eine entscheidende Rolle spielen zu können.