26.06.2019 | Mike Dost, Leiter Kernkraftwerk Beznau, über das 50-jährige Bestehen des KKB
Das Kernkraftwerk Beznau wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Es wurde mit Investitionen von insgesamt mehr als 2,5 Mrd. Franken immer wieder auf den neusten Stand der Technik gebracht. Kraftwerksleiter Mike Dost über ein Stück Schweizer Geschichte, transparente Informationen und fake news sowie über die Pfeiler der Beznauer Kultur.
Das Kernkraftwerk Beznau wird 50 Jahre alt. Was für ein Gefühl haben Sie, wenn Sie durch die Anlage laufen?
Es ist wie in einem Stück Schweizer Geschichte mit einer Prise Schweizer Pioniergeist und einem guten Mass an Ingenieurskunst. Die Leute haben etwas Grossartiges gebaut, mit einer Qualität und Präzision von der wir heute noch profitieren. Ich fühle mich absolut privilegiert, durch diese Anlage laufen zu dürfen, immer wieder von Neuem zu erleben, wie genial unsere Vorfahren waren. Meine Überzeugung ist auch, dass wir die Pflicht haben, unsere Anlage weiterhin in tadellosem Zustand zu halten und sie dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend weiter zu entwickeln.
Sind Sie stolz?
Ja, das bin ich. Sehr sogar! Ich bin stolz auf unsere Crew. Und mit der Erfahrung von den doch einigen Kraftwerksanlagen, die ich in meinem Berufsleben kennenlernen konnte, kann ich sagen, dass unsere Crew die beste ist, mit der ich je zusammenarbeiten durfte. Ich bin stolz auf das, was wir heute vorzeigen dürfen, das Resultat von 50 Jahren Knowhow und damit von Generationen von Fachkräften vieler Berufsgattungen. Sie alle haben mit vollem Einsatz und Herzblut zur Anlage geschaut. Ich bin stolz darauf, dass wir dieses Werk weiterführen können, mit derselben Weitsicht, Ruhe und Professionalität, demselben Engagement und Teamspirit, die schon immer die Pfeiler der Beznauer Kultur waren.
«Moderner Journalismus lebt von Negativschlagzeilen; die Wahrheit, respektive die Fakten, sind leider in den Hintergrund gerückt.»
Sie und Ihre Mitarbeitenden sind mit der Kernenergie einem medialen Druck ausgesetzt. Wie gehen Sie persönlich und auch Ihre Mitarbeitenden mit dieser Situation um?
Heutzutage haben die meisten Journalisten keine differenzierten Vorstellungen von der Kernenergie. Begriffe und Berufsethos wie «Recherche, Ausgewogenheit und Fakten» sind meines Erachtens etwas in Vergessenheit geraten. Moderner Journalismus lebt von Negativschlagzeilen; die Wahrheit, respektive die Fakten, sind leider in den Hintergrund gerückt. Die Belegschaft im Werk ist sich sehr wohl bewusst, dass gerade die Kernenergie medial exponiert ist: Die Technik ist leicht zu verteufeln. Sie ist für Nichtexperten nicht ohne Weiteres verständlich und sie lässt sich sehr leicht ausgrenzen. Unsere Aufgabe muss es sein, transparent und verständlich zu informieren, ohne eine ausgeprägte Emotionalität zu entwickeln. So kann die Unbekannte «Kernenergie» als das wahrgenommen werden, als was sie ist und nicht als etwas Gefährliches und Unberechenbares.
50 Jahre ist eine lange Zeit. Da ist technologisch einiges gelaufen. Was sagen sie zu dem von AKW-Gegner Vergleich mit einem 50 Jahre alten Opel?
An den grundlegenden technischen Grundsätzen der Kernspaltung hat sich in den letzten 50 Jahren nichts geändert. Viele der peripheren und externen Systeme und Komponenten sind ersetzt worden, manche sogar schon mehr als ein Mal. Wir haben zusätzliche Sicherheitssysteme nachgerüstet. Von hoher Wichtigkeit ist, dass diejenigen Komponenten, die nicht oder nicht sinnvoll ersetzt werden können, wie zum Beispiel der Reaktordruckbehälter, einem umfassenden Alterungsmanagement unterzogen werden, so dass wir zu jedem Zeitpunkt die verbleibende Restbetriebszeit plus eine sehr grosszügige Scherheitsmarge gut kennen. Die Schweiz ist in dieser Hinsicht weltweit führend. Das bestätigen uns auch internationale Experten.
Sie haben in den letzten Jahrzehnten mehr als 2,5 Mrd. CHF in die Anlage investiert. Hat sich das gelohnt?
Selbst aus unterschiedlichster Sichtweise ist die Antwort absolut «Ja»: Es hat sich gelohnt. Viele Investitionen wurden getätigt, um das Werk auf dem Stand von Wissenschaft und Technik zu halten, wie es das Schweizer Gesetz vorschreibt. Dank dieser vorausschauenden Planung, Instandhaltung und Modernisierung ist der Betrieb des KKB heute immer noch sehr sicher und zuverlässig. Ein Grund mehr, dass der Vergleich mit dem Opel nicht statthaft ist und meines Erachtens nichts mehr als eine unseriöse Stimmungsmache darstellt.
Wohin sind die Gelder hingeflossen?
In die verschiedensten Projekte zur weiteren Erhöhung der Sicherheit. Als Beispiele möchte ich folgende Punkte nennen:
Wie würden Sie den technischen Zustand der Anlage beschreiben?
Der technische Zustand ist so, dass ein sicherer und zuverlässiger Betrieb garantiert ist. Sicherheit ist für uns als Betreiberin das oberste Gebot. Es ist wichtig, dass wir den Zustand der Anlage von aussenstehenden Experten beurteilen lassen. Damit ist einerseits der Vergleich mit anderen Anlagen möglich und andererseits ist die Unabhängigkeit der Beurteilung gewährleistet. Beznau hat im internationalen Vergleich Bestnoten erhalten, sowohl von der WANO als auch im Stresstest, der europaweit nach Fukushima stattfand und auch durch die Schweizer Aufsichtsbehörde angeordnet wurde.
«Beim aktuellen Strommix der Schweiz und mit dem nur sehr schleppend vorankommenden Ausbau der Erneuerbaren würde unser Land ohne den Beitrag der Kernenergie massiv auf Importe angewiesen sein.»
Wie geht es mit dem Kraftwerk weiter?
Unser Ziel ist, das Werk so lange zu betreiben, wie es sicher ist. Wir werden weiterhin die notwendigen Investitionen tätigen, die zur Erhöhung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Anlage beitragen. Wir investieren auch weiterhin in die Kompetenz der Mitarbeitenden. Drittens sind wir an der vorausschauenden Planung des Rückbaus und des Übergangs vom Leistungsbetrieb in den Nachbetrieb. Dafür wurde in der Betriebsorganisation des Werks eigens eine neue Abteilung geschaffen.
Was ist der Beitrag des Kernkraftwerks Beznau zur Schweizer Versorgungssicherheit?
Die Schweizer Kernkraftwerke leisten alle einen äusserst wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit und namentlich auch zur guten CO2-Bilanz der Schweiz. Beim aktuellen Strommix der Schweiz und mit dem nur sehr schleppend vorankommenden Ausbau der Erneuerbaren würde unser Land ohne den Beitrag der Kernenergie massiv auf Importe angewiesen sein. Ob die Einbindung in den europäischen Strommarkt Realität wird oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Es ist davon auszugehen, dass die Marktpreise für elektrische Energie weiterhin anziehen werden, weil nach dem Abschalten der KKW in Deutschland und dem folgenden Ausstieg aus der Kohle die Kapazitäten für zuverlässige Bandenergie sehr eng werden. Unter der sehr konservativen Annahme eines Strompreises von CHF 40.- pro MWh leistet das KKB einen volkswirtschaftlichen Beitrag von 240 Mio. CHF pro Jahr. Das sind Gelder, die nicht in Form von Energieimporten ins Ausland abfliessen. Mengenmässig deckt das KKB ungefähr 10% des jährlichen schweizerischen Strombedarfs.
Provokativ spricht Axpo von einem «Klimakraftwerk». Was genau ist der Beitrag von Beznau zum Klimaschutz?
Beznau produziert in einem Jahr in der Grössenordnung von 6 Terawattstunden (TWh) Energie, 100% CO2 frei in der Produktion. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 produzierten die 37 Grosswindanlagen in der Schweiz ein Total von 0.1217 TWh. Um also die Energie des KKB mit Windturbinen zu ersetzen, müssten 1‘824 Einheiten installiert werden. Es darf bezweifelt werden, ob überhaupt genügend Standorte existieren und wenn, ob die Bewilligungen innert nützlicher Frist erteilt werden könnten. Ebenso gilt es zu beachten, dass die Gesetze der Physik nach wie vor Gültigkeit haben: bei Fluktuation der Windstärke muss die pendelnde Leistung durch andere Erzeugungsformen (fossil, Hydro) innerhalb von Sekunden bereitgestellt werden können.
Ist das mit Zahlen zu belegen?
Der Beitrag des KKB zum Klimaschutz errechnet sich aus der Produktion derselben Energiemenge durch die Verbrennung von fossilen Trägern. Der Emissionsfaktor für Braunkohle beträgt ca. 1200 Tonnen CO2/GWh, derjenige von Steinkohle rund 950 Tonnen CO2/GWh. Würde das KKB abgestellt, so müsste die Energie aus Deutschland oder Osteuropa importiert werden, d.h. der Energieträger wäre Braun- oder Steinkohle. Um die jährliche Energie von 6 TWh so zu erzeugen, würden also jährlich 7,2 Mio. bzw. 5,7 Mio. Tonnen CO2 freigesetzt. Die meisten Menschen können mit dieser Zahl nicht so richtig umgehen, weil sie schlicht zu gross ist. Würde man diese Menge CO2 in einen Kubus sperren, so wäre dieser 10‘000 m x 10‘000 m in der Grundfläche und über 40 m hoch. Im Gegensatz dazu passt der hochaktive ausgediente Brennstoff in ein Volumen weniger als 1 m3. Oder anders: Wenn die Produktion des KKW Beznau mit Braunkohle ersetzt würde, müssten rund 580 Mio. Bäume da stehen, um das CO2 wieder zu binden.