22.09.2020 | Diskussionsbeitrag zum neuen Energiegesetz/Teil 1
Die Revision des Energiegesetzes ist komplex. In Diskussionen darüber kommt es oft zu Missverständnissen. So wird argumentiert, dass die Strombranche mit der Förderung von erneuerbaren Energien ein ordnungspolitisch schädliches und unwirksames System unterstütze. Unter Beschuss geraten ist auch die gleitende Marktprämie. Das sei ein Trick, das Marktrisiko auf den Staat zu überwälzen. Beides ist falsch. Dieser Beitrag soll helfen, die künftige Debatte auf ein konstruktives Fundament zu stellen. Der vorliegende Teil 1 befasst sich mit dem Thema Förderung erneuerbarer Energien, der zweite Teil wird die Fördereffizienz der gleitenden Marktprämie diskutieren.
Um die Frage zu beantworten, ob staatliche Massnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien zweckmässig sind, gilt es in einem ersten Schritt die vorherrschenden Rahmenbedingungen abzustecken. Dazu gehören sowohl wirtschaftliche Realitäten als auch politische Ziele. Wirtschaftliche Realität ist, dass sich bei den aktuell tiefen Strompreisen Investitionen in erneuerbare Energien in der Schweiz nicht rechnen. Die Ursachen dafür liegen insbesondere in der staatlichen Förderung erneuerbarer Energien im EU-Raum, den viel zu niedrigen europäischen CO2-Zeritifikatepreisen sowie den tiefen Preisen für Kohle und Gas. Diese Faktoren lassen sich aus Schweizer Sicht kaum beeinflussen und sind – für den Moment zumindest – als Rahmenbedingungen zu akzeptieren.
Schweizer Stromproduzenten passen sich dieser Marktrealität an. Sie tätigen Investitionen vorwiegend im Ausland und bestehende Anlagen im Inland werden teilweise nicht mehr erneuert. Die Politik hat diesbezüglich aber andere Ziele vorgesehen. Sie wünscht sich ausreichend Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit der Schweiz im Strombereich durch den Ausbau erneuerbarer Energien im Inland. Der neue Entwurf des Energiegesetzes will die Zubau-Ziele der Energiestrategie 2050 sogar für gesetzlich verbindlich erklären. Da Versorgungssicherheit jedoch ein öffentliches Gut ist, dessen Wert nicht im Marktpreis abgebildet ist, muss der Staat für ausreichend Anreize sorgen. Sprich die Attraktivität für Investitionen in Erneuerbare im Inland ist durch geeignete Massnahmen zu erhöhen.
Die Instrumente der Revision des Energiegesetzes gilt es im Kontext dieser Rahmenbedingungen zu bewerten. Sie sollen die Lücke zwischen wirtschaftlicher Realität und politischen Zielen schliessen und dabei möglich effizient ausgestaltet werden.
Teilweise wird bemängelt, dass der Ausbau von erneuerbaren Energien trotz bisheriger Förderung nicht ausreichend vorankomme. Mit Blick auf die aktuelle Gesetzeslage überrascht der mangelnde Zubau indes nicht. Zwar definiert das Energiegesetz auf der einen Seite ambitiöse Zubau-Ziele, auf der anderen Seite werden jedoch die verfügbaren Fördermittel gesetzlich limitiert. Sind die vorgegebenen Fördermittel aufgebraucht, kommt der Zubau zum Erliegen, selbst wenn die Zielerreichung noch weit entfernt ist.
Will man die Zubau-Ziele verbindlich erreichen, kommt man nicht umhin, die Finanzierung ausreichend zu flexibilisieren. Letztlich entscheidet die Differenz zwischen den hohen Investitionskosten und tiefen Strommarkterlösen über den individuellen Förderbedarf und damit über die für den Zubau notwendigen Fördermittel. Verbleibt man hingegen bei einer Begrenzung der Finanzierung, werden auch in Zukunft nicht die Zubau-Ziele der massgebliche Treiber des Zubaus sein. Eine Energiepolitik, die beide Seiten steuern will – Begrenzung der Finanzierung und gesetzliche Festlegung der Zubau-Ziele –, funktioniert nicht.
Mit einem effizienteren Einsatz der Fördergelder liesse sich die Problematik der limitierten Fördermittel teilweise abschwächen. Die administrativ festgesetzten Investitionsbeiträge gemäss Revision des Energiegesetzes führen aber entweder zu einer Unterförderung, in diesem Falle wird nicht investiert, oder zu einer Überförderung, in diesem Falle zahlt der Staat zu hohe Förderbeiträge für den damit ausgelösten Zubau. Die Fördereffizienz ist also tief und sollte mit einer Anpassung der Förderinstrumente unbedingt erhöht werden (Vorschläge dazu im zweiten Teil meines Beitrags).
Es wären grundsätzlich Alternativen zur Förderung von erneuerbaren Energien denkbar, um Investitionsanreize für den politisch gewünschten Zubau zu schaffen. Beispielsweise könnte eine Anpassung des Marktdesigns in Betracht gezogen werden. Die NZZ forderte in dieser Hinsicht unlängst «ein umfassendes Lenkungssystem», welches «Strom aus ausländischen, fossilen Quellen belasten» und «einheimischen, erneuerbaren Strom begünstigen» soll (NZZ, 16.07.2020, «Gefangen in der Subventionsspirale»).
Axpo hat bereits vor Jahren ein «Versorgungs- und Klimamarktmodell (VKMM)» vorgeschlagen, bei dem ausländischer Strom basierend auf dem europäischen CO2-Ausstoss belastet wird, was wiederum die Konkurrenzfähigkeit der erneuerbaren Schweizer Produktion stützt. Solange sich für ein solches Lenkungssystem aber keine politische Mehrheit findet, ist dies ebenfalls als Rahmenbedingung zu akzeptieren. Der pragmatische Weg ist folglich, sich für eine Optimierung des bestehenden Marktdesigns einzusetzen.
Axpo würde sich einen Strommarkt mit minimalen staatlichen Eingriffen wünschen. Dazu bräuchte es aber korrekte Preissignale durch ein Lenkungssystem. Solange solche Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, ist eine marktnahe, effiziente Förderung erneuerbarer Energien als Alternative zu begrüssen, um die vorherrschende Marktrealität mit dem politischen Willen in Einklang zu bringen.
Fabian Feger, Regulatory Manager Axpo