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13.06.2018 | KKW Beznau ist auch bei Erdbeben sicher

Keine Strahlengefahr

Der Bundesrat möchte einzelne Verordnungen zu Dosislimiten bei seltenen Erdbeben präzisieren. Was technisch und trocken tönt, wird plötzlich zum Skandal gemacht: Der Bundesrat und die Behörden setzten die Bevölkerung höheren Strahlungsrisiken aus, heisst es. Gerichte werden bemüht. Stimmen die Vorwürfe? Am Fall des Kernkraftwerks Beznau haben wir sie überprüft.

Ein Erdbeben, wie es nach Wahrscheinlichkeitsberechnungen alle 10'000 Jahre vorkommt, ist gravierend. Experten rechnen damit, dass bei einem solchen Extremereignis rund 25 Prozent der Gebäude und Infrastrukturen zerstört würden. Was würde ein solches Ereignis für das Kernkraftwerk Beznau bedeuten? Welche Gebiete würden verstrahlt? Wie viele Menschen müssten evakuiert werden? Und mit welchen Langzeitfolgen an Erkrankungen müssten wir rechnen?

Die Aufsichtsbehörde prüft, ob in einem solchen Fall die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für die Strahlendosis, der die Bevölkerung ausgesetzt werden darf, eingehalten werden. Sie nimmt aber nicht einfach das gravierende Erdbeben an, sie unterstellt verschärfend zudem einen sogenannten «Einzelfehler». Das ist ein Ereignis, das mit dem Erdbeben an sich nichts zu tun hat, aber zufälligerweise gleichzeitig auftritt.

Alle Ziele zum Schutz der Bevölkerung erfüllt

Was also passiert in Beznau bei einem 10'000-jährlichen Erdbeben? Die Antwort ist einfach und sehr nüchtern: Im KKB werden sämtliche Ziele zum Schutz der Bevölkerung vollumfänglich erfüllt: Kühlung des Reaktorkerns, Beherrschung nuklearer Kettenreaktion, Einschluss von radioaktiven Stoffen, Begrenzung der Strahlenexposition – nichts von Schreckensszenarien.

Es gilt für diesen Fall eine Dosislimite von 100 Millisievert (mSv), und zwar für eine Person, die sich in unmittelbarer Nähe zum KKW befindet (300m Entfernung), am Ort der grössten Dosis arbeitet und wohnt und die Nahrungsaufnahme aus dem betroffenen Gebiet deckt.

Das KKW Beznau hält diese Limite mit grosser Marge ein. Hypothetisch wäre eine Person in 300 Meter Distanz einer Dosis von 32mSv ausgesetzt. Etwas über 3 km entfernt liegt der Ort Döttingen, dort wäre die Exposition schon zehnmal kleiner, weit kleiner auch als die Bestrahlung von 5,5mSv, der wir in der Schweiz im Schnitt jährlich durch natürliche Strahlung ausgesetzt sind. Noch weiter entfernt wäre die Strahlung kaum mehr nachweisbar. Auch hier: kein Schreckensszenario, für die Bevölkerung keine Gefahr.

Wie ein Umzug nach Luzern

Doch zurück zu unserem hypothetischen Fall: Was sind die Langzeit-Strahlenfolgen für eine Person, die 300m vom KKB entfernt ist? Auch hier Entwarnung: Ihre Lebensdosis wird leicht erhöht, allerdings in gesundheitlich völlig unbedenklichem Rahmen. Das Unglück hätte nämlich genau dieselben Folgen, wie wenn sie aus der Region Beznau (sehr geringe natürliche Strahlung) wegziehen und sich etwa in der Stadt Luzern (leicht höhere natürliche Strahlung) niederlassen würde. Von einer gesundheitlichen Gefährdung der Bevölkerung durch das KKW Beznau kann also bei einem 10'000-jähr­lichen Erdbeben keine Rede sein.

Der Bundesrat schafft Klarheit

Aber wie steht es mit dem Vorwurf, der Bundesrat wolle klammheimlich die Dosislimite um das Hundert­fache erhöhen? Bisher, argumentieren die Beschwerdeführer im gerichtlichen Verfahren, habe laut Strahlenschutzverordnung eine Limite von 1mSv bei einem 10'000-jährlichen Erdbeben gegolten.

Tatsächlich regelt die Strahlenschutzverordnung nicht ganz eindeutig, welcher Kategorie ein Erdbeben, wie es alle 10'000 Jahre zu erwarten ist, zugerechnet wird. Hier schafft aber die Gefährdungsannahmeverordnung Klarheit, indem sie die anwendbare Störfallkategorie und damit die Dosislimite (100mSv) für diese Erdbeben festlegt. Sie hat einen spezifischen Regelungsgegenstand, nämlich Störfälle in Kernanlagen.

Die Strahlenschutzverordnung hingegen regelt allgemein den Strahlenschutz für alle möglichen Expositionen im Alltag (Medizin, Forschung, Industrie usw.). Für Kernkraftwerke haben die spezifischen Regelungen Vorrang. Die Sachlage ist also eigentlich klar, lässt aber – wie das Beispiel zeigt – Raum für Falschinterpretationen. Der Bundesrat will das jetzt mit der Anpassung der Verordnungen klären und vereinfachen: «...Die bisherige Praxis soll nun auf Verordnungsstufe klar und eindeutig abgebildet werden.»

Das tut der Bundesrat mit drei Massnahmen:

  • Klarstellung, dass für Erdbeben kein Spektrum von Störfallereignissen betrachtet werden muss, sondern zwei konkret vorgebebene Ereignisse (1000- und 10'000-jährlich). Kernkraftwerke werden nämlich in allen Ländern weltweit und im Einklang mit den Vorgaben der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) auf maximal zwei diskrete Erdbebenszenarien ausgelegt. Die Sicherheitsnachweise während des Betriebs sind die Bestätigung der korrekten Auslegung der Anlage und sind daher auch nur für zwei einzelne Erdbeben zu erbringen. Für diese zwei Ereignisse sind die unveränderten Dosislimiten einzuhalten (1 bzw. 100mSv).
  • Entkoppelung von den Störfallkategorien der Strahlenschutzverordnung.
  • Verankerung auf Stufe der Kernenergieverordnung.

Seine Absicht, die früher in Richtlinien der Aufsichtsbehörde für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) eindeutig festgelegten Regelungen in die Kernenergieverordnung einzubringen, hatte der Bundesrat übrigens bereits vor Jahren angekündigt. Auch die den Bundesrat beratende, unabhängige Kommission für nuk­leare Sicherheit hatte 2012 darauf hingewiesen, dass Präzisierungsbedarf bestehe. Es kann also keine Rede davon sein, dass – wie die Beschwerde­führer behaupten – wegen einer Klage kurzfristig die Verordnungen angepasst würden.

Der Dosisgrenzwert gilt für eine Person, die sich während des Wolkendurchzugs in unmittelbarer Nähe zum KKW befindet, ein Jahr am Ort der grössten Dosis arbeitet und wohnt und die Nahrungsaufnahme zwei Tage lang aus dem betroffenen Gebiet deckt.
Beznau abstellen, mit allen Mitteln?

Die Fakten sind also klar. Weder will der Bundesrat die Grenzwerte erhöhen, noch würden diese – weltweit mit die strengsten – im Falle eines Ereignisses für Mensch und Umwelt ein ausserordentliches Problem darstellen. Es geht den Beschwerdeführern um etwas anderes: Die Grenzwerte um das Hundertfache zu senken und damit das KKW Beznau per Änderung der Dosislimiten abschalten zu lassen.

Nachdem die Beznau-Gegner mit der Atomausstiegsinitiative 2016 politisch gescheitert sind und ihre Behauptung der «1000 Löcher» von der Aufsichtsbehörde und interna­tionalen Experten technisch widerlegt worden ist, soll jetzt eine juristische Finte zum Erfolg führen. Es scheint der einzige Weg zu sein, denn das KKW Beznau wurde mit 2.5 Milliarden Franken sicherheitstechnisch nachgerüstet und hat alle nationalen und internationalen Anforderungen jederzeit erfüllt.

Das sagt das ENSI dazu

Ende März 2018 veröffentlichte das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) eine Stellungnahme zur Teilrevision der Kernenergieverordnung. Das ENSI hielt Folgendes fest:

Die Revision führt zu keinen Abstrichen bei der Sicherheit der Schweizer Kernkraftwerke (KKW). Die Vorgaben bleiben unverändert. Der Bundesrat will festschreiben, was bisher schon Praxis war – und was klar auch die Absicht des Gesetzgebers war.

Nach wie vor müssen die Betreiber der KKW nachweisen, dass sie bei einem Erdbeben, das statistisch alle 1000 Jahre zu erwarten ist, einen Dosiswert von 1 Millisievert (mSv) einhalten. Für Erdbeben, die statistisch alle 10'000 Jahre zu erwarten sind, sind weiterhin 100mSv einzuhalten. 

Die Forderung der Kernenergiegegner, den Dosiswert für ein 10'000-jährliches Erdbeben auf 1mSv zu beschränken, ist mit Blick auf die durchschnittliche natürliche Strahlendosis (pro Jahr) von 5,5mSv unverhältnismässig. 

Das KKW Beznau beherrscht ein schweres Erdbeben, das statistisch einmal alle 10'000 Jahre zu erwarten ist, mit grosser Marge. 

Weitere Informationen auf www.ensi.ch

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