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02.04.2019 | Wie steht es um die Ziele der Energiestrategie 2050?

Kernenergie als zentrale Brückentechnologie

Die Energiestrategie 2050 des Bundes (ES 2050) ist ambitioniert. Sind die darin enthaltenen Ziele wirklich erreichbar? Die ES 2050 gehe in vielen Bereichen von zu optimistischen Annahmen aus, analysiert Nick Zepf, Head Corporate Development bei Axpo. Zwar verschaffe uns eine längere Betriebsdauer der Kernkraftwerke ein bisschen Luft bei der Umsetzung. Aber: «Eine realistische Überprüfung der ES 2050 ist zwingend notwendig.»

Im Mai 2017 haben die Schweizer Stimmberechtigten mit 58,2 Prozent Ja zum neuen Energiegesetz gesagt. Damit wird der Bau neuer Kernkraftwerke verboten, die bestehenden sollen aber so lange sie sicher sind, weiterlaufen. Ein Teil des nach ihrer Stilllegung wegfallenden Stroms soll eingespart werden, ein weiterer Teil durch Strom aus erneuerbaren Energien ersetzt, respektive mit Hilfe von Stromimporten gesichert werden.

Wie das gehen soll, zeigt die ES 2050 des Bundes, die im September 2012 publiziert worden ist. Der 842 Seiten umfassende Hauptbericht geht dabei auf den ganzen Energiebereich ein - gibt aber auch für den für Axpo primär relevanten Strombereich ambitionierte Ziele vor.

Seit der Publikation der ES 2050 haben sich allerdings verschiedene Voraussetzungen und Parameter verändert, weiss Nick Zepf, Head Corporate Developement Axpo. Er denke da an die Technik, Politik, Regulierungen aber auch die Akzeptanz gewisser Technologien in der Gesellschaft.

Er hat sich deshalb die der ES 2050 zu Grunde liegenden Annahmen genauer angeschaut und diese wo notwendig angepasst.

Der Stand der Dinge

So lässt sich etwa feststellen, dass der gemäss ES 2050 erwartete Zubau im Bereich der Wasserkraft aufgrund von neuen Restwasserbestimmungen wohl kaum realisieren lässt (siehe oben, Grafik 1). Nicht zu erreichen sind die Ziele auch im Bereich Windkraft. So waren hier 2017 erst 20 Prozent des Energiestrategie-Zielwerts von 2020 erreicht. (siehe oben, Grafik 2). Rück- statt Fortschritte gab es im Bereich der Geothermie: ein kommerzielles Projekt sei heute nicht in Sicht, die Kosten mit über 10 Rappen/kWh Strom zu hoch und die Akzeptanz in der Bevölkerung gering, sagt Zepf.

Besser sieht es bei der Photovoltaik aus. Hier wurden die Ziele von 2020 bereits im Jahr 2017 um das Dreifache übertroffen. Deshalb könne man bis 2030 bei Strom aus PV mit einer höheren Leistung rechnen. Für die Zeit ab 2035 bis 2050 seien die Annahmen der ES 2050 realistisch (siehe oben, Grafik 3). Positiv auf die Strombilanz wirkt sich auch ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke (so lange sicher) aus. Laufen die Kernkraftwerke Beznau, Gösgen und Leibstadt 60 Jahre so ergibt sich in der ES-2050-Bilanz ein Plus von 10 TWh bis 2030, respektive 8 TWh bis 2040.

Es fehlt Strom

Vergleicht man die Ziele der ES 2050 mit den angepassten Annahmen, kommt Zepf zu folgendem Schluss: «Bis 2035 werden wir substantiell mehr Energie haben als in der ES 2050 angenommen, da die Kernkraftwerke länger Strom produzieren.» Die Kernenergie sei damit die «zentrale Brückentechnologie» im Rahmen der ES 2050. Die fehlende Produktion aus Wasserkraft, Geothermie und Wind werde aber 2050 zu einer Minderproduktion im Vergleich mit den Zielen der ES 2050 führen – und zwar um 11 TWh (siehe Grafik unten)

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Auch beim künftigen Stromverbrauch gebe die ES 2050 hohe Sparziele vor, urteilt Zepf. So rechne man mit einer starken Abnahme in allen Bereichen (siehe Grafik), derweil der Stromverbrauch am Gesamtenergieverbrauch von 25 Prozent (2017) auf 42 Prozent (2050) steigen soll. Dass diese Annahme angesichts der geplanten massiven Elektrifizierung und dem Wunsch nach einer möglichst CO2-freien Energieproduktion eintreffen werde, bezweifle er.

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Klar ist: 2050 wird die Stromproduktion nicht die in der ES 2050 gesteckten Zielwerte erreichen. Je nach Verbrauchsszenario fehlen zwischen 8 und 33 Prozent Strom, welcher dann importiert werden müsste (vgl. Grafik unten)

Das Winterproblem

Photovoltaik und Wasserkraft sind Energieformen die vor allem im Sommer gute Leistungen liefern. Im Winter allerdings wird der Schweiz – wie bereits heute in geringerem Ausmass – in den Jahren 2035 und 2050 viel Strom fehlen. So müsste gemäss den Prognosen von Zepf 2050 «in mindestens 8 von 12 Monaten Strom importiert werden» und je nach Höhe des Verbrauch betrüge der Importbedarf im «Dezember und Januar bis zu 50 Prozent».

Nur, woher kommt dieser Strom? Das sei eine berechtigte Frage, sagt Zepf. Deutschland habe den Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 und aus der Kohlekraft bis 2038 beschlossen. Entsprechend gehe die deutsche Stromwirtschaft davon aus, dass sie ab 2025 im Winter zusätzlich Strom importieren werden müsse. Und Frankreich sei bereits heute in den Wintermonaten ein Netto-Stromimporteur.

Was bleibt unter dem Strich?

Für Zepf ist das Fazit deshalb klar: «Aus heutiger Sicht ist die ES 2050 sowohl in Bezug auf die Produktionsannahmen, die Verbrauchsannahmen und die Annahmen betreffend möglicher Importe von Strom aus dem Ausland zu optimistisch». Das ergebe für ihn als Ingenieur, der gerne Formeln habe, "Optimismus hoch 3". Deshalb sein eine realistische Überprüfung der ES 2050 zwingend notwendig.

Hier gibt es das Referat zum Nachhören als Video (ab Minute 49:37 bis 1:11.03):

Hier gibt es die vollständige Präsentation  zum Thema angepasste ES 2050

Sorge um CH-Produktion

Ausstieg aus der Atomenergie, schleppender Ausbau der erneuerbaren Energien und fehlende Einbindung in den EU-Strommarkt: Die Energiekommission des Ständerats (Urek) sorgt sich um die Sicherheit der Stromversorgung. Sie verlangt Massnahmen vom Bundesrat.

Einstimmig hat sie eine Motion eingereicht mit der Forderung nach einer Marktordnung, die die langfristige Versorgungssicherheit durch eine ausreichende Inlandproduktion gewährleistet. Diese soll unter anderem die Ziele der Energiestrategie 2050, die CO2-Reduktionsziele und die sinkende Exportfähigkeit der umliegenden Länder berücksichtigen, wie es in einer Mitteilung der Urek vom Dienstag heisst.

In den Nachbarländern sei ein massiver Kapazitätsabbau aus Kohle und Kernenergie absehbar. Zudem könne die Schweiz ohne Stromabkommen nicht am EU-Strombinnenmarkt teilnehmen. Die im Energiegesetz festgelegten Richtwerte für den Zubau von erneuerbaren Energien könnten wegen der Befristung der Förderinstrumente voraussichtlich nicht erreicht werden. Auch die angepeilte Reduktion des Stromverbrauchs ist nach Ansicht der Urek nicht in Reichweite.

Sie ortet daher eine Lücke zwischen den Zielen der Energiestrategie und der Sicherstellung eines angemessenen inländischen Produktionsanteils zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit.

Der Bundesrat soll daher aufzeigen, wie der angestrebte Zubau der erneuerbaren Energien und die Inlandproduktion sichergestellt werden können.

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