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Photo legend: The Institute for Snow and Avalanche Research test facility on the Todalp near Davos (Photo: Annelen Kahl)

21.01.2021 | Solarforscherin Annelen Kahl zum Solarprojekt in den Glarner Alpen

«Es braucht neue Lösungen für Winterstrom»

Im Sommer 2021 wird am Muttsee die grösste alpine Solaranlage der Schweiz gebaut. Ein Pionierprojekt, das auch die technische Hochschule EPFL und das Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) interessiert. Annelen Kahl erforscht schon mehrere Jahre das Verhalten von Solaranlagen im hochalpinen Raum. Im Interview erklärt sie, welche Chancen sie im 2,2-Megawatt-Pionierprojekt von Axpo, IWB und Denner sieht. 

Annelen, du forscht seit 2015 an der EPFL zu Solaranlagen im alpinen Raum und bist seit 2018 auch beim SLF tätig. Was fasziniert dich an diesem Forschungsbereich?

Konkret fasziniert mich die Vielfalt der Möglichkeiten in diesem Bereich aber auch seine Komplexität. Solarenergie wird in der Schweiz in den nächsten Jahren enorm ausgebaut werden, denn sie ist eine wichtige Energieform bei den erneuerbaren Energien. Beim Ausbau konzentrieren sich viele auf die Dächer von Einfamilienhäusern und Industriegebäuden. Das ist gut und recht. Ich sage aber: Das allein ist nicht die Lösung. Betrachtet man die Stromproduktion über das Jahr gesehen, braucht es neue Lösungen, die einen grossen Anteil Winterstrom produzieren. Hier sehe ich insbesondere bei Solaranlagen in den Bergen grosse Chancen.

Mein Ziel als Forscherin aber auch mit meinem Unternehmen Sunwell ist es, neue Lösungen für dieses Problem aufzuzeigen, Unternehmen zu mobilisieren, in diese Art von Anlagen zu investieren und somit einen Beitrag zur nachhaltigen Energieproduktion der Schweiz zu leisten.

Du spricht den Winterstrom an. Alpine Anlagen können vor allem im Winter viel Strom ernten. Was ist sonst noch besonders an diesen Anlagen?

Je höher eine Anlage liegt, desto eher ist sie über dem Nebelmeer. Wir kennen die grauen Tage vor allem in den Wintermonaten. Darum flüchten wir ja auch so gerne in die Berge, um Sonne zu tanken. Das hat auch einen positiven Effekt auf die Solaranlage. Denn nur wenn die Sonne scheint, kann auch Strom produziert werden. Liegt Schnee neben der Solaranlage, steigt die Produktion aufgrund der Reflexion des Lichtes weiter. Die Solarpanels mögen es ausserdem gerne kühl: Sinkt die Temperatur um ein Grad Celsius, steigt der Wirkungsgrad von Solarmodulen um 0,4 Prozent.

Mit all diesen Vorteilen kann eine Solaranlage im alpinen Bereich rund die Hälfte ihrer Stromproduktion im Winterhalbjahr liefern. Also genau dann, wenn wir den Strom am meisten brauchen.

Die neue Solaranlage an der Muttsee-Staumauer steht auf 2'500 m.ü.M. Welche Chancen siehst du bei dieser Anlage?

Auf 2'500 Metern über Meer werden genau diese Vorteile genutzt. Da der Staudamm gegen Süden ausgerichtet ist, eignet er sich optimal für Solarpanels. Als Forscherin sehe ich in diesem Projekt aber noch mehr: Die Anlage ist eine Möglichkeit, Erfahrungswerte und Daten zu sammeln, die auch für künftige Anlagen im alpinen Raum nützlich sein können. Ich denke ans Testen von verschiedenen Panelarten, an den Vergleich unterschiedlicher Panel-Neigungswinkel auf der Staumauer oder an die Erfahrungswerte mit Wind- und Schneelasten.

Stichwort Schneelasten: Du hast zusammen mit deinem Kollegen Varun Sharma von der EPFL, mit dem du auch dein Startup Sunwell führst, für die Muttsee-Anlage eine Schneelast-Modellierung gemacht. Wozu dient das?

Vor dem Bau einer solchen Anlage sollen möglichst alle Risiken minimiert werden. Schnee ist ein wichtiger Faktor in dieser Höhe. Es gibt Winter, in denen es sehr viel Niederschlag gibt und somit eine grosse Menge Schnee auf den Panels liegen bleibt und deren Produktion verringert. Diesen Faktor muss man vor dem Bau der Anlage berücksichtigen. Mit der Modellierung haben wir berechnet, an welchen Stellen der Anlage und auf welchen Panel-Abschnitten wie viel Schnee liegenbleibt. So können wir auch den erwarteten Druck auf die Panels ableiten. Mit diesem Wissen kann die Anlage weiter optimiert werden – und es können auch Kosten gespart werden..

Und was habt ihr nun konkret bei der Anlage auf der Muttsee-Staumauer herausgefunden?

Wir haben bei der geplanten Anlage ein paar kritische Bereiche entdeckt. Es sammelt sich vor allem am Fuss der Anlage teilweise viel Schnee. Bei gewissen Abschnitten macht es daher Sinn, die Anzahl Panels zu reduzieren. Dadurch können Schäden an den Panels verhindert werden. 

Annelen Kahl und Varun Sharma vor einer Solar-Testanlage in Davos.

Wie gross schätzt du das Potenzial von alpinen Solaranlagen und Solar-Grossanlagen in den Bergen ein?

Technisch gesehen ist viel möglich in den Bergen. In meinen Szenarien gehe ich davon aus, dass 50 Prozent der Kernenergie in Zukunft durch Solarenergie ersetzt werdend. Ausgehend davon habe ich modelliert, wie sich die Stromproduktion unterscheidet, wenn man diese Anlagen entweder auf Hausdächern in den Niederungen oder an geeigneten Orten in den Bergen installiert. Das Resultat ist, dass die Winterproduktion in den Bergen um 68 Prozent höher ist als in den Niederungen. Ausserdem brauchen wir rund 20 Prozent weniger Solar-Oberfläche, um 12 TWh Strom pro Jahr zu produzieren.

Gehst du davon aus, dass solche Anlagen einen grossen Einfluss auf den Strommix der Zukunft haben werden?

Fakt ist, dass der Strom aus Kernenergie in den nächsten Jahren ersetzt werden muss und zwar mit den erneuerbaren Energien Wind und Solar. Wind hätte grundsätzlich ein grosses Potenzial, vor allem im Winter. Hierfür haben wir ebenfalls eine Studie für die Schweiz gemacht: Optimal wäre ein Verhältnis von 70/30: 70 Prozent Wind- und 30 Prozent Solarenergie. Leider gibt es in der Schweiz eine starke Opposition gegen Windkraft, weshalb viele Projekte gescheitert sind. Aus diesem Grund hat die Solarenergie künftig einen noch höheren Stellenwert. Um grosse Mengen zu produzieren, sollten vermehrt Solar-Grossanlagen gebaut werden.  

Annelen Kahl: «Die Solaranlage an der Muttsee-Staumauer bietet die Möglichkeit, Erfahrungswerte und Daten zu sammeln, die auch für künftige Anlagen im alpinen Raum nützlich sein können.»

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