14.03.2018 | Rentabilität der Schweizer Wasserkraft: Eine Studie
Energieunternehmen wie Axpo haben es schon lange vorgerechnet. Jetzt ist es offiziell. Eine Studie des Bundesamtes für Energie (BFE) zeigt, dass die Gestehungskosten für die Produktion von Strom aus Wasserkraft derzeit höher sind als die Erlöse, welche die Stromproduzenten am Markt erzielen können. Das Problem des „Missing Money“ ist real und gravierend. 2016 fehlten der Branche 311 Mio. Franken.
Nach einer Phase mit hohen Strompreisen und guten Ergebnissen für die Produzenten von Schweizer Wasserkraft sind die Strompreise zwischen 2009 und 2016 deutlich gesunken (siehe Grafik). Dies hat bei den Eigentümern der Wasserkraftwerke, welche ihren Strom auf dem freien Markt absetzen müssen, zu Wertberichtigungen, Gewinneinbrüchen und Verlusten geführt. Auch bei Axpo.
Nun zeigt eine im Auftrag des BFE erarbeitete Studie auf, wie es um die Rentabilität der Schweizer Wasserkraft wirklich steht. Der Bericht beruht auf einer Datenumfrage bei der Branche (21 Betreiber/Produktion von 25‘000 GWh. Das entspricht 70 Prozent der CH-Produktion).
Das sind die wichtigsten Resultate:
Vollständige Gestehungskosten aus Sicht der Wasserkraftbetreiber 2011 bis 2016
6,9 bis 7,7 Rp./kWh
Das BFE hält die von der Branche abgegeben Overhead und Kapitalkosten (WACC) für zu hoch. Es kommt mit einer Korrektur auf vollständige Gestehungskosten von 6,3 bis 7,1 Rp./kWh. Die Gestehungskosten im Detail: Laufwasserkraft 5,3 bis 6,9 – Speicherkraft 6,2 bis 7,9 und Pumpspeicher 7,3 bis 8,2 Rp./kWh
Die grössten Kostenbrocken sind Wasserzinsen mit 1,4 bis 1,6 Rp/kWh, Abschreibungen mit 1,2 bis 1,3 Rp./kWh sowie die Fremdkapitalkosten von rund 0,6 Rp./kWh
Die gewichteten Erlöse aus der Wasserkraft liegen dagegen für diese Periode nur bei 4,16 Rp./kWh
Fazit: Unter dem Strich fehlen jenen Stromproduzenten, welche den Strom zu Marktpreisen absetzen müssen gemäss Studie Geld: „Der zur Deckung der Gestehungskosten fehlende Beitrag liegt nach Ansicht des BFE bei CHF 311 Mio. pro Jahr.“
In einer Übergangsfrist bis 2022 gibt es deshalb für bestehende Grosswasserkraftwerke eine Marktprämie von 120 Mio. Franken pro Jahr – finanziert von den Stromkonsumenten über den Netzzuschlag, was die Minusbeträge der Betreiber auf CHF 201 Mio. verringert.
Das Thema Wasserkraft wird energiepolitisch intensiv diskutiert. Das Energiegesetz verlangt, dass der Bundesrat dem Parlament bis 2019 einen Entwurf für ein marktnahes Modell für die Wasserkraft unterbreitet. Dazu schreibt Christian Bühlmann, Stv. Leiter Energieversorgung im BFE, auf dem Blog "energeiaplus": "Das heute gültige Wasserzinsregime ist mit rund 1,4 Rappen pro kWh oder rund 20 Prozent der Gestehungskosten ein bedeutender Kostenfaktor der Schweizer Wasserkraft".
In der Tat: Alleine seit der letzten gesetzlichen Anpassung im Jahre 2008 wurde das Wasserzinsmaximum nochmals in drei Schritten erhöht: von 54 Franken auf 80 Franken per Anfang 2008, auf 100 Franken per 1. Januar 2010 und schliesslich auf die aktuell gültigen 110 Franken pro Kilowatt Bruttoleistung per Anfang 2015.
Der Bund will seine Botschaft zur Neuregelung der Wasserzinsen ans Parlament noch vor den Sommerferien verabschieden. Diese wurde allerdings in der Vernehmlassung seitens der Bergkantone arg zerzaust. Ob der Bund deshalb zurückkrebst und den Status Quo festschreiben will, wie dies in Bundesbern gemunkelt wird, ist noch unklar. Allerdings: Für eine breite Allianz aus Wirtschaft und Gesellschaft sind faire, sprich flexible und am Markterlös ausgerichtete, Wasserzinsen heute ein "Muss" (siehe Box).
Auch beim künftigen Strommarktdesign in der Schweiz spielt die Wasserkraft aufgrund ihrer grossen Bedeutung für die Versorgungssicherheit eine zentrale Rolle. Bis im Herbst 2018 will der Bundesrat dazu eine Vernehmlassungsvorlage (Revision des Stromversorgungsgesetzes) verabschieden. Dabei sollen vor allem die Marktmechanismen (sogenannter Energy Only Markt) eine zentrale Rolle spielen und der Bund setzt damit für eine sichere Versorgung der Schweiz mit Strom im Winter sehr stark auf Importe, was Axpo "bedauert".
Darüber hinaus ist vorgesehen, eine strategische Reserve an Strom auszuschreiben. Das sei eine "minimal invasive" Zusatzabsicherung, schreibt das BFE dazu: "Eine zentrale inländische Instanz kontrahiert Kraftwerkskapazitäten bzw. Stromerzeugung (im Falle der Schweiz vor allem Speicherwasser), die nur und ausschliesslich in physischen Knappheitssituationen in der Schweiz eingesetzt wird. Es handelt sich hierbei nicht um einen Kapazitätsmarkt, sondern um einen Mechanismus zur Sicherstellung einer Energiereserve in kritischen Situationen." Die Schaffung einer strategischen Reserve sei positiv, urteilt man bei Axpo, sofern diese marktnah ausgestaltet werde.
«Das heutige Wasserzinsregime ist mit rund 20 Prozent der Gestehungskosten ein bedeutender Kostenfaktor der Schweizer Wasserkraft»Christian Bühlmann, Stv. Leiter Energieversorgung BFE
In der aktuellen Frühlingssession hat sich nun der Ständerat in diese Debatte eingemischt: Er hat eine Motion der Energiekommission zur Stützung der einheimischen Stromproduktion - mit Ausnahme der Kernkraft - angenommen. Denn, so Kommissionsprecher Werner Luginbühl, „beim künftigen Marktdesign dürfe nicht auf des Prinzip Hoffnung gesetzt werden“. Die Gefahr sei, dass nach dem Aus der Kernkraft auch ein Teil der Wasserkraft werke verschwinden würden, wenn sich die Marktpreise für Strom nicht nachhaltig erholten.
Eine durchaus realistische Gefahr. Denn, so wissen auch die Verantwortlichen von Axpo: „Trotz einem leichten Aufwärtstrend bei den Preisen auf dem Strommarkt, bleibt die Situation angespannt. Die Wasserkraftwerke werden gegenüber Marktpreisen in den nächsten Jahren nicht genügend Geld verdienen, um die dringend notwendigen Investitionen in den Erhalt, geschweige denn in den Ausbau der Kapazität, die gemäss Energiestrategie 2050 notwendig wäre, zu leisten.“
Das letzte Puzzle-Teil in der politischen Energiedebatte ist das vom Bundesrat geplante Stromabkommen mit der EU, welches der Schweiz den gleichberechtigten Zugang zum europäischen Strommarkt sichern soll. Vorasussetzung dafür ist aber eine Öffnung des Schweizer Strommarktes auch für Kleinkunden und KMU. Heute können nur Grosskunden (ab Verbrauch von 100‘000 kWh) den Strom frei zu günstigen Marktpreisen einkaufen.
Diese Öffnung will Energieministerin Doris Leuthard nun vorantreiben. Sie erhielt dabei in der Frühjahrssession Unterstützung des Nationalrats, der eine Motion für eine rasche Strommarktöffnung deutlich mit 130 zu 44 Stimmen angenommen hat. Wie rasch dies sein wird, ist allerdings schwer abzuschätzen. Bereits gibt es Widerstand von der SP – welche die vollständige Marktöffnung mit Hilfe der Grünen im Jahr 2002 mit einem Referendum erfolgreich bekämpft hatte. SP-Fraktionschef Roger Nordmann sagt, wenn der Strommarkt liberalisiert werde, habe die ganze Branche die Probleme, die heute Axpo und Alpiq hätten. Und befürchtet: „Ohne seriöse Leitplanken“ werde „die Schweiz von Kohlestrom überschwemmt“.
Affaire à suivre…
Die bestehende Wasserzinsregelung läuft Ende 2019 aus. Mit Blick auf die notwendige Neuregelung setzt sich eine breite Allianz, bestehend aus dem Verband Schweizerischer Energieunternehmen (VSE), AEE Suisse, Economiesuisse, Konsumentenforum, Schweiz. Städteverband, Schweiz. Gewerbeverband und Swissmem, für einen zeitgemässen und flexiblen Wasserzins ein. Ziel ist eine faire Lösung für Produzenten, Standortkantone und Gemeinden und Konsumenten.
Die Allianz fordert:
1. Es braucht eine Flexibilisierung des Wasserzinses mit einem fixen und variablen, marktabhängigen Teil. Die Flexibilisierung ist als Grundsatz per 1.1. 2020 gesetzlich zu verankern.
2. Eine langfristige Lösung der Wasserzinsfrage muss mit der Revision Stromversorgungsgesetz (Strom VG) und dem künftigen Marktdesign einhergehen.
3. Als Übergangslösung braucht es ab 2020 eine deutliche Entlastung der Wasserkraftproduktion. Aus Sicht der Allianzpartner stellt die vom Bundesrat in der Vernehmlassungsvorlage ursprünglich vorgesehenen 80 CHF pro Kilowatt Bruttoleistung die Obergrenze dar.