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08.07.2024 | Der Stausee Pigniu der Kraftwerke Ilanz AG wurde vorübergehend komplett geleert

Stausee Pigniu: Erstmalige Entfernung der abgelagerten Sedimente mittels Spülung

Der Stausee Pigniu der Kraftwerke Ilanz AG wurde vorübergehend komplett geleert. Grund: Um eine reibungslose Stromproduktion und längerfristige die Gewährleistung der Talsperrensicherheit zu gewährleisten, mussten Verlandungen vor dem Einlauf und dem Grundablass entfernt werden.

Nach jahrelanger Planung, monatelangen Vorbereitungen und wochenlanger Bereitschaft erhielten die Kraftwerke Ilanz AG vom Graubündner Amt für Umwelt grünes Licht für die Spülung des Stausees Pigniu. Plötzlich musste es schnell gehen: Anfang Juni 2024 waren die Bedingungen endlich perfekt, um die Spülung des oberhalb Ilanz gelegenen Stausees zum ökologisch optimalen Zeitpunkt zu beginnen. Die aktuellen Abflüsse der unterschiedlichen Fliessgewässer im Einzugsgebiet des Vorderrheins oberhalb Ilanz wurde in einem Online-Dashboard bereits in den Wochen davor mehrmals täglich geprüft. Zusätzlich wurden bis zu zweimal täglich aktualisierte Abflussprognosen für die Ermittlung des richtigen Zeitpunkts der Spülung beigezogen.

«Wir haben rund 50 Mitarbeitende aufgeboten, die den Dreischicht-Betrieb während der Spülung sichergestellt haben», berichtet Rudolf Büchi, Leiter Kraftwerksgruppe Vorderrhein der Axpo. Er hatte für die rund eine Woche dauernde Spülung seinen Arbeitsplatz ins Betriebsgebäude des Stausees verlegt und erhielt so einen Logenplatz mit Blick auf Staumauer und Stausee. Und bereits nach kurzer Zeit bot sich kein alltäglicher Anblick. «In weniger als 12 Stunden ist das Wasser aus dem Stausee Pigniu abgeflossen». Denn bereits seit Wochen hielt die Kraftwerke Ilanz AG den Wasserpegel auf rund einem Drittel der üblichen Höhe, der minimalen Betriebskote für den Kraftwerksbetrieb, um den Stausee bei Eintritt der erforderlichen hydrologischen Bedingungen möglichst schnell zu leeren. Die erforderlichen Bedingungen umfassten insbesondere hohe Abflüsse am Vorderrhein zwecks Verdünnung der Trübung zum Schutz des ökologisch wichtigen Vorderrheins. Die Bedingungen wurden mit einer Spülbewilligung des Kantons Graubünden festgelegt. Wo sonst der Stausee Pigniu in der Sonne glitzert, präsentierte sich deshalb bald eine graue Schlammwüste. 

Zeitweise wurde alle 15 Minuten die Wasserqualität gemessen.
Unberechenbarer Untergrund

Es galt, rund 70'000 m3 an Sedimenten aus dem See zu bringen. Dies erledigte zum einen der Schmuerbach, der normalerweise im Stausee aufgestaut wird. Während der Leerung konnte er ungehindert abfliessen und nahm dabei viel Sediment mit ins Tal. Zum anderen wurde diesem natürlichen Prozess mit vier Baggern nachgeholfen, die Tag und Nacht die Sedimente in Richtung Schmuerbach schaufelten. Kein einfacher Job im schlammigen und unberechenbaren Untergrund. Und: Nur schon der Transport der Bagger über die einspurige, teilweise holprige und sehr enge Bergstrasse zum Stausee hinauf war Massarbeit und eine Herausforderung für sich.

Hat sich das Ganze gelohnt? «Auf jeden Fall», ist Rudolf Büchi überzeugt. «Wir konnten rund 150’000 m3 Sediment aus dem Stausee entfernen, doppelt so viel als erwartet». Notwendig geworden war die Spülung, weil sich im Bereich des Grundablasses (vgl. Box) Verlandungen gebildet hatten, welche längerfristig die Funktion dieses wichtigen Bestandteils jeder Stauanlage gefährdet hätten. Da immer wieder Sedimente ins Triebwassersystem (Turbine) gelangen, musste weiter die minimale Betriebskote angehoben werden, was zu einem reduzierten Seeinhalt für die Produktion und einen Verlust an Flexibilität führte.

Mit der erfolgreichen erstmaligen Spülung seit die Stauanlage 1992 den Betrieb aufnahm, ist die Stauanlage Pigniu wieder bereit für einen langfristig sicheren Betrieb. Bis die Sedimente erneut eine kritische Höhe erreichen dürften Jahrzehnte vergehen. Die Kraftwerke Ilanz AG hat für die Spülung mehrere Mio. Franken investiert (Engineering, Baumeister, Wasserverluste, Ausgleichszahlungen, ökologisches Monitoring), dies ist somit auch eine Investition in die langfristige Stromversorgungssicherheit. Nach rund einer Woche wurde wieder mit der Wiederaufstauung begonnen, zwei Wochen später kann das Wasser des Stausees Pigniu bereits wieder für die Stromerzeugung im Kraftwerk Ilanz eingesetzt werden.

Umfangreiches ökologisches Monitoring

Vor der Spülung hat die Kraftwerke Ilanz AG verschiedene Varianten untersucht, wie die Sedimente aus dem Stausee und insbesondere im Bereich des Grundablasses entfernt werden können. «Als einzig technisch machbare Lösung, mit welcher auch alle Zielsetzungen erreicht werden können, hat sich eine Spülung ergeben. Und wenn korrekt umgesetzt, können die Trübungen im Vorderrhein auf ein vertretbares Mass reduziert werden. Deshalb haben wir uns vor allem mit den relevanten Umweltschutz-Fachstellen des Kantons Graubünden und den Umweltschutzorganisationen breit abgestimmt», sagt Joëlle Hirschi von der Abteilung Umwelt bei Axpo. Involviert waren u.a. das Bundesamt für Energie, kantonale Behörden, umliegende Gemeinden und auch der kantonale Fischereiverband, der WWF und ProNatura.

Dank umfangreichen Vorbereitungsarbeiten durch die Hydrologen der Axpo wie die Abschätzung des maximal möglichen Abflusses im Schmuerbach ohne dass Schäden an Kunstbauten wie Brücken oder Wegen entstehen, die Entfernung von Totholz welche Brücken etc. verklausen könnten sowie die frühzeitige Vorbereitung von Messstellen für das dreischichtige Monitoring an den Gewässern unterhalb des Stausees Pigniu konnte die Spülung effizient mit einer kurzen Vorlaufzeit von nur 24h durchgeführt werden.

«Das zentralste ökologische Ziel der gesamten Spülung war, dass die durch die ausgetragenen Sedimente verursachten Trübungen im Vorderrhein möglichst tief gehalten werden», erklärt Hirschi. Die Trübung konnte insbesondere im schutzwürdigen Vorderrhein mit einer Zugabe von sauberem Wasser durch andere Kraftwerksanlagen im Einzugsgebiet des Vorderrheins sowie dank natürlicherweise erhöhten Abflüssen minimiert werden. Um dies zu überprüfen, wurde deshalb während der Spülung an vier Stellen Wasserproben entnommen und auf die Stärke der Trübung untersucht – jede Viertelstunde und zu den heikelsten Phasen im 3-Schichten Betrieb während 24 Stunden am Tag. «Ob es einen Schaden an Gewässerorganismen gegeben hat, wird das umfangreiche Monitoring zeigen», sagt die Naturwissenschaftlerin. Vor und nach der Spülung erfolgt ein ökologisches Monitoring, wobei Untersuchungen zur Gewässermorphologie, zu Fischen und in der Bachsohle lebenden Insekten (Makrozoobenthos) durchgeführt werden. Daraus können die Auswirkungen der Spülung auf die Gewässerökologie abgeschätzt werden.

Übrigens: Die Axpo Mitarbeitenden übertrugen die Trübungsmesswerte jeweils direkt in eine eigens implementierte App, so dass alle Beteiligten wie z.B. das kantonale Amt für Jagd und Fischerei jederzeit einen direkten Einblick in die Werte hatten. 

*Grundablass

Der Grundablass ist die unterste, verschliessbare Öffnung einer Stauanlage. Er dient beispielsweise dazu, einen Stausee komplett zu entleeren. Für den sicheren Betrieb der Stauanlage ist ein funktionierender Grundablass von zentraler Bedeutung. Schreitet die Verlandung bis auf die Höhe des Grundablasses voran, muss der Betreiber Massnahmen treffen. 

*Verlandung

Mit dem Phänomen der Verlandung sind die meisten Wasserkraftanlagen konfrontiert. Flüsse führen Sedimente (Sand, Kies) mit, welche sich dann in den Stauseen ablagern. Es gibt verschiedene Ansätze, der Verlandung zu begegnen. Es besteht beispielsweise die Möglichkeit, die Sedimente auszubaggern oder den Stausee auszuspülen.

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