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24.04.2024 | An den relevanten Energieproblemen arbeiten

“Wortwörtlich Learning by doing”

Thomas Hamfelt (32), Senior Data Scientist, und Ingvi Thorkelsson (34), Portfolio Operations Manager bei Axpo Sverige AB, arbeiten intensiv an der Entwicklung innovativer Energielösungen für den sich stetig wandelnden Markt in den nordischen Ländern. Im Interview erzählen sie von ihren beruflichen Erfahrungen und sprechen über ihre täglichen Aufgaben und Herausforderungen, die mit der Erbringung von Systemdienstleistungen zur Umsetzung der Energiewende einhergehen. 

 

Sprechen wir über euren Werdegang... 

Thomas (T): Ich bin hier in Malmö geboren und aufgewachsen und habe an der Copenhagen Business School Betriebswirtschaft studiert. Danach wollte ich in Richtung Technik gehen, also kehrte ich nach Schweden zurück, schrieb mich für ein Statistikstudium ein und absolvierte schliesslich meine Masterarbeit bei Axpo. 

Ingvi (I): Ich bin in Island geboren und habe dort gewohnt, bis ich 17 war. Danach besuchte ich die Internationale Schule in Norwegen und anschliessend ging ich nach Lund in Schweden, wo ich den Bachelor und den Master in Maschinenbau erwarb. Ich habe mich von Anfang an auf die Technik von Elektrizitätswerken konzentriert und erkannte, dass man nur dann etwas bewirken kann, wenn man die Art und Weise, wie wir Energie nutzen, beeinflusst. Also spezialisierte ich mich auf die Energieverwertung. Meine Masterarbeit habe ich bei einem lokalen Energieunternehmen in Landskrona geschrieben, wo ich sechs Jahre lang in verschiedenen Funktionen gearbeitet habe. Dann wechselte ich zu einem anderen kommunalen Energieunternehmen, wo ich als Unternehmensentwickler mit Schwerpunkt Flexibilität tätig war. 

 

Wie seid ihr auf Axpo aufmerksam geworden? 

T: Es begann mit einem Telefonanruf. Als ich dabei war, meinen Master in Lund abzuschliessen, plante ich, meine Masterarbeit über Künstliche Intelligenz bei einer der grossen nordischen Banken zu schreiben. Es war eine Woche vor Weihnachten, als ich aufgrund einer unerwarteten Reorganisation einen Plan B finden musste. Ich erinnerte mich an einen früheren Kurs über Strommärkte und googelte einfach «Stromhandel Malmö», und Axpo tauchte auf. Anfangs war ich etwas skeptisch, aber ich recherchierte ein wenig und rief das Unternehmen kurzerhand an. Ich wurde eingeladen, mit dem Geschäftsführer und den Kolleginnen und Kollegen des Physical Trading Desk zu sprechen, und innert kürzester Zeit hatte ich die Zusage, ab Januar 2020 eine Hälfte meiner Arbeitszeit für Axpo zu arbeiten, während ich in der anderen Hälfte meine Arbeit schrieb. Dafür bin ich sehr dankbar. Meine persönliche Erkenntnis ist, dass sich die Chancen vervielfachen, wenn man sie ergreift. 

I: Auch ich bin per Telefon zu Axpo gestossen (lacht). Ich kannte einen Originator, der mein Mentor in einem Leadership-Programm war. Ich verhandelte mit einem anderen Unternehmen als ich einen Anruf erhielt, in dem es hiess «Sprechen wir über Axpo». 

 

Warum habt ihr euch für einen Beruf in der Energiebranche entschieden? 

I: Ich bin ein Naturmensch. Die spektakulär schönen Schluchten, in denen wir Wildwasser-Rafting in meinem Heimattal gemacht haben, sollten gestaut werden und unter dem Wasserspiegel verschwinden, um mehr Strom zu erzeugen. Wasserkraft hat erstaunliche Eigenschaften, aber die Natur sollte dabei möglichst intakt bleiben. Ich begann darüber nachzudenken, wie viel Energie in Island verschwendet wird, und so habe ich mir im Alter von 13 bis 14 Jahren das Ziel gesetzt, mit erneuerbaren Energien zu arbeiten und Lösungen für dieses Problem zu finden. Es stellt sich heraus, dass es eher darum geht, Energie intelligent zu nutzen. 

T: Ich arbeite am Physical Desk und dort wird es ziemlich schnell technisch. Als ich anfing, wurde mir gezeigt, was hinter den Kulissen steckt, und die Anlagen sind unglaublich komplex! Wir bringen zwar den physischen Strom nicht zum Endkunden, aber es dreht sich alles um Angebot und Nachfrage, und es ist sehr spannend, am Markt teilzunehmen und einen Preis zu erzielen. Man kratzt an der Oberfläche, aber in der Tiefe gibt es so viel mehr zu erkunden. 

I: Je mehr du weisst, desto mehr weisst du, was du nicht weisst . 

T: Ganz genau. Ich kam zu Axpo, kurz bevor die Preise anfingen, verrückt zu spielen. 2021 begann sich das Verhalten zu ändern, und jetzt, mit dem Aufkommen der erneuerbaren Energien, befindet sich der Markt in einem massiven Wandel. Die Stakeholder führen neue Arbeitsweisen ein, was gleichzeitig spannend und herausfordernd ist. 

 

Gibt es etwas, das euch bei Axpo überrascht hat?

I: Ich komme von einem kommunalen Energieunternehmen, wo man an vielem arbeitet, was dann häufig nicht in die Tat umgesetzt wird. Oder wenn doch, dann dauert es lange. Axpo war das genaue Gegenteil. Das Tempo ist hier völlig anders. Und deine Arbeit macht einen Unterschied. Es ist ein grossartiges Gefühl, die Ergebnisse deiner Arbeit direkt zu sehen. «Hier ist der Auftrag, erledige ihn.» Das ist wortwörtlich Learning by Doing. 

T: Ingvi kam mit viel positiver Energie und dem Willen, Dinge anzupacken (lacht). Als ich nach meiner Tätigkeit im Finanzbereich in die Energiebranche kam, spürte ich auch eine andere Dynamik. Es war wie auf einen Zug zu springen, der plötzlich losfährt. Wir haben viel zu tun, und es geht um echte Probleme. Bei Axpo löst man Probleme vom ersten Tag an. Man muss die Ärmel hochkrempeln und sich fragen: «Was kann ich einbringen, was sonst niemand tut?» 

 

Warum ist Axpo der richtige Ort für euch, um euch weiterzuentwickeln? 

I: Wegen der Möglichkeit, die Initiative zu ergreifen und daran zu wachsen. Es gibt immer jemanden, der dich dazu ermuntert, ein Problem auf skalierbare Weise zu lösen, und um das zu erreichen, muss man sich selbst fordern und die Toolsets hinterfragen. Man sieht die gesamte Kette dessen, was der Kunde braucht und damit alle Möglichkeiten, sie weiterzuentwickeln und zu verbessern. Es gibt viele Chancen, wenn man eine gute Erfolgsbilanz vorweisen kann und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. 

T: Absolut. Wir reagieren auf die Bedürfnisse des Marktes, und wenn wir uns daransetzen eine innovative Lösung oder Dienstleistung zu finden, dann gibt es viel Raum, um eine Idee zu entwickeln und umzusetzen. Auch wenn wir in den nordischen Ländern ein kleines, aber wachsendes Unternehmen sind, sieht man doch die gesamte Wertschöpfungskette. Wie Ingvi schon sagte, macht es Spass und ist eine befriedigende Arbeit, herauszufinden, was der Kunde braucht und welche Systeme oder Prozesse benötigt werden. 

I: Es ist wie die Arbeit in einem Scale-up: Dinge gehen schnell, alle arbeiten als Team zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, aber gleichzeitig profitiert man von der Stärke eines grossen Unternehmens mit beträchtlichen Ressourcen, um die Arbeit zu beschleunigen. 

 

Gehen wir einen Schritt zurück. Worin besteht eure tägliche Arbeit?

T: Als Senior Data Scientist versorge ich andere mit Daten. Ich wandle Daten in Berichte um, die das Management dann für die Entscheidungsfindung und das Performance-Tracking nutzt. Auf dem Physical Desk programmieren wir ziemlich viel, denn der physische Stromhandel läuft rund um die Uhr. Wir haben automatisierte Prozesse, die tagtäglich ablaufen und es ist ermutigend zu sehen, wie neue Kolleginnen und Kollegen unsere internen Tools selbstständig nutzen. Ich programmiere selbst, arbeite an Systemdienstleistungen und habe sehr viel Kontakt zu Stakeholdern. 

I: Als Portfolio Operations Manager spreche ich mit Kunden und Interessenten über die Energiemärkte im Allgemeinen. Wir besprechen ihre Bedürfnisse und ihre Ziele. Wir müssen die Lösungen bereithalten und die Herausforderungen und die Marktentwicklung verstehen, insbesondere auf der Seite der Übertragungsnetzbetreiber. Dann müssen wir alle Verträge umsetzen, d. h. wir implementieren Systeme, arbeiten mit Entwicklern zusammen und führen Tests mit Lieferanten entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette durch. Das wird schnell ziemlich komplex. Es kann sein, dass man an ein und demselben Tag am Vormittag als Amateurjurist arbeitet und anschliessend Software-Entwicklungstests durchführt, mit dem Übertragungsnetzbetreiber spricht und einen Rückkauf tätigt. Es ist ein sehr breiter Aufgabenkatalog. 

 

Ingvi, was sind Systemdienstleistungen? 

I: Ein Energiesystem muss im Gleichgewicht sein. In jeder Millisekunde muss ein Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch herrschen. Gemessen wird dies an der Frequenz des Netzes. Wird die Produktion erhöht, ohne dass der Verbrauch zunimmt oder umgekehrt, dann kommt es zu einer Verschiebung der Frequenz. In der Vergangenheit haben Wasserkraftwerke ihre Leistung angepasst, um die Frequenz zu steuern. Doch mit immer mehr intermittierenden erneuerbaren Energien im System sind Verbrauch und Produktion immer weniger aufeinander abgestimmt. Hinzu kommt, dass sich die Verbraucher seit der Energiekrise bewusst sind, dass sie Lasten entsprechend den Preisen verlagern können, so dass die Ungleichgewichte noch zugenommen haben. Bei Intraday-Trades passen wir uns an sporadisch auftretende Lasten an, aber innerhalb der Lieferstunde übernehmen Übertragungsnetzbetreiber die Verantwortung für die Ausbalancierung. Ihre Instrumente zur Sicherstellung des Systemgleichgewichts sind und waren Systemdienstleistungen oder Frequenzregulierungsdienste.

Es gibt verschiedene Arten von Dienstleistungen mit unterschiedlichen Funktionen. Sehr schnelle, auch synthetische Rotationsenergie genannt, die bei einem plötzlichen Frequenzabfall zum Tragen kommen. Batterien oder flexibler Verbrauch können das leisten. 

Traditionell haben Energieunternehmen, vor allem grosse Wasserkraftwerksbetreiber, Systemdienstleistungen erbracht. Jetzt sind es ganz neue Player, die mitunter nichts mit Energie zu tun haben, die in den Markt eintreten wollen. Es gilt also viel Aufklärungsarbeit zu leisten, um ihnen zu erklären, wie die Dinge funktionieren, ihnen Zugang zu ermöglichen und ihnen zu vermitteln, wie sie davon profitieren, und ihnen Lösungen anzubieten, mit denen sie sich als Marktteilnehmer etablieren können. Und genau da kommen wir ins Spiel.

 

Thomas, kannst du uns mehr über ein Projekt erzählen, an dem du arbeitest? 

T: Das Batterieprojekt Landskrona ist sehr spannend, da Axpo in das Asset investiert. Wir entwickeln die «Route-to-Market»-Strategie und versuchen, uns so gut wie möglich an die individuelle Situation anzupassen. Das ist aber auch eine der Herausforderungen. 

Wir wollen unser Serviceangebot skalierbar machen und versuchen, es projektübergreifend zu standardisieren und zu skalieren. Wir betrachten das gesamte Route-to-Market-Szenario: Wie sieht die Wertschöpfungskette von der Auktion bis zur tatsächlichen Lieferung aus? Dabei geht es nicht nur um die Teilnahme an der Auktion, sondern auch um die Rückübermittlung der Ergebnisse an das Asset. Es ist spannend, daran teilzuhaben. Zu sehen, welcher Gesamtzusammenhang zwischen der Verfügbarkeit des Asset und den Informationen, die an die Börse übermittelt werden müssen, besteht, und dann die vergebenen Aufträge an das Asset zurückzuführen und die gesamte Informationskette rund um die Uhr in Echtzeit fliessen zu lassen, auch an Weihnachten oder Neujahr. Als Route-to-Market-Anbieter hat man die gesamte Wertschöpfungskette im Blick, was bedeutet, dass man viele Stakeholder betreuen und die Akteure dazu bringen muss, zusammenzuarbeiten.

 

Wie sieht die Pipeline im Hinblick auf Projekte aus? 

I: Das ist eine sehr spannende Pipeline. Und das gilt nicht nur für Batterien und Windparks. Es kommen viele neue Kapazitäten auf den Markt, und es gibt ein starkes Interesse seitens verschiedener Akteure in der Wertschöpfungskette. 

T: Ich spüre den Tsunami schon seit geraumer Zeit. Auf dem Meer herrscht Flut, und gerade surfen wir darauf (lacht). Neben der Energie-Arbitrage können Batterien Kapazität verkaufen, um das Energiesystem zu stabilisieren. Es gibt viele Use Cases.

I: Absolut! Eine Batterie, die zusätzliche Systemdienstleistungen erbringt, könnte derzeit als Belastung für einen lokalen Netzbetreiber angesehen werden. Da sie gleichzeitig eine hohe Leistung laden und entladen, kann es eine Spitzenlast im Netz geben. Sie könnte jedoch eine Ressource für das lokale Netz sein, wenn entsprechende Produkte um sie herum entwickelt werden. 

 

Was ist aktuell die grösste Herausforderung in eurer Funktion? 

I: Es ist der Aufbau von skalierbaren Lösungen und Sicherheit für Übertragungsnetzbetreiber. Die Marktstruktur ändert sich ständig, und wir müssen gleichzeitig skalierbare Lösungen für die aktuelle und zukünftige Struktur entwickeln, auch wenn wir nicht genau wissen, wie das System langfristig aussehen wird. Es ist eine Herausforderung, dies schnell und skalierbar zu tun und dabei von so vielen Unsicherheiten umgeben zu sein. Aber wir investieren sehr viel in solche Lösungen.

T: In der Tat. Von aussen betrachtet sind die Märkte der nordischen Länder – insbesondere Schweden – noch nicht ausgereift. Wir bei Axpo können Probleme lösen, aber gleichzeitig müssen wir herausfinden, wie. Es macht Spass und ist ein befriedigendes Gefühl, eine Herausforderung anzunehmen und sie in eine Chance zu verwandeln.

Wie entspannt ihr euch nach der Arbeit?

I: Ich fahre gerne Ski – ziemlich aggressiv (lacht) – und Kajak oder Wildwasser-Kajak. Da ich im flachen Teil Schwedens lebe, kommt das nicht allzu oft vor. Also musste ich Alternativen finden: Akroyoga (Partner-Akrobatik-Yoga) und Discgolf. Ich verbringe auch Zeit mit meiner Familie und spiele mit meinen zwei Kindern, zwei und vier, was sehr viel Spass macht. Was die Leute normalerweise zum Staunen bringt, ist, dass ich mit dem Kajak über Wasserfälle fahre. . . Beim Kajakfahren habe ich mich noch nie verletzt, sodass ich auch privat ziemlich gut im Umgang mit Risiken bin! 

T: Ich wohne ausserhalb von Malmö, habe also einen etwas längeren Arbeitsweg. Ich versuche die Zeit zum Entspannen zu nutzen und höre mir sehr gerne viele Podcasts an. Das ist eine der Möglichkeiten, andere und tiefere Sichtweisen auf die Branche zu erhalten. Bewegung ist wichtig, deshalb versuche ich zu laufen und zu trainieren. Im Winter gehe ich, wenn es das Wetter zulässt, Schlittschuhlaufen und Skifahren. Meine Frau hat mich auch in den Langstrecken-Eislauf auf den grossen zugefrorenen Seen eingeführt, wo man stundenlang Schlittschuh laufen kann.

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