18.04.2023 | Schweizer Windenergie: Lokale Bevölkerung mit ins Boot holen
Für die einen sind Windräder eine «Verspargelung» der Landschaft. Für die anderen haben sie etwas majestätisches. Die Meinungen über die Windenergie gehen weit auseinander. Der Ausbau von Windenergie in der Schweiz ist jedoch wichtig, denn sie liefert dringend nötigen Winterstrom. Damit die lokale Bevölkerung beim Zubau der Windenergie mitzieht, soll sie via Beteiligungsmodellen direkt profitieren können.
Die Schweizer Bevölkerung hat sich mehrmals für eine möglichst hohe eigene Stromproduktion ausgesprochen. So auch in der Anfang Jahr publizierten Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Überraschend ist der Wunsch nach mehr Autarkie nicht. Der Krieg gegen die Ukraine und die mit ihm verbundenen Verwerfungen an den Energiemärkten haben das Bewusstsein um die heikle Versorgungssituation geschärft. Dabei ist unser Land vor allem im Winter auf Importe angewiesen, wenn die Pegel der Gewässer sinken und die Wasserkraftwerke entsprechend weniger Strom erzeugen. Auch die Photovoltaik liefert dann weniger Strom. Eine Ausnahme ist die alpine Solarkraft, die künftig stark ausgebaut werden soll. Das allein reicht aber nicht aus.
Ein vielversprechender Kandidat für mehr Winterstrom liegt quasi in der Luft: die hierzulande wenig beachtete Windenergie. Bis zu zwei Drittel ihrer jährlichen Stromproduktion fällt in der kalten Jahreszeit an – optimal, um das saisonale Tief der Solar- und Wasserkraft auszubalancieren.
Nur, die Vorbehalte gegenüber der Windkraft halten sich in der Schweiz hartnäckig. Auch das zeigt die Studie des WSL. Gemäss der Umfrage ist die Schweizer Bevölkerung gegenüber der Windkraft heute sogar skeptischer als noch vor Jahren, während die Photovoltaik an Zuspruch gewonnen hat (2018 hatte WSL eine analoge Umfrage zum Thema ins Feld geschickt). Die skeptische Haltung gegenüber der Windenergie deckt sich nur zum Teil mit den Erfahrungen, welche die Axpo Tochter CKW im direkten Kontakt mit der Bevölkerung macht.
CKW betreibt seit 2013 auf der Anhöhe Lutersarni im Entlebuch ein 120 Meter hohe Windkraftanlage. Es ist bis anhin die einzige im Schweizer Axpo-Kraftwerkportfolio. Das soll sich ändern. Axpo will die Windkraft zur Sicherung Stromversorgung deutlich ausbauen. Bereits weit fortgeschritten ist das Projekt am Lindenberg auf der Grenze zwischen den Kantonen Aargau und Luzern, welches mit den Partnern AEW und SIG realisiert wird. Darüber hinaus sind fünf weitere Windparkprojekte in der Zentralschweiz in Planung. Die rund 20 Turbinen werden dereinst sauberen Strom für über 30'000 Haushalte produzieren.
Im vergangenen Jahr informierte CKW die Anwohnerinnen und Anwohner der möglichen Standort-Gemeinden zu den Projekten. Die Stärken und Schwächen der Windenergie sowie die notwendigen Prozessschritte und Abklärungen bis ein Windkraftwerk gebaut werden kann wurden erläutert. Die Abklärungen umfassen beispielsweise monatelange Windmessungen sowie verschiedene Umweltverträglichkeitsprüfungen zu Themen wie Vogelflug, Aufkommen von Fledermäusen, Grundwasser, Schattenwurf oder Luftfahrt. «Der Zuspruch für die Windenergie an den ersten Infoveranstaltungen vor Ort war jeweils gross», sagt Rafael Mesey, Leiter Neue Energien der Axpo Gruppe, räumt aber gleichzeitig ein: «Je konkreter ein Projekt sich vor der eigenen Tür abzuzeichnen beginnt, desto öfter regt sich Widerstand». Dieses hinlänglich bekannte Phänomen «ja, wollen wir, aber bitte nicht hier» nannte man früher Sankt-Florians-Prinzip. Heute ist es geläufiger unter dem Kürzel Nimby: Not in my backjard!
Umso wichtiger ist der regelmässige direkte Austausch mit der lokalen Bevölkerung auf Augenhöhe. Sonst wird die Schweiz das Potenzial der Windkraft mehr schlecht als recht erschliessen können. Denn an Potenzial fehlt es hierzulande nicht. Aber Informationen und Austausch reichen nicht. «Wir wollen bei den aktuellen Projekten, die Anwohnerinnen und Anwohner auch als Teilhaber mit ins Boot holen, wie das auch unsere deutsche Schwestergesellschaft Volkswind bereits erfolgreich gemacht hat», führt Rafael Mesey aus. Mit einer finanziellen Beteiligung kann die Bevölkerung vor Ort die Windanlage vor der Tür quasi zu «ihrer» machen und so auch anteilsmässig vom Gewinn profitieren. Lokale Beteiligungsmodelle könnten sich als Königsweg für eine höhere Akzeptanz der Windenergie entpuppen, sodass ihr Potenzial im Sinne der Versorgungssicherheit auch tatsächlich realisiert werden kann.
«Die Schweiz ist doch kein Windland», ist eine häufig gehörte Kritik. Verglichen mit den Küstengebieten von Deutschland oder Dänemark mag das stimmen. Aber wir vergleichen das hiesige Potenzial der Photovoltaik ja auch nicht mit jenem von Spanien oder Portugal. Dennoch ist Solarenergie heute gut akzeptiert. Auch brauchen wir den Blick nicht einmal auf die typischen Windländer zu richten. Österreich, wie die Schweiz ein Alpenland, macht es vor. Dort fallen bereits 12 Prozent des Strommix auf Windenergie. In der Schweiz sind es weniger als ein halbes Prozent. Dass die Schweiz als Windland nicht taugen soll, damit hat das Bundesamt für Energie BFE in seinen aktualisierten Berechnungen aufgeräumt. Fortschritte in der Turbinentechnologie sind für das grössere Potenzial hauptverantwortlich.