06.10.2022 | Interview mit Paweł Wierzbicki, Head of Origination und Mitglied der Geschäftsleitung bei Axpo Polska
Vor zwanzig Jahren eröffnete Axpo ihre Niederlassung in Warschau. Seither hat sich das Unternehmen zu einem der wichtigsten Spieler auf dem polnischen Energiemarkt entwickelt. Dank eines innovativen und kundenorientierten Ansatzes gehört Axpo Polska heute landesweit zu den führenden Vermarktern von erneuerbarer Energie und beliefert Industriekunden und KMU mit umweltfreundlichem Strom.
In einem vorherigen Interview dieser Serie beschrieb Grzegorz Biliński, Managing Director bei Axpo Polen, die ersten Zeiten des Unternehmens und dessen Wachstumsvision für den polnischen Markt. Zuvor hatten wir in einem Interview mit Katarzyna Bienias, Mitglied der Geschäftsleitung und Verkaufsleiterin KMU, erfahren, wie sich der Markt für Energiedienstleistungen entwickelte, seit die freie Stromanbieterwahl für Kunden eingeführt wurde.
Heute veröffentlichen wir ein Interview mit dem Head of Origination von Axpo Polska. Paweł Wierzbicki ist bereits seit acht Jahren im Unternehmen, seit 12 Monaten ist er Mitglied der Geschäftsleitung.
Was hast du vor deiner Zeit im Axpo-Team gemacht? Wie haben dir das Wissen und die Erfahrung, die du dort gewonnen hast, in den späteren Etappen deiner Karriere geholfen?
Am Anfang meiner Berufslaufbahn war ich in Budapest im Zertifikatehandel tätig. Zufällig war dies das Thema meiner Masterarbeit – ein damals noch relativ neues und wenig erschlossenes Feld. Es reizte mich genug, dass ich mich bei Firmen bewarb, die auf dem Gebiet aktiv waren. Von unserer Zentrale in Ungarn aus waren wir europaweit tätig. Ich war für Polen zuständig. Ich erinnere mich gern an diese Erfahrung zurück. Einerseits musste ich dafür meinen Komfortbereich verlassen, in einem anderen Land arbeiten und täglich englisch sprechen. Andererseits lehrt einen die Arbeit in einer internationalen Umgebung mehr Offenheit gegenüber anderen Einstellungen und Meinungen und erlaubt, Situationen oder Konflikte aus dem Blickwinkel anderer wahrzunehmen. Zum Beispiel stellte sich heraus, dass nicht jeder, der anderer Meinung ist als ich, falschliegt (lacht). Wir haben einfach unterschiedliche Perspektiven oder bringen nicht den gleichen Background mit. Eine weitere interessante Beobachtung waren die unterschiedlichen Herangehensweisen an das Geschäft. Wir Polen gehen eher konservativ und zurückhaltend an geschäftliche Dinge heran, während Italiener oder Spanier eindeutig direkter und offener sind. Das habe ich mir genau angesehen und als Lehre für mich genommen. Bei Axpo arbeiten wir ständig mit der Schweizer Unternehmenszentrale, Tochtergesellschaften in verschiedenen Ländern und internationalen Kunden zusammen. Da ist meine Erfahrung aus Ungarn definitiv von Nutzen.
Warum hast du dich entschlossen, zu Axpo zu gehen?
Ich bin dank Grzegorz Biliński, dem Präsidenten des Unternehmens, zu Axpo gekommen. Grzegorz arbeitete zuvor für einen ähnlichen Broker, nur in Amsterdam. Man könnte sagen, wir waren Wettbewerber. Aber es war ein Wettbewerb im positiven Sinn. Wir hatten sehr viel gegenseitigen Respekt. Grzegorz rief mich an, als er zu Axpo ging und ein Team zusammenstellte.
Axpo ist ein sehr grosses Unternehmen, ein wichtiger und professioneller Wettbewerber auf dem internationalen Markt. Der Übergang von einem lokalen CO2-Zertifikate-Händler zu einem solchen Konzern war für mich ein grosser Schritt nach vorne. Dazu gehörte auch ein viel breiteres Aktivitätenspektrum – das Unternehmen ist wirklich in eine Vielzahl von Themen involviert. Bei Axpo waren meine Aufgaben zunächst Energieeffizienz und weisse Zertifikate, dann Strom und Gas mit den damit zusammenhängenden Bereichen. Diese Ausweitung der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten hat sich stark auf meine Entwicklung ausgewirkt. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich durch die ganze Bandbreite der Konzernaktivitäten mehr Möglichkeiten und Einfluss hatte.
Welche Herausforderungen gab es für dich, als du ins Unternehmen kamst?
Zunächst beschränkte sich die Aktivität von Axpo in Polen auf den Abschluss einiger langfristiger Stromabnahmeverträge (Power Purchase Agreements, PPAs). Das Team war klein, und obwohl Axpo Polska zu einem Grosskonzern auf dem internationalen Markt gehört, herrschte beim Betrieb in Polen eher eine Atmosphäre wie in einem Start-up. Wir, eine Handvoll Leute in einer kleinen Niederlassung, fragten uns, was für neue Projekte wir machen könnten und wie. Für mich persönlich war es eine ziemliche Herausforderung – ich hatte gerade angefangen, mich um die Dienstleistungen und Produkte zu kümmern, was für mich völlig neu war. Gleichzeitig musste ich mir klar werden, wie wir sie mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln in Polen einführen. Die Vorbereitung von Verträgen und Strukturen, ihre Integration ins System, die Rechnungsstellung an die Kunden – all das mussten wir mit unseren bescheidenen Mitteln bewältigen. Die ersten Transaktionen und Erfolge waren ein Zeichen, dass der polnische Markt ein grosses Potenzial hatte und es sich lohnte, das Team vor Ort zu erweitern.
Das war vor acht Jahren. Was macht ihr heute? Wer sind eure Kunden und was hat Axpo Polska für sie im Angebot?
Wie gesagt, war ich bei Axpo zunächst für die Energieeffizienz zuständig. Später übernahm ich das Origination-Geschäft und hatte in den letzten fünf Jahren die Leitung dieses Teams. Die Origination-Kunden sind die wirklich grossen Akteure und haben andere Bedürfnisse als der restliche Markt. Sie haben komplexere Vorgaben im Risikomanagement und möchten nicht immer das gesamte Volumen absichern, sondern lieber einen Durchschnittspreis. Manchmal sind ihre Anlagen auf viele europäische Länder verteilt und sie möchten die Gas- und Strompreise möglichst an einen bestimmten Referenzmarkt binden. Für solche Fälle – zum Beispiel Gas – haben wir die Niederlande gewählt, den liquidesten Markt in Europa. In der Praxis bedeutet das, dass wir in Polen basierend auf Preisen liefern, die sich am niederländischen Markt orientieren. Genau mit dieser Flexibilität und diesem Kundenservice überzeugen wir weitere Unternehmen.
Wir arbeiten auch mit Erzeugern erneuerbarer Energien zusammen. Heute ist Axpo Polska der grösste unabhängige Abnehmer für erneuerbare Energie auf dem polnischen Markt. Schon seit Beginn unserer Tätigkeit in Polen bieten wir den Erzeugern verschiedene Dienstleistungen an – von Balancing und kurzfristigen Stromabnahmeverträgen bis hin zu Langfristverträgen – je nachdem, welche neuen EE-Projekte wahrscheinlich eine Bankenfinanzierung erhalten. Wir verbinden Endverbraucher und EE-Erzeuger durch Stromabnahmeverträge (Corporate PPAs) und stellen somit eine Plattform bereit, auf der alle zusammenarbeiten können.
Vor knapp einem Jahr haben wir auch ein Spezialteam aus dem Origination-Bereich ausgegliedert, das sich um Photovoltaikprojekte kümmert. Wir haben sehr viel Mühe hineingesteckt, damit Polen zu einem der Märkte wird, auf dem wir diese Art Dienstleistung anbieten können. Das Photovoltaikangebot richtet sich an Geschäftskunden, Investoren und Grundstücksbesitzer. Wir können die abgenommene Energie unter den Corporate PPAs auf dem Markt oder direkt an die Endverbraucher verkaufen.
Sind Corporate PPAs in Polen gefragt? Hast du in letzter Zeit ein verstärktes Interesse an solchen Verträgen festgestellt?
Wir haben bereits vorsichtiges Interesse an CPPAs festgestellt, bevor die Energiepreise ihre aktuellen, hohen Niveaus erreicht haben. Vielleicht lag das nicht so sehr am Wunsch, Kosten zu sparen, sondern eher daran, die Entwicklung der Erneuerbaren in Polen zu fördern. Sobald die Preise stiegen, nahm natürlich auch das Interesse an dieser Art Vertrag erheblich zu. Trotz ihrer wachsenden Popularität sind CPPAs wegen des nicht vollständig definierten gesetzlichen Rahmens nach wie vor kein einfaches Gebiet. Solche Herausforderungen gehören jedoch bei jedem neuen Marktsektor dazu. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir alle potenziellen Risiken identifiziert, die entstehen könnten. Wenn im Lauf der Zeit mehr Regulationen eingeführt werden, wunderbar – aber wir kommen auch ohne zurecht.
Dein Team ist demnach viel grösser als am Anfang?
Das Team wächst, wie auch Axpo Polska insgesamt. Natürlich ist das mit seinen eigenen Herausforderungen verbunden. Ich habe nicht mehr für alle so viel Zeit, wie ich gerne möchte. Das ist aber ein natürliches Ergebnis des Unternehmenswachstums. Einerseits haben wir es mit grossen Verträgen zu tun und ich bin froh, dass ich Verantwortliche in meinem Team habe, auf die ich zählen kann und von denen ich weiss, dass sie das richtige Know-how haben, um hervorragende Arbeit zu leisten. Andererseits ist das Team cool und jung, wir sind auf der gleichen Wellenlänge und haben Spass zusammen. Wir diskutieren unsere Ideen gegenseitig. Man könnte sagen, wir sind Sparringspartner: Wir versuchen, einander herauszufordern und zu inspirieren, um zu neuen Lösungen zu finden.
Von einem Start-up hat sich Axpo Polska zu einem Unternehmen mit über 140 Beschäftigten entwickelt, mit dir an der Spitze des Origination-Teams. Vor einem Jahr wurdest du auch GL-Mitglied. Wie findest du deine neue Rolle?
Meine Arbeit ist die gleiche wie vorher, nur mehr! (Lacht.) Natürlich muss ich als Mitglied der Geschäftsleitung die Bedürfnisse und Vorgaben von Axpo als Gesamtunternehmen berücksichtigen, nicht nur die meiner Abteilung. Aber das hat auch etwas Gutes. Ich möchte besser verstehen, was in anderen Unternehmensbereichen vor sich geht, erfahren, welche Herausforderungen die jeweiligen Abteilungen haben, und proaktiv Lösungen anbieten. Zusammen mit dem Rest der Geschäftsleitung diskutieren wir die Zukunft von Axpo in Polen. Wir diskutieren, wohin uns unsere Ideen führen könnten und was sich im Unternehmen ändern müsste, damit wir dort hinkommen, wo wir sein möchten.
Apropos Management-Team: Axpo Polska hat eine sehr vielfältige Arbeitsumgebung. Frauen stellen die Hälfte der Geschäftsleitung und führen fünf der sieben Abteilungen. Das ist ziemlich beispiellos, nicht nur unter polnischen Energieunternehmen. Welche Vorteile siehst du in einer so vielfältigen Arbeitsumgebung?
Meiner Meinung nach sind die Leute, die bei Axpo arbeiten, sehr kompetent und aus gutem Grund im Unternehmen. Das Geschlecht ist hier nicht die Frage. Auch das Durchschnittsalter ist merklich niedriger als in anderen Trading-Unternehmen. Das ermutigt uns, anders an die Welt heranzugehen, gibt uns den Wunsch nach Veränderung und Innovation. Die Mitarbeitenden von Axpo sind sehr kompetente, professionelle Menschen. Und wenn dann die Hälfte oder die Mehrheit Frauen sind? Fantastisch! Wenn wir Mitarbeitende anwerben und auf Führungsrollen vorbereiten, sind für uns vor allem Kompetenz, Wissen, Erfahrung und ihr Potenzial ausschlaggebend.
Zu guter Letzt: Wie entspannst du dich nach der Arbeit? Wie gehst du mit der Verantwortung deiner Position um?
Es ist schwierig, nach Feierabend einen Strich zu ziehen und nicht an die Arbeit zu denken, besonders jetzt, da wir wieder schwierigere Zeiten auf dem Markt erleben. Die letzten paar Jahre erscheinen dagegen wie ein Spaziergang. Die ständigen Herausforderungen unseres Geschäfts führen dazu, dass ich im Kopf oft im Arbeitsmodus bleibe. Wenn ich sehe, was in der Welt geschieht, frage ich mich ständig, wie sich das auf Axpo auswirken wird.
Aber ich versuche, mich von alldem zu distanzieren. Sicherlich hilft mir dabei mein Sohn, der andere, herrlich unverhandelbare Prioritäten hat. (Lacht.) Er steckt mich mit seiner Fröhlichkeit an und das lenkt mich von beruflichen Dingen ab.
Paweł Wierzbicki, Head of Origination bei Axpo Polska und Mitglied der Geschäftsleitung
Paweł ist bereits seit über acht Jahren bei Axpo, wo er zunächst für die Entwicklung von Dienstleistungen für Energieeffizienz und weisse Zertifikate für strategische Kunden tätig war. In den letzten fünf Jahren hatte er die Leitung des Origination-Teams inne, das sich auf strukturierte Produkte für die Erzeuger erneuerbarer Energien und Endkunden aus der Industrie spezialisiert. Sein Fachgebiet sind langfristige Verträge, PPAs und kommerzielles Balancing. Paweł verfügt ausserdem über viele Jahre Erfahrung im internationalen Zertifikatehandel. Er hat einen Abschluss der Warsaw School of Economics mit einem CEMS-Masterabschluss des internationalen Management-Programms (CEMS MIM).