12.04.2023 | Monatliches Update europäische Energiemärkte, April 2023

Entspannung zum Ende des Winters, aber auch neue Herausforderungen

Ende März ging eine Wintersaison mit überdurchschnittlich hohen Temperaturen, viel Strom aus Windenergie und einem Energie- und Gasverbrauch unterhalb des Niveaus im Covid-Winter 2020 zu Ende. Die Energiepreise an den Spotmärkten gingen zum Saisonende bei stark gesunkenen Risikoprämien über den März weiter zurück. Das belegt ein weiteres Mal, dass die Prämien angesichts möglicher Versorgungsengpässe oft zu hoch angesetzt werden. Die Nachfrage nach Energie brach in Industrie und Privathaushalten stark ein. Ein zentraler Unsicherheitsfaktor ist und bleibt dabei, wie stark dieser Rückgang strukturell bedingt ist. Die Kohle- und Gasbestände hielten sich dagegen auf einem soliden Niveau. Das ist nicht nur durch die gedämpfte Nachfrage in Asien und die gute Gasversorgungslage begründet, sondern auch durch ein Jahr regulatorischer Eingriffe mit gesetzlich festgelegten Gasspeicherständen und Zielvorgaben für die Verbrauchssenkung und einer neuerlich höheren Kohleleistung.

Eine Reihe von Entwicklungen über den März waren für die europäischen Energiemärkte und die Perspektiven der Versorgung weiterhin herausfordernd. Grossstreiks in Frankreich gegen die Pläne der Regierung zur Reform des Rentensystems hatten einen starken Rückgang der LNG-Einfuhr zur Folge. Sollte diese Situation in den nächsten Monaten fortbestehen, könnte das die LNG-Einfuhrkapazität in Europa zu einem Zeitpunkt spärlicher Pipeline-Lieferungen und einer starken LNG-Abhängigkeit begrenzen. Ausserdem war infolge der Streiks die Verfügbarkeit von Energie aus Wasserkraft, fossilen Brennstoffen und Kernkraftwerken über mehrere Wochen eingeschränkt. Zugleich verzögerte sich bei vielen Kernreaktoren die jährliche Wartung. Wenn man die Pläne von EDF hinzurechnet, 2023 nach der Entdeckung von Rissen an einer korrodierten Schweissnaht am Reaktor Penly 1 eine noch grössere Zahl reparierter Schweissnähte als ursprünglich vorgesehen zu überprüfen, lässt sich leichter nachvollziehen, warum der Front-Winter-Kontrakt Q1/2024 im letzten Monat von 230 EUR/MWh auf 430 EUR/MWh sprang. 

Die präzedenzlose Dürre und die extrem dünne Schneedecke in ganz Westeuropa hatten eine weitere klare Risikoprämie zur Folge und begünstigten angesichts potenziell niedriger Wasserstände, Schwierigkeiten bei der Kohleversorgung in Deutschland und einem begrenzten Kühlwasserangebot für Wärmekraftwerke gehandelte Sommer-Kontrakte. Nach dem heissen, trockenen Sommer des Vorjahres herrscht an den Märkten Verunsicherung, ob sich die umgekehrte Saisonalität der Preise im Sommer und Winter des letzten Jahres wiederholen wird. Das Wetter entwickelt sich klar zu einem entscheidenden Risikofaktor für die Zukunftsbewertungen über die Sommersaison. Die reduzierte Versorgung durch die Stilllegung der deutschen Kernkraftwerke im April war vorhersehbar, wird aber den Bedarf an thermischer Energieerzeugung steigern und die Abhängigkeit von Brennstoffimporten erhöhen.

Parallel dazu hat die Europäische Kommission im vergangenen Monat ihren lang erwarteten Marktreformentwurf vorgelegt. Darin sind neue Massnahmen wie die Einrichtung virtueller Trading Hubs vorgesehen. Das Grenzpreissignal dagegen wurde beibehalten. Stromabnahmeverträge (Power Purchase Agreements, PPAs) und Differenzverträge (Contracts for Differences, CfDs) für CO2-arme Erzeugungstechnologien werden gefördert. Die neue Regelung dürfte 2024 nach Verabschiedung durch das Europäische Parlament und den Europäischen Rat in Kraft treten.

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